Herford. Brauner Anzug, schwarzes Hemd, eine dunkle Krawatte, Gebetskappe, Bart: Murat D. (30) steht auf einer Veranstaltung des Hasspredigers Ibrahim Abou Nagie in Herford. Das war 2011. Drei Jahre später posiert der 30-Jährige als IS-Terrorist Abu Davud und blickt, ein Gewehr in der Hand, in ein Tal. Die malerisch-martialische Szene auf D.s Facebook-Seite soll für den Kampf der Islamistenmiliz werben, die in Rakka ihre Hochburg hat. Wie wurde aus dem Herforder Murat D. ein potenzieller Terrorist?
Herford, Westring. In einem der Blocks wächst Murat D. auf. Der Vater ist früh gestorben, der heute 30-Jährige mit türkischen Wurzeln und sein Bruder werden von der Mutter aufgezogen. "Er war trotzdem immer gut drauf", erinnert sich ein früherer Bekannter. Schließlich ein weiterer Schicksalsschlag: Nach dem Tod des Vaters stirbt der Bruder bei einem Autounfall in den 1990er Jahren.
Auch die schulische Karriere verläuft wie bei vielen Jugendlichen – gerade mit Migrationshintergrund – nicht störungsfrei. Keine Lust zum Lernen, schlechte Noten. "Wenn ich mich recht erinnere, ist er damals, 1999, ohne Abschluss abgegangen", berichtet ein Bekannter. In diese Zeit fallen offenbar erste Drogenerfahrungen. "Dass er kiffte, war bekannt. Ob er auch andere Drogen genommen hat, kann ich nicht sagen", erzählt ein anderer Zeuge, der aus Furcht vor den gewaltbereiten Salafisten ebenfalls anonym bleiben will.
Beruflich gescheitert und Ehe zerbrochen
Schließlich landete D. nach der Schule in einer Ausbildungsmaßnahme. Aber auch die habe er durch sein Desinteresse versiebt. "Es war nicht so, dass er zu uns unfreundlich war. Lernen wollte er aber nicht", berichtet ein Bekannter. Kein Job, keine Ausbildung, berufliches Scheitern also.Im Privatleben sieht es zunächst besser aus: Murat D. heiratet und wird Vater. Doch auch die Ehe zerbricht. Die Ehefrau habe ihn verlassen, erzählen Freunde. D. habe sich danach immer mehr in die Religion hineingesteigert und habe mit seinen radikalen Ansichten sogar muslimische Freunde schockiert. Doch in den Kreisen der Islamisten findet er offenbar das, was er bis dato nie hatte: Erfolg und Anerkennung.
Anderen Bekannten wollte D. "ein Buch zum Lesen" mitbringen – den Koran? Schließlich habe er ab und zu betont, dass er Widerspruch in Glaubensfragen, auch von ehemaligen Freunden, nicht dulde und auch bereit sei, für seinen Glauben zu töten. "Das hat er so gesagt, als sei es ein Scherz. Doch jetzt wissen wir, das er es ernst meinte", sagt ein Bekannter.
Wie ernst, zeigen die Gewalttaten derer, denen sich Murat D. inzwischen angeschlossen hat: Die Terroristen der Organisation "Islamischer Staat" (IS) sind für das Hinschlachten tausender Unschuldiger im Irak und in Syrien verantwortlich. Murat D. selbst hat seine Facebook-Einträge angeblich in Rakka, einer Stadt am mittleren Euphrat, ins Netz gestellt. Sie gilt nach der Eroberung durch die Islamisten als Hochburg des IS.
Einer von bisher drei Herforder Salafisten
Murat D. ist damit einer von bisher drei Herforder Salafisten, die in Syrien und im Irak kämpfen oder gekämpft haben. Ein junger Mann war um den Jahreswechsel 2013/14 getötet worden. Offiziell gilt er noch als vermisst. Gegen einen zweiten Mann aus Herford ermittelt, wie berichtet, der Generalbundesanwalt wegen Terrorismusverdachts.Und Murat D. bemüht sich offenbar, dass es noch mehr werden. Nach Informationen dieser Zeitung war er per Internet mit weiteren Anhängern und Unterstützern der Salafisten verbunden und hielt Kontakt an die Werre, mutmaßlich als Werber.