Bünde. Howard Carpendale hinterließ hier "Spuren im Sand", Jennifer Rush hatte einen frühen, aber bemerkenswerten Auftritt und Jürgen Drews sowie Wolfgang Petry und Boney M. ließen die Stimmungswogen hoch schlagen. Drafi Deutscher legte sogar vier Wochen lang als Gast-DJ kleine schwarze Scheiben auf. Die Liste der Stars, die sich in der Diskothek Wilhelmshöhe die Klinke in die Hand gaben, ist lang. Als die Szene jetzt an die 50-jährige Geschichte der Disco in Deutschland erinnerte, erhielt die Familie Glösemeier eine Urkunde, auf der die älteste noch in Betrieb befindliche Diskothek Deutschlands erneut gewürdigt wird.
Am 6. September 1961 eröffnete Horst Glösemeier den "Club 69" (später "Zeppelin", dann "Wilhelmshöhe") im eigens ausgehobenen großen Kellerraum an der Holzhauser Straße. Den Tanzsaal darüber gab es schon im 19. Jahrhundert. Ihn hatten seine Eltern Alma und Heinrich zusammen mit dem Restaurant 1934 übernommen. Die ersten Platten seien dort schon vor mindestens 50 Jahren aufgelegt worden, sagt Marcel Glösemeier.
In dieser Hinsicht könne man mit der "Jockey Tanzbar" in Aachen locker mithalten. Beim Treffen der deutschen Diskothekenbetreiber im "Aura" in Ibbenbüren waren die Anfänge der Disco-Zeit vor 50 Jahren das Thema. Der Titel "Älteste Diskothek Deutschlands" wurde der Wilhelmshöhe dort erneut bestätigt – streitig gemacht hat ihn nie einer.
Den vielen im Land entstandenen Plattenbars hat die "Höhe" eines voraus: Trotz der Konkurrenz durch Großdiskotheken, trotz veränderten Freizeitverhaltens bei den Jugendlichen, Nichtraucherschutzgesetz und Wirtschaftskrise konnte sie sich bis heute behaupten. Gibt es dafür ein Rezept? "Die Wilhelmshöhe wird als reines Familienunternehmen geführt", sagt Inhaberin Marlies Glösemeier. Unter den 2.500 Clubs im Land sei die Bünder Disco fast ein Exot.
Die Aufgaben teilt sie sich seit dem Tod ihres Mannes inzwischen mit Tochter Nicole, Geschäftsführerin und für die kaufmännischen Dinge zuständig, sowie Sohn Marcel. Die Gäste von früher waren nicht selten die Eltern oder sogar Großeltern der Besucher von heute, weiß Marlies Glösemeier. Als sich ihr Mann Horst damals den Traum einer Plattenbar verwirklichte, gab es nichts Vergleichbares – weder in Berlin noch in London. Vielleicht der Grund dafür, dass hier gerade in der Anfangszeit viele Künstler auftraten, die später große Hallen füllten.
Dazu gehörten neben Carpendale und Jürgen Drews auch Georgio Moroder und Gerd Böttcher ("Für Gabi tu ich alles"), der zwei Wochen nach der Eröffnung da war. Weiter Peggy March, Roberto Blanco, Marianne Rosenberg, Graham Bonney und später die Stars der Neuen Deutschen Welle wie Markus und Geier Sturzflug. "Heute wäre so etwas undenkbar", sind sich Nicole und Marcel Glösemeier sicher. Schon wer nur einen Hit lande, nehme kaum bezahlbare Gagen.
Der erste Plattenaufleger – die Bezeichnung DJ kam erst viel später – hieß mit Künstlernamen Rex Combo und war ein Frauenschwarm. Die Pausen beim Plattenwechsel füllte er wortreich und soll dafür häufig mit Beifall belohnt worden sein. "Der 10er-Plattenspieler war später schon eine technische Errungenschaft", so Marlies Glösemeier. Die männlichen Besucher trugen damals Anzüge – es herrschte Krawattenzwang.
Heute teilen sich drei DJs die Aufgabe, die schwarzen Scheiben wurden längst durch CDs ersetzt. "Für seltenere Aufnahmen gibts noch zwei Plattenspieler", sagt Marcel Glösemeier. Das Disco-Fieber wird wie eh und je mit moderner Tanzmusik entfacht, die hat sich aber stark gewandelt. Spezielle Richtungen wie ,"House" sind nur selten dabei. Zum Unternehmen gehören inzwischen 30 Mitarbeiter/innen, zumeist Aushilfskräfte für die Theke und Bedienung. Um heute Leute in eine Disco zu locken, müsse man sich schon etwas einfallen lassen, ist sich die Familie einig. Zirkusauftritte oder Hypnose-Shows wie früher gehörten nicht mehr dazu, wohl aber die Wahl der Miss Bünde und Themenabende.