Neuer Therapiehof in Enger: So sollen Alpakas und Pferde bei Angst und Depressionen helfen

Enger. Jasmin und Jan Pettke haben sich ihren Lebenstraum erfüllt und den alten Resthof von Pastor Joachim Boecker in Dreyen erworben. Seit einigen Monaten sanieren sie das frühere Stallgebäude in liebevoller Eigenleistung zu ihrem neuen Zuhause. Ab 2026 will Jasmin Pettke dort tiergestützte Therapien anbieten. Was es damit auf sich hat und welche Schicksalsschläge das Paar auf dem Weg dorthin überwinden musste. Schuttmulden stehen auf der einen, Dämmwolle und neue Fenster auf der anderen Hofseite. Dass Jasmin Pettke so kräftig mit anpacken kann, daran war vor einigen Jahren nicht zu denken. Durch einen Unfall beim Eislaufen ist vor knapp zehn Jahren ihre Kniescheibe zersplittert. Lange hatte sie mit den Folgen zu kämpfen und musste mehrere Operationen an beiden Knien durchleben. &bdquo;Ich war lange Zeit an den Rollstuhl gebunden und musste neu laufen lernen“, sagt die 27-Jährige. Diese Situation habe ihr Angst gemacht. &bdquo;Der Kopf wollte, aber die Beine konnten nicht, da habe ich echt Schiss bekommen.“ Ausgrenzungen und Depressionen selbst erfahren Unternehmungen mit Freunden waren plötzlich kaum mehr möglich, viele hätten sich abgewandt. &bdquo;Ich wurde als kompliziert und eingeschränkt abgestempelt“, erinnert sie sich. Plötzlich wurde ihr bewusst, welche Hürden Menschen mit Behinderungen für einen Besuch in der Stadt überwinden müssen. Durch die neue Situation und den psychischen Stress entstanden Depressionen. Sie hat eine ambulante Therapie in Bielefeld-Bethel gemacht und dabei festgestellt, dass Tiere ihr Ruhepol sind und eine Auszeit vom Alltag geben. &bdquo;Das Tier interessiert es nicht, ob ich im Rollstuhl sitze oder eine Depression habe, es ist einfach da“, so die gebürtige Bielefelderin. Vor ihrem Unfall wollte sie Erzieherin werden. Inzwischen arbeitet sie als Integrationsfachkraft an einer Förderschule und befindet sich im letzten Semester zur tiergestützten Therapeutin. Mit ihrem eigenen Hof möchte sie andere Menschen bei der Heilung unterstützen. Das therapeutische Einsatzfeld sei groß: Menschen mit Angststörungen, Depressionen und Traumata sollen auf dem Hof genauso Hilfe und Geborgenheit erfahren wie im Trauer- oder Verlustfall sowie für die Selbstwert- und Beziehungsarbeit. Auch ältere Menschen könnten bei eintretender Demenz eine Anlaufstelle finden. &bdquo;Tiere streicheln, Fell fühlen, warmen Atem spüren, unterstütztes Bürsten, Füttern und kleine Hofaufgaben“, zählt sie mögliche Tätigkeiten auf. Verkäufer schlägt höheres Angebot aus Viele Höfe hat sich das junge Paar angeschaut und direkt aussortiert. &bdquo;Andere waren zu bergig, nicht rollstuhlgerecht oder wir hätten viel zu viel Geld reinstecken müssen“, so Pettke. Durch Zufall sind sie auf den Hof in Enger gestoßen. &bdquo;Als wir davor standen, haben wir nur die Bienen und Vögel gehört und uns spontan verliebt“, sagt sie. Das Projekt der beiden war von Beginn an mit viel Glück gesegnet. Sie konnten nur ein Angebot weit unter dem aufgerufenen Verkaufspreis abgeben. Pettke: &bdquo;Wir haben gebetet, dass es klappt und waren völlig überrascht, als das Telefon klingelte.“ Es sei letztlich eine Herzensentscheidung des Vorbesitzers gewesen. Selbst die Maklerin sei überrascht gewesen, dass der Verkäufer ein höheres Angebot ausschlug. Hinterher erfuhr das Paar, dass es sich bei dem Verkäufer um Pastor Joachim Boecker handelte. Er lebte dort 31 Jahre und war ebenso lange für die heutige Philippusgemeinde in Bünde zuständig. Mit den rund 5.000 Quadratmetern hat sich das Paar viel aufgebürgt. &bdquo;Zuerst machen wir die erste Etage wohnfähig, damit wir einziehen und die Tiere versorgen können“, sagt sie. Da wo früher der Kuh- und der Schweinestall waren, entstehen dann Wohnzimmer und Küche. Im nächsten Schritt soll der Zugang zum Hof und der Weide vollständig barrierefrei werden. 2026 ziehen die ersten Tiere ein. Los geht es mit Alpakas und Hühnern. Praktische Erfahrung mit den Tieren hat Pettke bereits: &bdquo;Eine große Weidefläche und ein Unterstand sind das wichtigste.“ Lesen Sie auch: Mit dieser Therapie kann eine junge querschnittsgelähmte Frau wieder reiten Für jeden Fall das richtige Tier Sind die ersten Tiere eingezogen, sollen zwei Pferde folgen. &bdquo;Ich finde es faszinierend, dass sich bei körperlich eingeschränkten Menschen auf dem Sattel plötzlich Muskeln bewegen, die sie selbst nicht aktivieren können. Das Pferd übernimmt das durch seine Bewegungen“, so Pettke. Ein mobiler Therapieraum aus Holz soll sich auf der Weide zu den Tieren bewegen können. Die Arbeit mit den Klienten gestalte sich sehr eng: &bdquo;Es stellt sich für gewöhnlich schnell heraus, welches Tier das richtige für eine Therapie ist – ein breites Spektrum, vor allem bei der Größe, ist daher wichtig.“ Neben Erwachsenen sollen auch Kinder das Angebot nutzen können. Betroffene von ADHS oder Autismus könnten Hilfe erfahren. Alpakas seien hier besonders gut geeignet, weil sie anders als Hunde sehr ruhige und zurückhaltende Tiere sind und sich nicht gleich auf neue Besucher stürzen. Pettke: &bdquo;Das Wichtigste ist, die Menschen aufzufangen und ihnen einen Raum für Ruhe zu geben, sodass sie vom permanenten Druck abschalten können – das Gedankenkarussell wird durchbrochen.“ In manchen Fällen werden tiergestützte Therapien auch von Krankenkassen bezuschusst. &bdquo;Es ist eine sinnvolle Ergänzung zur konventionellen Behandlung und kann zu weniger Medikamenten und einer schnelleren Besserung beitragen“, so die angehende Seelsorgerin. 20.000 Euro fehlen Die Nachfrage aus Kitas und Schulen sei bereits jetzt hoch. &bdquo;Es sind kaum adäquate Angebote vorhanden und die Menschen sind bereit lange Fahrtwege in Kauf zu nehmen“, sagt Pettke. Doch bis es so weit ist, müssen insbesondere die Kosten für den Stallbau, die Tieranschaffung, den Weidezaun und eine behindertengerechte Außentoilette sowie strengere Auflagen für die landwirtschaftliche Arbeit finanziert werden. &bdquo;Etwa 20.000 Euro für den Aufbau in Eigenleistung fehlen noch“, sagt sie und hofft das Geld über die Gemeinde oder private Unterstützer zu bekommen. Auch Sachspenden wie Futtertröge oder Pflegeutensilien für die Tiere werden gesucht. Pettke hat auch eine Spendenaktion über die Plattform Gofundme gestartet. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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