Bünde/Kirchlengern/Rödinghausen. Einen "wunderbaren Urlaub" hatte eine Anruferin am NW-Lesertelefon hinter sich. In Kühlungsborn sei sie gewesen und habe sich im Rahmen einer Busreise zudem einige Städte in den "neuen" Bundesländern angesehen. Wieder in Bünde angekommen, las sie von den Sanierungsarbeiten an der Borriesstraße und zog einen Vergleich: "Im Osten sind die Straßen in einem wesentlich besseren Zustand."
Worüber die Anruferin besonders erstaunt war, war die Äußerung eines Busfahrer, der selbst aus den östlichen Bundesländern stammt. "Ja, wir haben hier die schönsten Straßen des Landes. Das haben wir alles den gebrauchten Bundesländern zu verdanken", habe er gesagt, womit er ohne Zweifel die "alten" Bundesländer meinte. Zudem zahlt noch jeder Arbeitnehmer einen gewissen Anteil auf seine Einkommensteuer. Die Anruferin war peinlich berührt, und das umso mehr, wenn sie sieht, in welch "schlechtem Zustand manche Straße hier ist, weil kein Geld da ist, um sie wieder herzurichten". Sie hält die Abschaffung der 1991 eingeführten Abgabe für überfällig.
Die Neue Westfälische fragte nach, wie viel die Kommunen pro Jahr an "Finanzierungsbeteiligung Fond Deutscher Einheit", so die Bezeichnung für die zu leistende Abgabe der Städte und Gemeinden, zahlen.
"Für das Jahr 2010 rechnet die Stadt Bünde mit einer Abgabe in Höhe von etwa 1.530.000 Euro" erklärte Volker Dix, bei der Stadt Bünde zuständig für Finanzen. 2009 waren es nach einer Rückerstattung etwas mehr als 1,2 Millionen Euro. Die Gemeinde Rödinghausen zahlte 2009 etwa 770.000 Euro. "Für 2010 rechnen wir mit 650.000 bis 700.000 Euro" schätzt Kämmerer Dietmar Bergmann. Volker Wiesner, Fachbereichsleiter Finanzen in Kirchlengern, hat ausgerechnet, dass die Gemeinde seit Einführung des "Soli" etwa 10 Millionen Euro gezahlt hat - jährlich also etwas mehr als 500.000 Euro. Berechnet wird die Abgabe zum Teil aus dem Gewerbesteueraufkommen und den Schlüsselzuweisungen des Landes, von denen ein Teil sofort einbehalten wird.
Nicht nur die Bürger (siehe Umfrage auf dieser Seite) auch aus Kommunalpolitik und Verwaltungen heißt es mittlerweile verstärkt, "dass die Sanierung der neuen Bundesländer mittlerweile abgeschlossen sein dürfte". Hier und da wird kritisiert, dass der "Soli" längst nicht mehr nur in die Sanierung der "neuen" Bundesländer gehe, sondern dass damit Löcher im allgemeinen Bundeshaushalt gestopft werden.
Die Neue Westfälische hat hierzu gestern Nachmittag eine Anfrage an das Bundesministerium für Finanzen geschickt und gefragt, inwiefern der Solidaritätszuschlag noch seinen ursprünglichen Sinn erfüllt. Bis Redaktionsschluss stand eine Antwort - wegen der Kurzfristigkeit aber verständlich - noch aus.
Auf eine Bürgeranfrage vom 22. August 2010 auf der Internetseite des Bundesministeriums für Finanzen, wie lange der "Soli" noch bestehen bleibt, wurde vom Ministerium geantwortet: "Der Koalitionsvertrag sieht keine Abschaffung des Solidaritätszuschlags vor. Ein Spielraum für Steuerentlastungen ist momentan auch nicht erkennbar, da in diesem Jahr noch rund jeder fünfte Euro an Ausgaben durch Kredite gedeckt wird."
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