Spiegelsaal voller Bach-Variationen bekommt Marta-Preis

Herford. Erstmals würdigt das Marta eine Preisträgerin des mit 25.000 Euro dotierten Marta-Preises der Wemhöner Stiftung mit einer Einzelausstellung. Sinnliches Herzstück der Präsentation ist die Rauminstallation &bdquo;Schimmer und Glanz“ (2020), die Johann Sebastian Bachs Goldberg-Variationen und auch deren Kompositionsprinzipien räumlich und visuell erfahrbar macht. Wer möchte, kann sich aber auch einfach in einem Geflecht aus roten oder silbernen Fäden, Spiegeln, echten oder visuell nur angedeuteten Wänden sowie Rastern und Klängen verlieren. Der Raum nimmt den hinteren Teil der Lippold-Galerie im Obergeschoss ein, den vorderen Teil großformatige Zeichnungen aus den Werkgruppen &bdquo;History Now“ (2016), &bdquo;Schweigen 2020“, die &bdquo;Goldberg-Variationen“ (2019), die jede für sich Aspekte auslotet, die dann in der spektakulären Raumzeichnung zu einem stimmigen Ganzen zusammenfinden. Im Zentrum steht eine eigens konzipierte Rauminstallation Neben der eigens für die Ausstellung konzipierten Rauminstallation entstand auch die Bildserie &bdquo;Schweigen“ anlässlich des Marta-Preises. Das Eckdiptychon, also ein über Eck gehängtes Bilderpaar, &bdquo;Schweigen I“ geht auch in die Marta-Sammlung ein. Der Zyklus ist inspiriert von den zahlreichen Kirchen in Herford. &bdquo;Kirchenfenster vermittelten im Mittelalter den Menschen, die nicht lesen konnten, die Inhalte der Bibel und damit Ideologie“, sagt die 1966 geborene Baselitz-Schülerin. Für die Zeichnungsserie setzt sie die von Farbe und Inhalt entblößten Fenster auf einen grafitfarbenen Grund aus Bleistiftschraffur. Die mittelalterlich-christlichen Symbole erweitert sie um Anarchostern oder Davidstern und schafft so Bezüge in die Gegenwart, die geprägt ist vom Nebeneinander verschiedener Ideologien im analogen und digitalen Raum. Direkten Bezug auf &bdquo;Schimmer und Glanz“ und die Goldberg-Variationen nimmt der gleichnamige Zeichnungszyklus, von dem im Marta nur ein Kleinstauszug zu sehen ist. Wie bei Bach bilden &bdquo; Aria (Anfang)“ und &bdquo; Aria (Ende)“ so etwas wie einen Rahmen, in denen sie den Notensatz visuell dekonstruiert, variiert oder überlagert, eben für einige Kompositionstechniken von Bach zeichnerische Entsprechungen findet. Auch hier verblüffen die Unmengen von Zeit und Energie, die in den riesigen Schraffurflächen gebunden sind. Das zentrale Triptychon &bdquo;Stargate“ zieht nicht nur geradezu in den hinter der Wand verborgenen Spiegelsaal, sondern verbildlicht auch die Prinzipien wie Dehnung und Überlagerung, mit denen sie Bachs Musik digital aufbereitete. Im Spiegelsaal erklingen sowohl Bachs Originalmusik als auch die digital verfremdete Bearbeitungen mit Dehnungen oder Überlagerungen. Das Aufbrechen eigentlich strikter Gestaltungsregeln ist in Waldachs Arbeitsweise der letzte Schritt, aber auch der ist für sie durch Bach legitimiert. &bdquo;In neun seiner Variationen variiert er tatsächlich seine Komposition immer wieder, aber in der zehnten verarbeitet er plötzlich zwei Volkslieder, holt die Volks- in die Hochkultur und bricht so sein eigenes Regelwerk“, sagt sie. Kultur und Zeitgeschichte und deren geistesgeschichtliche Zusammenhänge sind auch Thema des ältesten Zyklus in der Ausstellung, &bdquo;History Now“. Hier beschäftigte sie sich mit den in der Online-Enzyklopädie Wikipedia meist gesuchten und meist bearbeiteten Begriffen. Dazu gehörten Jesus, Hannah Arendt, Adolf Hitler oder Terror. Sie nimmt die Wikipedia-Texte als zeichnerisches Material und überlagert sie so lange, bis die beschriebenen Gestalten sich hinter einem Wortnebel aufzulösen scheinen. Obwohl auch diese Arbeiten einen Eindruck davon vermitteln, wie Waldach denkt und arbeitet, ist ihnen anzumerken, dass sie um ein anderes Thema als Bach und seine Goldberg-Variationen kreisen. Eine passende Ergänzung sind sie aber allemal. Endlich wieder eine Eröffnung – vor Publikum Die Ausstellung wird am Sonntag, 20. September, um 12 Uhr im Marta-Forum mit der Preisverleihung eröffnet. Die Teilnahme an der Eröffnung ist wegen Corona nur nach Anmeldung an eroeffnung\@marta-herford\.de, Tel. (0 52 21) 99 44 30 20, möglich. Ausstellungen und Museum sind danach zwar wie gewohnt geöffnet, allerdings kann immer nur eine kleine Anzahl von Besuchern gleichzeitig &bdquo;Schimmer und Glanz“ besuchen. &bdquo;Die Besucher sollten also Zeit mitbringen“, sagt Marta-Direktor Roland Nachtigäller, der aber gleichzeitig froh ist, dass die Eröffnung überhaupt vor Publikum stattfinden kann.

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