Jesidische Journalistin Düzen Tekkal stellt ihren Film "Háwar" vor

Herford. "Angst ist keine Option, die einem Menschen das Handeln diktieren sollte", sagt die Journalistin Düzen Tekkal (38). Im Capitol-Kino stellte sie ihren Film "Háwar - Meine Reise in den Genozid" vor. Gut 100 Zuschauer waren zur Kooperationsveranstaltung der Initiative "extrem dagegen" und der CDU gekommen. Tekkal wuchs in Hannover als Tochter von Fatma und Sheyhmus Tekkal auf. "Mein Vater kam als Gastarbeiter jesidischen Glaubens nach Deutschland und legte viel Wert auf die Bildung seiner Kinder", sagt die Journalistin. "Wir landeten in einem Genozid" Sie selbst studierte Politik- und deutsche Literaturwissenschaft und arbeitete von 2007 bis 2013 für RTL Extra, seit 2014 freiberuflich. Ihr letzter Beitrag für RTL entstand 2014 ausgerechnet in Herford: Tekkal war die RTL-Reporterin, die über den Angriff von IS-Sympathisanten auf Jesiden an einem Imbiss an der Steinstraße berichtete. Anlass für ihren aktuellen Film war eine seit 2012 geplante Reise mit ihrem Vater zu den Wurzeln des jesidischen Glaubens im Irak und den Pilgerstätten der Jesiden. "Ich wollte wissen, woher wir kommen und was es heißt, Jesidin zu sein. Als wir 2014 unsere Reise antraten, hatte der IS (Islamischer Staat) seinen Angriff auf die Stadt Shingal durchgeführt, Männer getötet, Frauen und Kinder verschleppt. Zehntausende Jesiden waren ohne Wasser und Nahrung in das Sindschar-Gebirge geflohen", sagt sie. "Wir waren in einem Krieg gelandet, und zwar in einem Krieg, den der IS mit dem Ziel führt, unser Volk und unsere Religion zu vernichten: einem Genozid." Es bestand die akute Gefahr, dass der IS die mit weltweit rund einer Million Gläubigen eher kleine Gemeinschaft, deren Traditionen und Glaubenslehren ausschließlich mündlich überliefert werden, auslöscht. Deshalb konnten die Tekkals nicht anders, als die vielleicht letzte Chance zur Reise zu den eigenen Wurzeln anzutreten. Tekkal dokumentierte das Leid und Sterben in den Bergen, sprach mit Jesiden aus Deutschland, die gegen den IS kämpfen. Sie begegnete zu Waisen gewordenen Kindern in den Flüchtlingslagern im Irak und in der Türkei. Und sie besuchte den heiligen Ort Lalisch, für die Jesiden der Ursprungsort der Menschheit. 2.000 Freiwillige verteidigen ihn, wohl wissend, dass "wenn unsere Tempel fallen, auch die Religion verschwinden wird." Sie traf Angehörige der YPG, kurdische Volksschutzeinheiten aus Nordsyrien, die der verbotenen PKK nahestehen. Ihnen war es 2014 gelungen, einen Fluchtkorridor für die in den Bergen lebenden Jesiden freizukämpfen und so Tausenden das Leben retteten. Traumatisiert von Vergewaltigungen Und immer wieder hört sie Geschichten von Müttern, die ihre toten Kinder zurückließen, von Kindern, die die Enthauptung des Vaters gesehen hatten, und von Mädchen, die so traumatisiert sind, dass sie sich an die Vergewaltigungen durch die IS-Kämpfer nicht einmal mehr erinnern können. Ihr Film zeigt ausführlich das Leiden der Menschen und eine Reporterin, die erkennt, dass sie angesichts der Gräueltaten und der persönlichen Betroffenheit ihre journalistische Neutralität nicht durchhalten kann. So wird Tekkal beim Gespräch mit einem Kind in einem Flüchtlingslager zur zögernd die Hand ausstreckenden Trösterin. Für ihren Film reiste Tekkal insgesamt sieben Mal in das jesidische Siedlungsgebiet im Dreiländereck von Türkei, Irak und Syrien. Dabei wird aus der persönlichen Reise zu den Wurzeln die Mission, der Welt nicht nur von der Unterdrückung und dem Sterben eines Volkes und seiner Religion zu erzählen, sondern sich für eine Welt einzusetzen, in der jeder Mensch unabhängig von Religion, Ethnie oder Geschlecht selbstbestimmt und sicher leben kann. "Ich konnte nicht in mein altes, angestelltes Leben zurück", sagt sie, gründete den Verein Háwar und nutzt jede Gelegenheit, über das Jesidentum und den Terror des IS zu berichten. "Wir sind so stolz auf unsere Tochter und das, was sie tut", sagen die Eltern, die sie nach Herford begleitet haben, eine Anerkennung vor allem von der Mutter, die anfangs strikt gegen die Reise in den Krieg gewesen war.

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