Nicht nur im Bus zwischen Bünde und Herford fehlt die Menschlichkeit

Bünde/Herford. Es gibt Geschichten, die lassen einen an der Menschheit zweifeln. Die von der alten Dame mit Rollator, die vom Busfahrer auf dem Weg zwischen Herford und Bünde vor die Tür gesetzt wurde, gehört dazu. Selbst wenn sich nicht mit letzter Sicherheit sagen lässt, was genau zwischen Helga Häußer und dem Busfahrer vorgefallen ist. Unstrittig ist, dass die gehbehinderte Seniorin keinen Sitzplatz im voll besetzten Bus fand. Deswegen musste die Bünderin zusammen mit weiteren Fahrgästen an der hinteren Tür stehen. Mit der Folge, dass es an den Haltestellen beim Ein- und Aussteigen sehr eng wurde. Jeder, der schon einmal in einem überfüllten Bus gestanden hat, kennt das. Für Menschen, die sowieso schon etwas wackelig auf den Beinen sind, ist das gewiss keine angenehme Situation. An der Herforder Brauerei muss die Seniorin mit Rollator aussteigen Davon, was im Folgenden passiert ist, gibt es unterschiedliche Versionen. Laut der Frau hat sie dem Busfahrer zugerufen, die Fahrgäste doch bitte auch vorne aussteigen zu lassen, weil hinten kaum ein Durchkommen sei. Daraufhin habe der Fahrer sie an der Haltstelle an der Herforder Brauerei mit Nachdruck aufgefordert, den Bus zu verlassen. Offenbar als Reaktion auf den Zuruf. So jedenfalls hat es Helga Häußer interpretiert. Lesen Sie dazu auch: Wegen Überfüllung: Busfahrer setzt Seniorin aus Bünde mit Rollator vor die Tür Der Fahrer hingegen will nach Angaben des Pressesprechers des Transportunternehmens BVO von dem Zuruf gar nichts mitbekommen haben. Er habe lediglich bemerkt, dass die Bünderin mit ihrem Rollator einen wackeligen Stand hatte. Da er für die Sicherheit der Passagiere verantwortlich sei, habe er sie – nachdem sie auch im weiteren Verlauf der Fahrt keinen Sitzplatz gefunden habe – zu ihrer eigenen Sicherheit zum Aussteigen aufgefordert. Unabhängig davon, welche Version nun näher an der Wahrheit ist – eines steht fest: Am Ende musste die Frau den Bus verlassen und man fragt sich unweigerlich, ob es wirklich keine Möglichkeit gab, die Situation anders zu lösen? Niemand der übrigen Passagiere steht für die ältere Frau auf Am naheliegendsten wäre es gewesen, wenn jemand der übrigen Passagiere der offenkundig gehbehinderten Frau seinen Sitzplatz angeboten hätte. Zwar waren wohl mehrere Menschen mit Gehhilfen im Bus, doch irgendein jüngerer mit ausreichend Standfestigkeit wird doch wohl in dem voll besetzten Bus gesessen haben. Aufgestanden ist von denen allerdings niemand. Es gab mal Zeiten, in denen es zu den Selbstverständlichkeiten einer guten Kinderstube zählte, älteren Menschen im Bus seinen Platz anzubieten. Sicher, die eigentlich höflich gemeinte Geste kann unter Umständen auch verletzend sein, da damit eine Hilflosigkeit unterstellt wird, die vielleicht nicht immer da ist. Doch spätestens als der Busfahrer die Frau zum Aussteigen aufgefordert hatte, hätte doch wenigstens einem einzigen anderen Fahrgast klar werden können, dass die Seniorin mit Rollator dringender auf den Sitzplatz angewiesen ist. Busfahrer der BVO versteckt sich hinter Paragrafen Doch auch der Busfahrer hätte anders handeln können, anstatt sich hinter Paragrafen zu verstecken. Dass er die besondere Hilfsbedürftigkeit von Passagieren berücksichtigen muss und er im Falle eines Sturzes unter Umständen sogar mit Schadensersatzforderungen konfrontiert wird, ist unzweifelhaft. Lesen Sie dazu auch: Seniorin stürzt im Bus: Fahrer muss auf die Anklagebank Anstatt die Frau aber sofort zum Aussteigen aufzufordern, hätte er die sitzenden Passagiere mit demselben Nachdruck darum bitten können, einen Platz freizugeben. Vielleicht hatten ja auch gar nicht alle Mitfahrer die Situation bis dahin richtig erkannt. Doch eine alte, hilflose Frau aus dem Bus zu werfen, ist natürlich um einiges leichter. Am Ende ist der ganze Vorfall aber sowieso nur Ausdruck einer Gesellschaftsentwicklung, die bereits vor längerer Zeit eingesetzt hat. Menschen, die mehr und mehr darauf gedrillt werden, stets auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein und gefälligst die Ellbogen einzusetzen, gehen eben irgendwann Eigenschaften wie Empathie, Rücksichtnahme und Respekt gegenüber anderen verloren. Gerade diese Eigenschaften sind es jedoch, die Menschlichkeit ausmachen. Für Menschlichkeit aber war im überfüllten Bus zwischen Herford und Bünde offenbar kein Platz mehr. Genau wie an vielen anderen Stellen im Leben auch. Es wäre schön, wenn sich das irgendwann wieder ändern würde.

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