Herford

Landadel gegen Leineweber

Das schwierige Verhältnis der beiden Nachbarstädte historisch beleuchtet

Der Bielefelder Stadtarchivar Jochen Rath zeigt einen Kupferstich der Stadt Herford. | © FOTO: ANDREAS ZOBE

27.09.2014 | 30.09.2014, 21:05

Herford/Bielefeld. Zwei Rüpelhaftigkeiten könnten die Bielefelder den Herfordern vorwerfen. Die eine passierte im Mittelalter im Jahr 1221. Da haben Herforder Bürger die gerade erst gegründete Stadt Bielefeld überfallen. Die andere ist noch nicht so lange her, aber auch schon Geschichte – als der SC Herford Arminia Bielefeld mit 2:0 besiegte. Das war 1978.

"Zugegeben, vor dem Angriff der Herforder im Mittelalter haben die Bielefelder unerlaubt Herforder Wälder und Weiden genutzt", sagt der Bielefelder Stadtarchivar Jochen Rath. Deswegen verzichtete Bielefeld im Prozess dann auch auf den Schadenersatz. Der Stadtarchivar vermutet aber: "Den Herfordern wurde die neue Nachbarstadt zu schnell zu groß – und vielleicht auch zu erfolgreich."

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Vortrag 

800 Jahre ist Bielefeld alt geworden. Aufmerksamer Begleiter war immer die Nachbarstadt Herford. Viele Gemeinsamkeiten, aber noch mehr Unterschiede prägen das Verhältnis der beiden Städte. Dazu wird der Bielefelder Stadtarchivar Jochen Rath am Donnerstag, 2. Oktober, um 19 Uhr im Daniel-Pöppelmann-Haus einen Vortrag halten. Der Eintritt ist frei.

Herford ist die ältere Stadt, freiheitsliebend, immer bestrebt darin, Autonomie zu erlangen und zu behalten. Und dafür kämpfte die gesamte Bevölkerung. Um den Status als Reichsstadt – eine Stadt, die im Mittelalter besondere Privilegien und Rechte besaß – war Herford immer bemüht, und das auch weitestgehend mit Erfolg. "Bielefeld war da genügsamer", sagt Stadtarchivar Rath. "Es begnügte sich mit dem Status einer landständischen Stadt, die einem Landesherren diente."

Ein geradezu traumatisches Ereignis für die Herforder Bevölkerung in der frühen Neuzeit war sicherlich, als Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg Mitte des 17. Jahrhunderts die Stadt Herford in die Grafschaft Ravensberg und so auch an Bielefeld angliederte. "Trotzdem betonten die Herforder beharrlich, besonders gegenüber Bielefeld, ihre zuvor erworbenen Rechte als Reichsstadt", sagt Rath.

Dass das Verhältnis zwischen Herfordern und Bielefeldern nicht einfach war, zeigt auch die Statue von Anton Fürstenau auf dem gleichnamigen Platz in der Radewig, die Heinrich Wemhöner, der letzte Herforder Ehrenbürger, gestiftet hat. Fürstenau hatte in jahrelangen Verhandlungen mit dem brandenburgischen Kurfürsten dafür gekämpft, dass Herford Reichsstadt bleibt, jedoch keinen Erfolg gehabt.

Die Hand des Herforder Kaufmanns und Diplomaten aus dem 17. Jahrhundert zeigt mit ablehnender Geste in Richtung Bielefelder Sparrenburg. "Das war aber nicht immer so", sagt Stadtführer Mathias Polster. Ursprünglich habe die Hand gen Osten in Richtung Brandenburg gezeigt. "Wemhöner wollte aber, dass sie in Richtung des Erzfeindes Bielefeld gerichtet wird." Nach der Einweihung des Denkmals 1989 habe man die Statue gedreht.

Leicht hatte es Herford im Schatten der schnell wachsenden Nachbarin Bielefeld nie. "Bielefeld setzte auf Leinenhandel, Herford auf Garn", sagt Rath. "Das Leinen war lukrativer, man konnte einen erheblichen Anteil an Eigenkapital aufbauen." So habe sich Bielefeld die Industrialisierung quasi gekauft.

Rath lehnt sich in seinem Stuhl zurück und sinnt kurz nach. Dann zeigt er auf eine Karte, die aus den Niederlanden stammt und 1590 erstellt wurde. Ganz im Norden der Karte ist Herford, auch Enger ist eingezeichnet. Rath wandert mit dem Finger weiter in den Süden. Er hält inne an der Stelle, an der Bielefeld eingezeichnet sein sollte. Nichts.

Hält Rath hier etwa einen frühen Vertreter der Bielefeld-Verschwörung in der Hand? Vielleicht. Schon damals wusste man also: Bielefeld gibt es eigentlich gar nicht.