"Unhaltbare Zustände" in städtischer Unterkunft an der Werrestraße Herford

Herford. Keine Wohnung zu haben, ist eine der schlimmsten Formen von Armut, die ein Mensch erleben kann. Im Kreis Herford ist offenbar die Gefahr besonders groß, obdachlos zu werden. Deshalb erhält der Kreis nun als eine von 20 Städten und Kreisen eine Landesförderung. Was das Problem ist, wurde am Montag, 18. November, im städtischen Sozialausschuss deutlich. Die Sozialverwaltung hatte dazu eine Vorlage erstellt, die erklärte, woran es hapert. Demnach fehlen kleine Wohnungen für anerkannte Geflüchtete mit Wohnsitzauflage, Transferleistungsempfänger, junge Erwachsene, junge Erwachsene mit multiplem Förderbedarf, außerdem für Menschen mit multiplem Unterstützungsbedarf, Suchtproblematiken, psychiatrischen Problemen oder in vorübergehenden Notlagen, für die zudem ausreichende psychiatrische Unterstützung fehlt. Barrierefreie oder zumindest barrierearme Wohnungen fehlen für ältere und/oder Personen mit Behinderung, größere Wohnungen für große Familien mehr als vier Personen und Alleinerziehende in prekären Lebensverhältnissen. Zudem mangelt es an Übernachtungsplätzen für Menschen, die bewusst ohne festen Wohnsitz bleiben wollen. Das sind der Sozialdezernentin Birgit Froese-Kindermann zufolge fünf bis zehn. "Menscheunwürdige Zustände": Zwei Zimmer sind zeitweise mit bis zu sieben Personen belegt Am Gebäude Werrestraße 117d zeigt sich, was der Verlust der Wohnung bedeutet. Das Haus der Stadt hat die Evangelische Diakoniestiftung 2014 in Erbpacht übernommen. 33 Wohneinheiten gibt es dort insgesamt, die überwiegend an ehemalige Wohnungslose vermietet sind. Mieter von sechs Wohneinheiten ist die Stadt: In einer so genannten Clearing-Wohnung finden Arbeitslose, Gestrauchelte, Drogenabhängige und zufällig in die Bredouille Geratene Unterschlupf. Dort werden Menschen per Ordnungsverfügung eingewiesen, wenn sie sonst keine Unterkunft haben. Zwei Zimmer für zwei bis drei Männer zur Nur-Übernachtung sind derzeit häufiger mit bis zu sieben Personen belegt. Die Enge und und die Tatsache, dass Menschen mit multiplen Problemen aufeinandertreffen, sorgt für Konfliktstoff. "Zu viele Menschen sind zu lange auf zu engem Raum", sagt Bettina Schelkle von der Diakoniestiftung. Die Situation spitze sich zunehmend zu. Sozialdezernentin Birgit Froese-Kindermann gab ein Beispiel für die Art der Persönlichkeitsstruktur, mit der es die Sozialarbeiter zu tun haben: Die Fachstelle für Wohnungserhalt und -sicherung habe einen Wohnungseigentümer überreden können, an eine junge Frau zu vermieten. Ihr war zuvor wegen ihres persönlichen Verhaltens gekündigt worden. Eine Woche nach ihrem Einzug habe die Frau drei Nachbarn dermaßen schikaniert, dass sie sich nicht mehr in den Flur getraut hätten. Plädoyer für eine Stadt ohne zentrale Obdachlosenunterkunft Sehr drastisch schilderte Johannes Ridderbusch (Bündnis 90/Die Grünen) seine Eindrücke: Nicht mal die nötigsten Einrichtungsgegenstände, beispielsweise ein Stuhl, seien vorhanden. An der Werrestraße wird täglich geputzt und repariert, ohne dass dies länger Bestand hat. Ridderbusch sprach von "unhaltbaren" und "menschenunwürdigen" Zuständen. Sie resultieren offenbar aus geballter Zerstörungsenergie der Menschen, die dort unterkommen. Und die Konzentration von Personen mit multiplen Problemen in einem Haus oder sogar Raum leistet Konflikten Vorschub. "Es ist wichtig zu sehen, mit welchem Konglomerat von Problemen die einzelnen Menschen belastet sind", sagte Ridderbusch. Er hatte auch mit Sozialarbeitern gesprochen, die sich mit der Klientel überfordert fühlen. Der Grünen-Politiker plädierte dafür, das Konzept "Stadt ohne Obdach", das auf zentrale Obdachlosenunterkünfte verzichtet, wieder neu und intensiv zu beleben. Gefördert durch das Land wird nun der Kreis als Projektträger unter anderem die Aufgabe übernehmen, die kreisweite Bekämpfung von Wohnungsnot zu koordinieren. Dabei können er und auch die Stadt Herford auf ein Netz gut funktionierender und gut strukturierter Hilfen zurückgreifen. Geplant ist insbesondere eine Zusammenarbeit des Kreises mit der Evangelischen Diakoniestiftung Herford, in die auch Städte und Gemeinden eng eingebunden werden sollen. Ziel ist dabei eine vernetzte Wohnungsnotfallhilfe für das Kreisgebiet. So gut wie keinen Einfluss hat Herford aber auf den freien Wohnungsmarkt. Auf Ridderbuschs Initiative hin hat sich der Sozialausschuss immerhin darauf verständigt, die städtische WWS anzusprechen, ob die für Entlastungen sorgen kann. Die Grünen drängten zudem darauf, kurzfristig Alternativen für die Werrestraße 117d zu finden.

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