Grabfeld der Erinnerungen: „Damit sie nicht einfach verschwinden“

Herford. Die Lebenswege von den Menschen, deren Namen auf mittlerweile zehn Stelen auf dem Marienfriedhof stehen, sind meist alles andere als gerade verlaufen. Hans-Ulrich Hart kennt die meisten Menschen – vor allem die, deren Namen und Geburtsjahre auf den letzten vier Stelen auf dem &bdquo;Grabfeld der Erinnerung" vermerkt sind. Denn seit vier Jahren ist der ehemalige Lehrer des Friedrichsgymnasiums im Verein &bdquo;Herforder Mittagstisch", einer Initiative der Petri-Kirchengemeinde, aktiv. Der Verein hat das Grabfeld, auf dem mittellose Menschen ohne Angehörige beerdigt werden können, vor genau zehn Jahren, im November 2008, initiiert. Mitgetragen wird das Grabfeld der Erinnerung von der Mariengemeinde, der Katholischen Gemeinde St. Johannes Baptist, dem Sozialberatungsdienst der Evangelischen Diakoniestiftung und der Stadt Herford. &bdquo;Die Idee ist im 1997 gegründeten Mittagstisch entstanden", berichtet Hart aus Erzählungen seiner Vereinskollegen. Dort, wo mittellose Menschen aus Herford täglich eine warme Mahlzeit bekommen, seien über Jahrzehnte Kontakte und Bekanntschaften entstanden. &bdquo;Die Menschen essen in Tischgemeinschaften zusammen. Sie kennen sich. Und dann gab es auch mal den einen oder anderen Todesfall unter ihnen", so Hart. Vor allem im Vorfeld löse diese Vorstellung Angst bei den Betroffenen aus Bevor es das Grabfeld der Erinnerung gab, wurden verstorbene Menschen, die weder Geld noch Angehörige hatten, nach Bielefeld überführt und dort anonym &bdquo;ordnungsbehördlich" bestattet. Vor allem im Vorfeld löse diese Vorstellung Angst bei den Betroffenen aus und auch die Freunde und Bekannten hätten in einem solchen Fall schließlich keinen Ort, an dem sie trauern und sich an ihren Kumpel erinnern könnten, so Hans-Ulrich Hart über den Sinn und Zweck des Grabfeldes auf dem Marienfriedhof. &bdquo;Unser Grabfeld garantiert, dass die Menschen, die hier beerdigt werden, nicht einfach so verschwinden und Spuren hinterlassen." Pro Jahr werden mittlerweile um die zehn Verstorbenen auf dem Grabfeld der Erinnerung beigesetzt. Tendenz steigend, wie Hart sagt. Die Voraussetzung dafür, dass ein Mensch hier seine letzte Ruhe findet, ist, dass der Verstorbene zuvor eine Verfügung ausgefüllt hat, in der er ankreuzt, dass er nicht anonym, sondern auf dem Grabfeld der Erinnerung bestattet werden möchte. Weiterhin muss er Angaben zu möglichen Angehörigen machen. Diese Verfügung wird an das Ordnungsamt der Stadt Herford geschickt und liegt dann im Todesfall dort vor. Die Kosten der Bestattung trägt die Stadt Herford, sofern keine Angehörigen gefunden werden können. "Die Menschen sterben immer jünger" Hans-Ulrich Hart hat in den vergangenen Jahren eine Beobachtung gemacht, die ihn ein wenig traurig stimmt. &bdquo;Es ist nicht nur so, dass unser Grabfeld zunehmend nachgefragt wird", sagt er. &bdquo;Gleichzeitig stehen nicht selten Geburtsjahre wie 1971 oder 1975 auf den Stelen. Die Menschen sterben immer jünger. Sie hatten aber auch oft kein einfaches Leben", sagt er. Da der Platz für die Stelen langsam knapp wurde, hat der Mittagstisch jetzt von der Mariengemeinde noch ein weiteres Stück auf dem Friedhof – direkt vor dem eigentlichen Grabfeld – zugeteilt bekommen. Pro Jahr wird seit 2008 nun eine Stele mit den Namen der Verstorbenen eines jeden Kalenderjahres aufgestellt. Während die Namen auf den Stelen der Jahre 2008 und 2009 noch sehr luftig angeordnet sind, ist auf denen für 2016 und 2017 kaum noch Platz übrig. Das kleine Urnengrab bleibt zunächst erhalten Verstirbt ein mittelloser Herforder, der im Vorfeld die Verfügung ausgefüllt hat, beschreibt Hans-Ulrich Hart den Ablauf: &bdquo;Es gibt eine Beerdigungsfeier hier auf unserem Grabfeld – je nach Konfession des Verstorbenen spricht ein katholischer oder ein evangelischer Pfarrer. Rundherum stehen die Bekannten und Kumpels des Verstorbenen. Das kleine Urnengrab bleibt zunächst erhalten, wird aber dann schnell wieder eingeebnet. Der Name und das Geburtsdatum werden dann auf die Stele des jeweiligen Kalenderjahres übertragen. Gleichzeitig kommt ein kleiner Pflasterstein in den Rasen darunter. Die Freunde und Bekannten erfahren, unter welchem Stein genau die Urne liegt. Häufig stehen auf diesen Steinen Grablichter, Blumen oder kleine Engels-Skulpturen." Zu wissen, wo die jeweilige Urne genau liege, sei den Freunden und Bekannten sehr wichtig gewesen, ergänzt Hart. Ein Herforder Steinmetz fertigt die Stelen an. Die für das Jahr 2018 wird im Sommer 2019 aufgestellt. Das ist dann die elfte. Wer das Grabfeld oder den Verein &bdquo;Herforder Mittagstisch" unterstützen möchte – finanziell oder durch ehrenamtliche Mitarbeit –, kann sich melden unter Tel. (0 52 21) 27 78 74 oder per Mail an herforder.mittagstisch@teleos-web.de

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