
Herford. Für werdende Mütter ist die Hebamme oft wichtiger als der eigene Partner: Sie ist Begleiterin, Psychologin und Freundin in einem. Zum Internationalen Tag der Hebammen machten die Geburtshelferinnen gestern in Herford auf die prekäre Lage ihres Berufsstandes aufmerksam. Geburten können viele aus Kostengründen gar nicht mehr durchführen.
"Die Haftpflichtversicherung für Geburten kostet jetzt fast 6.000 Euro pro Jahr", sagt Nicole Kaempfer von der Hebammenpraxis Rundherum. "Um nicht draufzuzahlen, müsste ich acht Geburten pro Monat machen. Das ist als alleinerziehende Mutter nicht zu schaffen." Die Problematik der Haftpflichtversicherung von freiberuflichen Hebammen, deren Beitrag sich laut Hebammenverband in zehn Jahren mehr als verzehnfacht hat, ist seit Monaten Thema der Politik. Zuerst waren die Beiträge rasant gestiegen, dann drohte die letzte Versicherung, gar kein Angebot mehr zu machen.
"Es gibt heute weniger Geburtsfehler", sagt Kaempfer, "die medizinischen Möglichkeiten, behinderte Kinder am Leben zu erhalten, sind aber gewachsen." Die Folgekosten für Pflege, Therapie und Schadensersatz würden explodieren.
Jetzt hat der Bundestag eine Zwischenlösung gefunden: Die Versicherung wird für ein weiteres Jahr gewährleistet, mit einer neuen Beitragssteigerung. "Das ist aber keine Lösung", sagt Kaempfer. "Wir wissen nicht, wie es auf Dauer weitergeht. Und es droht auch das Aus für die reguläre Versicherung, ohne die wir nicht mal Ratschläge per Telefon geben dürfen."
In Herford sind etwa 12 freiberufliche Hebammen davon betroffen. Dagegen arbeiten im Klinikum Herford 16 fest angestellte Hebammen, im Mathilden-Hospital 11. Nicole Kaempfer hat zwölf Jahre Berufserfahrung und schon im Herforder Geburtshaus gearbeitet, das vor einem Jahr in die Hebammenpraxis umgewandelt wurde. Immer wieder werde ihr Beruf unterschätzt: "Wir sind vom Moment des positiven Schwangerschaftstests bis zu dem Zeitpunkt, wenn das Kind ein neun Monate alt ist, für Mutter und Baby da."
Melanie Trömel hat vor acht Wochen ihre erste Tochter geboren. "Wenn ich spätabends noch eine Frage hatte, habe ich von Nicole sofort eine Antwort bekommen", sagt die 30-Jährige. Die Begleitung sei umso wichtiger, seit die Aufenthalte im Krankenhaus immer kürzer werden. Geburtsvorbereitung, Säuglingspflege, Nachsorge - Kaempfer betreut bis zu 100 Frauen pro Jahr.
Geburten bietet sie nicht mehr an. Eine Ausnahme macht sie in diesem Jahr. Eine Freundin erwartet ihr viertes Kind. "Für die Hausgeburt werde ich mich drei Monate bei der Versicherung melden. Schon dieser Zeitraum kostet 1.000 Euro." Für ihre Freundin ist es ein Segen. "Ich will das mit jemandem erleben, dem ich vertraue und der auf meine Wünsche eingeht", sagt Ewa Hyba.
Michelle Rump, seit April in der Praxis, glaubt trotz allem an eine Zukunft als Hebamme. "Wenn das Versicherungssystem zusammenbricht, würden Kinderärzte und Gynäkologen aufschreien. Die können unsere Arbeit nicht noch machen." Ihre Kollegin Kaempfer würde am liebsten ein Zeichen setzen: "Es müssten sich alle 4.000 freiberuflichen Hebammen in Deutschland auf einmal arbeitslos melden. Dann würden die Politiker merken, wie wichtig wir sind. Aber das können wir den Müttern nicht antun."