Spenge-Lenzinghausen. Ein paar Schritte treppabwärts und Karl Hankel ist zurück im Kalten Krieg. "Das ist unser Atomkeller", sagt der Leiter der Grundschule Lenzinghausen und zeigt auf eine massive Panzertür. Dahinter eine Welt aus Dunkelheit und meterdicken Mauern.
Mit einem Ruck zieht Hankel die schwere Eisentür im Keller der Schule auf und betritt eine Art Schleuse. An beiden Enden des schlauchförmigen Raums versperren weitere Panzertüren den Zutritt.
Was aussieht wie ein Hochsicherheitstrakt ist ein Relikt aus der Vergangenheit: ein kleines Bunkersystem aus den 60er Jahren. Es sei angelegt worden, als die Schule 1964 erbaut wurde, berichtet Hankel. "Die beiden Luftschutzräume sollten die Menschen im Kalten Krieg vor einer Atomschlacht schützen." Benutzt werden mussten sie glücklicherweise nie.
Die Luft in den fensterlosen Räumen riecht muffig, wie tausendmal geatmet. "Bei Kyrill ist Wasser hier eingedrungen und hat alles geflutet", erklärt der Schulleiter. Daher der abgestandene Geruch.
Heute nutzt die Schule die Bunker als Lager. An den Wänden stapeln sich Kisten. Auf einer davon sitzt eine mannsgroße Puppe und starrt dem Betrachter mit leblosen Augen entgegen. Sie hebt die Hand wie zum Gruß. In einer Ecke liegen Tannenbäume aus Pappe. Requisiten einer früheren Weihnachtsaufführung.
Halb versteckt hinter einigen Kisten eine quadratische Öffnung. Sie ist gerade breit genug, dass ein Mensch hindurch passt. "Falls das Gebäude zusammengestürzt wäre, hätten die Menschen im Bunker dort herauskrabbeln können", berichtet Hausmeister Rolf Panzlaff.
Der Weg durch den engen Tunnel führte im Zickzack an die Oberfläche. "Dadurch konnten Bombensplitter von außen nicht in den Bunker gelangen", erklärt Hankel. Heute ist der Ausgang allerdings eine Sackgasse. "Wir haben ihn dieses Jahr zugemauert."
Auch bei einem Stromausfall hätten die Menschen im Bunker den rettenden Fluchtweg leicht finden können, berichtet Hankel - und löscht zum Beweis das Licht. Die Finsternis wird von Streifen aus fluoreszierendem Licht durchbrochen. Sie weisen den Weg zum Tunnel.
Wie viele Menschen in den beiden Luftschutzräumen Platz gefunden hätten, kann weder Hankel noch Panzlaff beantworten. Auch bei der Stadt gibt es darüber keine Information.
Allerdings waren die unterirdischen Räume ursprünglich wohl nicht nur als Zufluchtsstätte gedacht. "Die Bunker sollten auch als Notlazarett genutzt werden", sagt Panzlaff.
Die sanitären Anlagen für das provisorische Krankenhaus seien noch heute erhalten, berichtet auch der Schulleiter und weist auf einen abgetrennten Raum. Dort verbirgt sich eine Reihe von Toiletten hinter mintgrünen Türen. Der Chic der 60er im Strahlenbunker.
An eine Wand ist ein großes Waschbecken montiert. Statt mit herkömmlichen Armaturen ist es jedoch mit einem langen Hebel ausgestattet. "Auf diese Weise kann man das Wasser mit dem Arm anstellen", sagt Hausmeister Panzlaff und erklärt: "Bei einer Operation hätte man die Armaturen nicht anfassen müssen."
Skurriles auch an den Wänden: Dort sind in gewissem Abstand kreisrunde Löcher eingelassen. Ihre Bedeutung gibt Rätsel auf. "Das muss für die Zuluft gewesen sein", meint Panzlaff und wirft noch einen letzten prüfenden Blick auf das Mauerwerk. Dann schließt er die schwere eiserne Eingangstür hinter sich und lässt die Erinnerung an den Kalten Krieg zurück im Dunkeln hinter meterdicken Mauern.