So kämpfen die Kliniken im Kreis Herford gegen überfüllte Notaufnahmen

Kreis Herford. Die Notaufnahmen in Krankenhäusern werden immer voller, da auch Patienten, die eher bei Hausärzten oder ambulanten Diensten aufgehoben wären, in die Kliniken strömen. Deshalb möchte Gesundheitsminister Jens Spahn mit einer Reform die Notaufnahmen entlasten. Auch die Rettungsdienste müssten häufiger ausrücken, obwohl es keinen akuten Notfall gebe. Diese Problematik zeigt sich ebenfalls in der Stadt Herford. "Jedes Jahr kommen 800 bis 1.000 Einsatzfahrten des Kranken- und Rettungsdienstes hinzu", sagt Michael Stiegelmeier, Leiter der Feuerwehr Herford. Ein Grund für die Entwicklung ist laut Stiegelmeier eine veränderte Anspruchshaltung der Patienten. "Früher gingen sie bei Bauchschmerzen erst einmal zum Hausarzt, mittlerweile rufen sie eher den Krankenwagen", sagt der Feuerwehr-Chef. Bei Schnitt in den Finger 112 gewählt "Kollegen des Rettungsdienstes berichten häufiger darüber, dass die Meldung des Erkrankungsbildes von dem tatsächlichen Vorfall abweicht", sagt Stiegelmeyer. Manchmal würde der Notdienst bei Nasenbluten oder bei einem Schnitt in den Finger gerufen, wobei am Telefon das Problem dramatischer dargestellt würde. "Die Menschen wissen, dass sie innerhalb weniger Minuten Hilfe bekommen." Die Konsequenzen seien momentan zwar nicht dramatisch, aber deutlich spürbar. Deutlicher Anstieg der Rettungseinsätze auch im Kreis Im Kreis Herford stiegen die Einsätze des Rettungsdienstes ebenfalls leicht an, wie Petra Scholz, Pressesprecherin des Kreises Herford auf NW-Anfrage bestätigt. Im Jahr 2018 musste der Rettungsdienst zu 40.130 Einsätzen ausrücken. 2017 waren es 37.074 Einsätze. Dabei sei auch die Zahl der sogenannten Fehleinsätze, also Einsätze, bei denen der Patient zuhause versorgt werden konnte und anschließend nicht ins Krankenhaus transportiert wurde, im Verhältnis gestiegen und kontinuierlich auf einem hohen Niveau. Im Jahr 2018 waren bei 21 Prozent aller Einsätze im Rettungsdienst Fehleinsätze, teilt Scholz mit. Allerdings sei es für Angehörige und Patienten häufig schwer einschätzbar, ob es sich um einen Notfall handle oder nicht. Deshalb müsse noch viel Aufklärungsarbeit und Sensibilisierung stattfinden. Der Kreis Herford, dem die Rettungswachen Spenge und Vlotho und die Rettungswachen in Bünde, Herford und Löhne angehören, plädiert dafür, im Zweifelsfall lieber einmal zu viel als zu wenig die Notrufnummer 112 zu wählen. Dennoch gibt der Kreis auf seiner Internetseite einige Hinweise, in welchen Fällen die 112 und wann besser der kassenärztliche Notdienst unter 116 117 gerufen werden sollte (siehe Info-Kasten). Dabei handelt es sich um einen Bereitschaftsdienst der Haus- und Fachärzte, an die in akuten Fällen und wenn der Hausarzt nicht mehr erreichbar ist, vermittelt werden kann. Sprich zu den Randzeiten: Nach 20 Uhr, nach Feierabend und an den Wochenenden. Hierbei könnte der Vorstoß von Gesundheitsminister Spahn das Problem entzerren. Seine Reform sieht vor, die Anrufe in gemeinsamen Notfallleitstellen zu bündeln, die je nach Fall zu entscheiden, wo die Patienten hingeschickt werden - ob ins Krankenhaus, zum Bereitschaftsdienst oder zur Sprechstunde des Hausarztes. Zur Sicherheit den Notdienst gerufen Auch die Krankenhäuser im Kreis beschäftigt der Patientenzulauf. Dr. Rolf-Dieter Theisen, Leitender Oberarzt am Klinikum Herford, begrüßt auf Nachfrage der NW den Vorstoß des Gesundheitsministers als sinnvolle Maßnahme. Die Notaufnahme des Klinikums versorge laut Theisen jährlich über 40.000 Patienten. Gleichzeitig betont er: "Wir haben ein bewusst niedrigschwelliges Angebot, denn das Schmerzempfinden und die Wahrnehmung jedes Menschen sind sehr individuell." Viele Menschen könnten eine Notfall- oder Krankheitssituation nicht richtig einschätzen und rufen zur Sicherheit den Notdienst. "Wir haben einen Versorgungsauftrag und jedem, der in die Notaufnahme kommt, wird geholfen." Häufig könne auch erst im Nachhinein festgestellt werden, wie ernst die Situation wirklich sei. "Die Menschen wissen, dass sie bei uns rund um die Uhr Hilfe finden, wenn sie sich krank fühlen", sagt Theisen. Anstieg der ambulanten Notfälle auch im Mathilden Hospital Georg Rüter, Geschäftsführer des Mathilden Hospitals in Herford, sieht die Situation kritischer. "Das Problem ist nicht wegzudiskutieren. Die Versuche, die Menschen an die 116 117 für den kassenärztlichen Notdienst zu gewöhnen, sind nicht besonders fruchtbar", sagt der Geschäftsführer. Der Hospital-Chef findet deutliche Worte über die ambulante Notfallversorgung. Die Anzahl der Notfallpraxen in Westfalen sei tendenziell gesunken. Gleichzeitig steige bedingt durch den demografischen Wandel die Nachfrage an. Inzwischen habe das Mathilden Hospital reagiert und seine Strukturen umgestellt, um den Anstieg aufzufangen, wie Chefarzt und ärztlicher Direktor, Dr. Jens Völker, berichtet. "Wir haben unsere internen Strukturen und Abläufe geändert, extra Räume für die Notaufnahme dazugenommen und mehr Personal bereitgestellt." Die Idee von Gesundheitsminister Spahn findet Geschäftsführer Georg Rüter hingegen weniger zielführend. "Dann müsste die zentrale Leitstelle bereits am Telefon erkennen, ob es sich um einen tatsächlichen Notfall handelt oder nicht. Ich glaube, das wird nicht funktionieren." Pläne für die bessere Verzahnung von Ambulanz und Notfallpraxis in Bünde Der Geschäftsführer des Lukas-Krankenhauses in Bünde, Roland von der Mühlen, bestätigt die aktuell angespannte Situation. "Patienten in den Notaufnahmen, die keine akuten Notfälle sind, müssen sich auch auf entsprechende Wartezeiten einstellen. Das kommt in einem nicht unerheblichen Maß vor. Eigentlich wären sie Fälle für den Hausarzt oder den Notdienst der KV. Aber beim Krankenhaus wissen die Menschen natürlich, dass die Notaufnahme als Anlaufpunkt 24 Stunden geöffnet ist." Im Jahr gebe es im Lukas-Krankenhaus 11.000 bis 12.000 Patienten in der Notfallambulanz, die nicht stationär aufgenommen werden, also nach einer ambulanten Behandlung wieder nach Hause geschickt werden können. Auch das Lukas-Krankenhaus arbeite an Lösungen des Problems. Der Plan: Die zentrale Notfallpraxis in Bünde räumlich direkt an das Krankenhaus anzubinden. "Alle Notfallpatienten würden zentral im Krankenhaus registriert und je nach Dringlichkeit entweder in die Notfallambulanz des Krankenhauses oder in die ambulante Notfallpraxis aufgeteilt. Das macht es auch für die Patienten leichter. Wir sind mit den Planungen weit fortgeschritten und können voraussichtlich im nächsten Jahr die Pläne auch baulich umsetzen", sagt von der Mühlen.

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