
Bünde. Ein Jahr, nachdem der erste Ausländer einen Einbürgerungstest ausgefüllt hat, ist der Sinn dieses Tests weiter umstritten. Kritiker monieren, dass die Antworten nur auswendig gelernt werden. Das Bundesinnenministerium hält dagegen und bezeichnet den Test als Integrationsmotor. Ugur Köroglu hat den Einbürgerungstest vor zwei Monaten bestanden. Die NW fragte den türkischstämmigen Bünder, wie viele Antworten er noch weiß - und ob er sich nun integrierter fühlt.
Ugur Köroglu sitzt im Café, nimmt einen Schluck Kaffee und überlegt. Dann grinst er verlegen und sagt: "Ich habe nicht eine einzige Frage mehr im Kopf." Der 37-Jährige stammt aus dem Osten der Türkei. Er lebt seit zehn Jahren dauerhaft in Bünde, pendelte aber schon als Kind regelmäßig zwischen Deutschland und der Türkei hin und her. Auf den Test habe er sich im Internet vorbereitet, bei Fragen, die er nicht beantworten könnte, bat er deutsche Freunde um Hilfe. Aber auch die zuckten oft nur mit der Schulter, besonders dann, wenn es um die Geschichte der DDR ging.
Ugur Köruglu spricht perfekt deutsch, liest jeden Tag Zeitung und interessiert sich für Politik. "Ich versuche mich, einem modernen Land anzupassen", sagt er, fügt aber hinzu: "Mit Zwang funktioniert das aber nicht." Integration sei keine mathematische Formel, die man logisch anwenden könne. "Integration fängt in den Köpfen an", sagt er. Ein Integrationstest stoße diesen Prozess nicht an. "Aber der Kontakt zu Arbeitskollegen oder Nachbarn", glaubt Ugur Köruglu. "Wir Türken müssen uns in Deutschland toleranter und offener zeigen, statt immer mehr Moscheen zu bauen" , sagt er und bezweifelt, dass der Test zu diesem Umdenken beiträgt.
Warum hält ihn das Innenministerium trotzdem für einen Integrationsmotor? Seit dem 1. September 2008 gilt, wer Deutscher werden will, muss sich nach Ansicht des Ministeriums mit Deutschland auskennen. Um ihre Kenntnisse in Geschichte, Politik und Gesellschaft zu beweisen, haben Einbürgerungswillige 60 Minuten Zeit. Wer innerhalb dieser Stunde von 33 Fragen 17 richtig ankreuzt, hat bestanden - ist sozusagen integriert. Klingt einfach. Doch einige Fragen haben es in sich. Das bewies auch ein Test, den die NW vor einem Jahr in der Fußgängerzone machte. Wir haben 20 Bünder geprüft, ob sie ihren deutschen Pass wirklich verdienen. Niemand musste damals seinen Pass abgeben und auswandern, alle haben den Test bestanden. Doch kein Test blieb fehlerfrei. Ein Rentner räumte ein, sofort die Koffer packen zu müssen, wenn das Ergebnis seines Tests veröffentlicht würde.
Der Test lässt den Motor der Integration insofern nicht sonderlich mehr als stottern, aber was treibt ihn an. Urgur Köroglu hat die Antwort parat: "Die Sprache natürlich." Das weiß auch das Innenministerium. Seit dem 28. August 2007 ist das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union in Kraft. Dieses schreibt vor, dass Menschen für ihre Einbürgerung mündliche und schriftliche Sprachkenntnisse vorweisen müssen. Möglich ist dies mit dem so genannten Test "Deutsch für Zuwanderer", kurz TDZ. Wilfried Springhorn bietet solche VHS-Kurse in Bünde an. Der Bio-Landwirt lehrt Deutsch aus Leidenschaft. Wer ihn und seine Gruppe in den Räumen der Bünder Musikschule besucht, kann sich davon überzeugen.
Seit Jahren leben seine Schützlinge, die aus Russland, Irak oder Syrien stammen, in Deutschland - und können kaum die Sprache, die ihre Nachbarn sprechen. Eine von ihnen ist Vigneswary Jeyathasan. Die vierfache Mutter, die seit zwölf Jahren in Deutschland lebt, stammt aus Sri Lanka. Ihre Kinder gehen inzwischen aufs Gymnasium - sie allerdings konnte sich kaum mit den Lehrern verständigen. "Das wollte ich ändern", sagt sie. Viele Wörter kommen ihr nun schon leichter über die Lippen. "Das ist ein schönes Gefühl", sagt sie. Vor allem, weil sie nun viel einfacher Kontakt zu anderen Müttern knüpfen könne.