ENGER/SPENGE

Versalzene Aussichten

Das Streugut auf den Straßen hat gravierende Auswirkungen auf Pflanzen und Tiere

>Ein Fahrzeug des Winterdienstes verstreut hier seine salzige Fracht. Gut ist das für die Autofahrer, mehr als schlecht für die Bäume am Straßenrand. | © FOTO: DPA

29.12.2010 | 29.12.2010, 00:00

Enger/Spenge. Unzählige Tonnen von Salz sind in diesem Winter schon auf den Straßen in Enger und Spenge gelandet. Doch was den Autofahrer freut und eine halbwegs sichere Fahrt ermöglicht, ist für Pflanzen und Tiere reines Gift.

In der Kläranlage in Spenge werden täglich zwischen 3.000 und 15.000 Kubikmeter Wasser gereinigt - je nachdem, ob es trocken ist oder regnet. Die Mitarbeiter kontrollieren dabei genau die chemische Zusammensetzung der Flüssigkeit. Einen Wert haben sie dabei auch im Auge: den für die Leitfähigkeit des Wassers. "Das ist der einzige Wert, mit dem wir auch den Salzgehalt messen können", sagt Mitarbeiter Thomas Klein.

Noch sei dieser Wert mit rund 1.300 Mikrosiemens pro Zentimeter (µS/cm) normal. "Zurzeit friert es ja noch, und das Salz bleibt auf den Straßen liegen", sagt Klein. Sobald es aber taut, wird das Streugut mit dem Schmelzwasser in der Kläranlage landen. "Dann wird der Wert hochgehen", sagt Klein. Im Rekordwinter 2009 zum Beispiel, als Tonnen von Salz gestreut wurden, sei er zeitweise auf über 3.000 µS/cm geschnellt.

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Ab in den Seitengraben

Auf die Erträge der Landwirte hat das Salz offenbar keine Auswirkungen. "Das Streugut kommt auf den angrenzenden Äckern nicht an", sagt der Engeraner Landwirt Wilhelm Brüggemeier. Es werde mit dem Schmelzwasser über Seitengräben abgeführt. (mac)

Herausgefiltert oder neutralisiert werden kann das Salz im Klärwerk nicht. "Dagegen können wir nichts machen", sagt Klein. In der Anlage könne es lediglich verdünnt werden. Mit dem geklärten Wasser lande es dann in geringerer Konzentration im Mühlenbach. In Enger fließt es in den Bolldammbach.

Dass das Salz von der Straße - wenn auch in geringer Konzentration - in den Bächen lande, sei ein Problem für die darin lebenden Kleinlebewesen, sagt Bernd Meier-Lammering, Vorsitzender der Kreisgruppe Herford im Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Empfindliche Tiere, wie etwa Bachflohkrebse oder die Larven von Eintagsfliegen, kämen mit dem Salzgehalt nicht klar.

Aber nicht nur für die Fische und Tiere in den Bächen ist das Streugut eine Gefahr. Untersuchungen hätten gezeigt, dass auch der Salzgehalt im Boden nach dem Winter bis um das Zehnfache ansteige. Ein besonderes Problem sei das für die grünen Riesen - vor allem für solche Bäume, die nah an einer Straße stehen und viel von der salzigen Fracht abbekommen. "Die Lebenserwartung dieser Pflanzen geht um 20 bis 50 Jahre zurück", schätzt Meier-Lammering.

Die Bäume nähmen das Salz über die Wurzeln auf. Das Schlimme daran: Sie werden es nicht mehr los. Denn über die Blätter verdunste nur Wasser, nicht aber Salz. "Das bleibt in den Zellen zurück, sammelt sich über Jahre an und wird im Holz abgelagert", sagt Meier-Lammering und betont: "Die Bäume versalzen."

Er rät Kaminbesitzern darum dringend ab, Holzschnitt von diesen Straßenbäumen zu verfeuern. "Beim Verbrennen bilden sich hochgiftige Dioxine und Salzsäure, das die Rohre angreift." Auch in Blockkraftwerken oder Pelletheizungen dürfe das versalzene Holz vom Wegesrand nicht verwendet werden.

Schon im Frühjahr werde man beobachten können, wie sehr die Straßenbäume unter dem salzgeschwängerten Boden gelitten hätten, meint Meier-Lammering: "Die Pflanzen werden weniger Laub und kleinere Blätter ausbilden."