Warum das Klinikum weniger Herzinfarkt- und Schlaganfall-Patienten hat

Herford. Die Situation in den Krankenhäusern hat Folgen - nicht nur für den Betrieb im Haus, sondern möglicherweise auch für die Gesundheit derjenigen Patienten, die jetzt nicht operiert und behandelt werden: Sowohl das Klinikum Herford als auch das Mathilden-Hospital verzeichnen weniger Patienten-Kontakte. Und dabei geht es nicht um verschiebbare Operationen. Die Anzahl der stationären Patienten mit Herzerkrankungen ist im Klinikum zwischen dem 15. März und 23. April gegenüber 2019 um 24 Prozent zurückgegangen, die der Schlaganfall-Patienten um 20 Prozent. "Das ist verwunderlich", sagt Klinikum-Vorstand Peter Hutmachern, aber das sei Deutschland-weit so. Dass Herzinfarkte und Schlaganfälle weniger häufig auftreten, sei unwahrscheinlich. "Wir vermuten, dass Menschen leichte Symptome von sich wegschieben" Zwar gingen einige Mediziner davon aus, dass mit dem Shutdown des öffentlichen Lebens viele Stressfaktoren weggefallen sind. "Wir vermuten aber eher, dass Menschen leichte Symptome aus der Sorge heraus wegschieben, dass sie bei uns keinen Besuch bekommen werden." Oder weil sie befürchten, sich mit dem Coronavirus anzustecken, so Georg Rüter, Geschäftsführer des Mathilden-Hospitals, der aber keine Hinweise auf verschleppte Herzinfarkte hat. Möglich ist, dass bei Menschen mit leichten Symptomen sowieso etwas weniger Schwerwiegendes diagnostiziert würde, wenn sie sich untersuchen ließen. Aber das ist nicht sicher: Hutmacher fehlen Vergleichszahlen, bei wie vielen Patienten mit Verdacht auf Herzinfarkt oder Schlaganfall zwischen dem 15. März und 23. April 2019 eine andere, leichtere Erkrankung diagnostiziert wurde. Weniger Patienten verzeichneten auch die Notaufnahmen: im Klinikum waren es minus 25 bis 30 Prozent, im Mathilden-Hospital minus 30 Prozent. Im Klinikum seien das vor allem weniger Patienten gewesen, die sonst zu Fuß oder mit dem Auto gekommen wären. Die Zahl derer, die als Notfall mit dem Rettungswagen gebracht wurde, sei hingegen kaum rückläufig gewesen, sagt Hutmacher. Rüter zufolge kommen die Lapidar- und Skurril-Fälle nicht mehr in die Notaufnahme Rüter zufolge, sind es "die Lapidar- und Skurril-Fälle", die nicht mehr in die Notaufnahme kommen: Menschen, die sich überfressen oder zu viel Alkohol getrunken haben. Und er verweist darauf, dass inzwischen 35 Prozent der Arztpraxen Kurzarbeit anmeldeten. "Vor Corona waren offenbar nicht alle Patienten sehr krank." Das würde Hutmacher so nicht unterschreiben. Tatsächlich beunruhigen ihn die rückläufige Zahlen derer, die zur stationären Aufnahme kommen. "Da könnte noch etwas auf uns zurollen." Beispielsweise auch, weil Patienten die Krebsvorsorge vermeiden, das hat jedenfalls Rüter festgestellt. Auf 1.000 Darmspiegelungen im Jahr kommen im Mathilden-Hospital 40 bis 60 Prozent mit Polypen, aus denen sich Schlimmeres entwickeln kann. Bösartigen Darmkrebs diagnostizieren die Ärzte bei fünf Prozent. "Ich kann nur jedem raten, die Vorsorgetermine wahrzunehmen." Vier Wochen ließen sich Früherkennungsuntersuchungen mal verschieben, aber länger sollte niemand warten. Im Klinikum sind fünf Operationssäle dauerhaft in Betrieb Das Klinikum hat in den vergangenen Wochen gut 30 Prozent der planbaren Operationen verschoben, das Mathilden-Hospital rund 35 Prozent. "Fünf OP-Säle sind im Klinikum dauerhaft in Betrieb", sagt Hutmacher. "Wir steigern das jetzt vielleicht auf sechs und vielleicht auch auf sieben." Ganz sicher aber nicht auf acht. "Wir entscheiden je nach Situation." Für den Herbst rechnet Hutmacher mit mehr Operationen, als im vergangenen Jahr zur gleichen Zeit: Die Ärzte würden dann vermutlich Operationen nachholen, die sie in den vergangenen Wochen nicht gemacht haben, beispielsweise an Knie und Hüfte. Von einem OP-Stau will er deshalb aber nicht sprechen. Während Hutmacher vorsichtig ist mit seiner Einschätzung, was an gesundheitlichen Folgen die Corona-Krise mit sich bringt, ist Rüter insgesamt deutlich optimistisch: "Keine vitalen Kollateralschäden bei Patienten feststellbar," sagt er. "Es ist doch toll, dass niemand aus Mangel an Ressourcen Schaden genommen hat."

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