Essen wie bei Oma: Gaststätte in Enger gehört zu den letzten ihrer Art

Enger-Herringhausen. Die Fensterbank zieren Orchideen, Lampen mit Stoffschirmchen und kleine Figuren, an der Wand hängen silberne Deko-Teller und ein Kupferstich. Die Theke ist noch mit Holz vertäfelt und um die Ecke steht ein einladender Kachelofen. Geht man durch den Wirtsraum der Gaststätte "Zur Post" umfängt einen unweigerlich die Vergangenheit. Hier sieht es noch genauso aus wie einst in den 80ern: rustikal - und gemütlich. Wirt Frank Kenter und Koch Ali Reza Salehi stehen in der Küche und schälen Kartoffeln. Die sind vom Bauern aus der Nachbarschaft. Ein Riesentopf ist schon voll. Kartoffelsalat wird daraus - alles hausgemacht. Fertigessen kommt Kenter nicht auf die Karte. Die Gaststätte "Zur Post" an der Herforder Straße in Herringhausen ist die letzte ihrer Art in Enger: die letzte Traditionsgaststätte. Alle anderen typischen Dorflokale in der Widukindstadt haben im Laufe der Zeit dicht gemacht: die "Penne", der Westfalenhof, Cassing, zuletzt der "Alte Dorfkrug" in Besenkamp. Die "Post" hält sich bis heute. Die NW hat Wirt Frank Kenter besucht - und mit ihm über Erfolgsrezepte, Alleinstellungsmerkmale, schwere Zeiten und über das eine Gericht gesprochen, das eine besondere Bedeutung für das Restaurant hat. Hühner im Garten Draußen vor dem schönen roten Backsteinhaus - auf der Hauptstraße zwischen Enger und Herford - herrscht reger Verkehr. Hinterm Haus im Garten ist es idyllisch. Hier laufen die Hühner noch frei herum, dazwischen wuseln ein paar Küken umher. Frank Kenter wirft einen Blick auf sein Federvieh: "Das ist eine Mischung aus Asil und Deutschem Buschhuhn", sagt er lachend. Eine Gaststätte an dieser Stelle gebe es schon mindestens seit Ende des 19. Jahrhunderts. Seit 1961 wird sie von der Familie Kenter betrieben. Sechs Jahrzehnte sind das inzwischen. Seine Eltern hätten das Lokal damals "Knall auf Fall" übernommen. Hanna und Egon Kenter waren eigentlich Schneider. "Aber damals fing es an, dass erste Aufträge verlagert wurden", sagt ihr Sohn. Seine Eltern orientierten sich beruflich um - und wurden Gastwirte. Die "Post" übernahmen sie zunächst als Pächter. "Mein Vater kannte den Besitzer - für den hat er geschneidert." Um 1970 herum kaufte die Familie schließlich auch das Gebäude. Früher drei große Zeltfeste im Jahr Aus der Kneipe, in der es zuvor nur mal ein kaltes Kotelett oder eine Frikadelle gab, machten die Kenters im Laufe der Jahre ein richtiges Restaurant. Jeden Freitag und Samstag gab es damals außerdem Tanz in der "Post", dreimal im Jahr auch große Zeltfeste. "Mein Vater hatte dann fünf Theken - zwei in den Zelten, eine im Saal, eine im Gastraum und draußen gab es noch eine Bude", erzählt Frank Kenter. Auch Geflügelausstellungen waren gerne mal im Saal der "Post". Heute wird der nicht mehr genutzt. Der gelernte Werkzeugmacher Kenter hat dort jetzt eine kleine Werkstatt, lagert ein paar alte Möbel darin. Fünf Tage die Woche hat die "Post" heute geöffnet, immer abends. Montags und dienstags ist Ruhetag. Rund 50 Gäste kann der 62-Jährige im Speiseraum bewirten. Die Karte variiert täglich: Mal stehen Schnitzel darauf, mal Fisch oder Schaschlik, mal Steaks oder Pellkartoffeln mit Zwiebeln und Rapsöl. "Öl-Stippsel" heißt das Gericht in der "Post". "Wir haben immer schon eine kleine Karte gehabt, damit wir die Frische auch gewährleisten können", sagt Kenter und erklärt: "Nur die Pommes kommen bei uns aus der Tiefkühltruhe, so gut wie alles andere wird frisch gemacht." Und er setzt auch auf Regionalität: Wenn's zum Beispiel Gans gibt, kommt das Fleisch von Tieren aus St. Vit - einem Ortsteil von Rheda-Wiedenbrück. Was auf der Karte steht Die Küche der "Post" würden manche "gutbürgerlich" nennen. Frank Kenter sagt schlicht: "Bei uns gibt es gutes Essen, traditionell zubereitet." Auf die Karte kommt, worauf der Wirt selbst grad Appetit hat. Und das kann mitten im Sommer bei Temperaturen um 30 Grad auch schon mal Erbseneintopf sein. Als Aktion einmal im Monat gibt's Spanferkel, wenn sich genügend Leute dafür anmelden - und Flammlachs. Das sei Lachs, der auf einer Buchenholzplanke ans Feuer gelehnt zubereitet werde, erklärt Kenter. "Der schmeckt ein bisschen geräuchert, aber das große Geheimnis ist die Rezeptur." Alle vier Wochen gibt es auch einen persischen Abend in der "Post". Seine Frau sei Iranerin, Koch Ali Reza Salehi ebenfalls, sagt Kenter. Da biete sich eine solche Aktion an. "Und die kommt super an." Wie Corona das Geschäft verändert hat Corona habe das Geschäft verändert und auch der "Post" schwer zu schaffen gemacht, berichtet der Wirt, der die Gaststätte seit 2014 leitet. "Die Überbrückungshilfen haben uns wirklich gerettet." Auch jetzt merke er, dass die Leute noch ängstlich seien. Schwere Zeiten hat die Gaststätte aber auch zuvor schon erlebt. Anfang der 1970er Jahre zum Beispiel, als sich das Konsumverhalten der Menschen änderte und man abends und am Wochenende nicht mehr unbedingt für ein Bierchen ins Lokal ging, sondern sich auch günstig im Discounter oder im Supermarkt mit Getränken eindecken konnte. Aber auch da gab es etwas, dass die Gaststätte gerettet hat: Pickert. Ein besonderes Gericht, das gern gegessen, allerdings besonders zeitaufwendig in der Zubereitung ist. Noch heute ist das Gericht eine der Spezialitäten der "Post" und ein Alleinstellungsmerkmal: "Das macht sonst keiner, weil zu zeitraubend", sagt Kenter. Darum gibt's den Pickert auch in der "Post" nur nach Vorbestellung. So wird die Spezialität des Hauses zubereitet Bei relativ niedriger Temperatur wird das Gericht aus Kartoffel-Reibseln, Salz und wenig Ei auf gusseisernen Platten gebacken. 12 bis 15 Minuten dauert es, bis ein Pickert fertig ist. Im Team der "Post" gibt es sogar einen kleinen internen Wettbewerb, wer die meisten Pickert in der Stunde auf den acht Platten zuzubereiten schafft. Sein Koch Ali sei mal auf 60 gekommen. "Ich schaffe vielleicht 40", sagt Kenter lachend. Die anderen traditionellen Gaststätten in Enger haben nach und nach geschlossen. Übrig geblieben ist die "Post". Was ihr Erfolgsrezept sei? Frank Kenter denkt einen Moment nach. So richtig habe er darauf keine Antwort, sagt er schließlich. Vielleicht, dass sie alles frisch zubereiten, mutmaßt er. "Vielleicht auch, dass wir konstant versucht haben, über die Jahre eine gute Qualität hoch zu halten." Und sie seien immer auch mit der Zeit gegangen und hätten neue Gerichte auf die Karte genommen. Den Flammlachs zum Beispiel. Mehr zu Freizeit-Themen im Kreis Herford und Kreis Minden-Lübbecke finden Sie in unserem Spezial "Lifestyle, Gastro, Shopping"

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