Augenklinik zieht in schöne Altstadtvilla und vergößert sich

Herford. Matthias und André Klamann können sich aus Kindertagen noch lebhaft an den Fliegenpilz-Kiosk am Ufer der Aa zwischen Schillerbrücke und Wilhelmsplatz erinnern. Ihr Schulweg von der Goebenstraße zur Wilhelm-Oberhaus-Schule führte sie vor knapp drei Jahrzehnten täglich daran vorbei. Der Kiosk mit seinen süßen Versuchungen wurde nach einem Brand im Jahr 1996 abgerissen. Gleich daneben stand und steht aber noch die im neobarocken Stil errichtete Villa Wilhelmsplatz 2, die die beiden Augenärzte nun neu für sich entdeckt haben. Sie haben das denkmalgeschützte Gebäude aus dem Jahr 1880 zusammen mit ihrer Praxis-Partnerin Sina Iskandar gekauft und lassen die Fassade so sanieren, wie sie einmal ausgesehen haben mag. Im Gebäude soll bis Anfang nächsten Jahres eine helle, moderne Augenklinik mit viel Glas entstehen, die mit vier Sälen deutlich mehr Kapazitäten für Operationen bietet, als der aktuelle, seit dreieinhalb Jahren betriebene Standort im früheren Dialysezentrum an der Kurfürstenstraße. Alter Charme wird wieder hergestellt "Es war ein glücklicher Zufall, dass die schöne Altstadtvilla zum Verkauf stand, als wir einen neuen Standort suchten. Wir haben nicht lang überlegt", sagen die Brüder, die auch als Gymnasiasten des Ravensberger oft hier vorbei gekommen sind. Im Haus war zuletzt eine Steuerberaterkanzlei ansässig. Es hat bei einer früheren Renovierung vor allem durch den Einbau von Fenstern ohne Sprossen einen Teil seines Charmes verloren. Ein Charme, den die Augenärzte auch durch einen Anstrich in gebrochenen Weißtönen wieder herstellen lassen wollen. "Die Zusammenarbeit mit Bauamt und Denkmalschutz war gut", sagen sie. Sie freuen sich über die Innenstadtlage unmittelbar am Wasser und wollen sie auch nutzen. Ein Wintergarten Richtung Garten soll ein Aufenthaltsraum werden für Angehörige, die jemanden zur ambulanten Operation begleiten. Patienten bekommen hier auch ihr Frühstück, wenn sie aus der nur Minuten dauernden Narkose, in die sie nüchtern gehen müssen, aufgewacht sind. Das Aa-Ufer soll für sie vom Garten aus begehbar gemacht werden. Parkplätze entstehen direkt vor dem Haus. Aa-Ufer wird vom Garten aus begehbar gemacht Die Klamanns freuen sich auch, dass der Wilhelmsplatz neu gestaltet wird und sowohl die Aa am einen wie die Werre am anderen Ende erschlossen werden. Sie hoffen auch, dass Lars und Matthias Uhlen ihre Blumenfassade am früheren Schiller und zukünftigen Restaurant Wohnzimmer auf der anderen Seite des Flusses realisieren können. Matthias Klamann (38) hat an der Berliner Charité promoviert und lehrt hier noch heute in seinen Forschungsgebieten Grauer und Grüner Star. Daher weiß er auch, wie schwer es ist, Ärzte für die Provinz zu begeistern. 2016 zog es ihn aber zurück in die Heimat und er wurde Partner in der Praxis Koeller in der Radewig. Drei Jahre später folgte ihm sein Bruder André (35), der nach erfolgreichem Studium in Magdeburg und Promotion in Düsseldorf eine europaweit gültige Facharzt-Prüfung in Paris absolviert hatte. Beide sind mit Augenärztinnen verheiratet. Inzwischen hat die Praxis sechs Standorte mit über 40 Mitarbeitern in Herford, Bünde, Enger und seit April in Löhne. Mit der Übernahme der dortigen Praxis Ghassan Iskandar kam dessen Tochter Sina (32) als Partnerin mit ins Boot. Sie ist spezialisiert auf plastisch-ästhetische Lid-Chirurgie. In der Augenklinik an der Herforder Kurfürstenstraße wird ambulant operiert, im Lukas-Krankenhaus Bünde mit sechs Belegbetten auch stationär, falls es andere gesundheitliche Einschränkungen der Patienten nötig machen. Sowohl in Bünde als auch am Klinikum sind die Klamanns in augenärztlichen Fragen beratend tätig. Ambulante OP in minimalst-invasiver Technik Seit gut zehn Jahren werden Eingriffe bei Grauem Star und altersbedingten Makula-Störungen in der Regel ambulant durchgeführt. Möglich macht das eine minimalst-invasive OP-Technik, bei der die trübe Linse durch einen ein bis zwei Millimeter kleinen Schnitt abgesaugt und eine sich entfaltende neue Linse ersetzt wird. Schon nach einem Tag kann die Augenklappe wieder entfernt werden. In meisten Fällen kommen die Patienten nach den Eingriffen an beiden Augen ohne Brille in der Ferne aus. Bei den Störungen der Netzhautmitte (Makula) wird ein Medikament in den Augapfel gespritzt. Auch das geschieht im sterilen OP. Vor ungeahnte Herausforderungen sahen sich die Ärzte durch die Corona-Pandemie gestellt. "Das hat uns schlaflose Nächte bereitet", sagen sie. Die Arbeit wurde auf medizinisch notwendige Eingriffe heruntergefahren. Zur gebotenen Vorsicht kam nach ihrer Meinung auch eine Portion Glück, dass tatsächlich keine Infektion aufgetreten ist. Nun sind sie froh, dass sie das "riesige Patientenaufkommen" wieder bewältigen können.

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