Staatsschutz ist dran: Das Netzwerk der Corona-Leugner

Bünde/Herford/Enger. Kinderschuhe und Spielzeug haben Unbekannte zuletzt vor dem Bünder Rathaus abgelegt. Zudem haben sie Plakate an Fenster und Pfeiler geklebt. Was nach einer spontanen Aktion aussieht, ist offenbar von langer Hand geplant gewesen. Mit den Kinderschuhen soll gegen die Coronaschutzmaßnahmen demonstriert werden. Wer steckt dahinter? Verantwortlich ist offenbar ein Verein, der sich "Eltern stehen auf" nennt. Laut des Staatsschutzes in Bielefeld ruft die Gruppe bundesweit dazu auf, "Kinderschuhe vor öffentliche Einrichtungen wie Rathäuser und Landratsämter zu stellen". Auf der Vereinswebseite sind Vorlagen von Flyern zu finden, die die Mitglieder und Anhänger ausdrucken und auf Protestaktionen verteilen sollen. "Hierin werden Fehlinformationen zum Impfen und anderen Coronaschutzmaßnahmen verbreitet", teilt der Staatsschutz auf NW-Anfrage weiter mit. Flyer tauchten schon 2020 auf Auf den Flugblättern heißt es unter anderem, dass der "Testwahn" an Schulen und Kitas gestoppt werden müsse. Auf einem weiteren Zettel wird vor dem Tragen von Schutzmasken gewarnt. Auch ist die Rede von einem "Maßnahmen-Irrsinn", der Kinder quäle und die Realität aller zerstöre. Es ist nicht das erste Mal, dass diese Flyer in Bünde auftauchen. Bereits im Oktober 2020 landeten einige Zettel in Bünder Briefkästen. Zudem sollen die Flyer in Supermärkten ausgelegt worden sein. Schon damals wurde Stimmung gegen das Tragen von Mund-Nase-Schutzmasken gemacht. Auch im Herbst 2020 stand der Verein "Eltern stehen auf" hinter der Aktion. Ein QR-Code auf dem Flyer führte direkt zu der Seite des Vereins. Dabei ist "Eltern stehen auf" nicht in Ostwestfalen-Lippe, sondern in Nürnberg ansässig. Laut den Ermittlern des Staatsschutzes ist die Gruppierung "ideologisch der Querdenker-Szene zuzuordnen". Wie genau der Verein aufgebaut ist, lässt sich derzeit nur schwer sagen. Auf der Internetseite sind unter der Rubrik "Mitglieder" sieben Personen mit Fotos und den dazugehörigen Ämtern innerhalb des Vereins abgebildet. Auf eine Nennung der Identitäten der Verantwortlichen wird auf den ersten Blick verzichtet, die Fotos sind nur mit Vornamen gekennzeichnet. Im Impressum der Seite ist jedoch zu lesen, dass der Verein von drei Menschen vertreten wird: Cristin Teresa Burg (Vorsitzende), Christiane Panno (stellvertretende Vorsitzende) und Maik Burg (Schatzmeister). Laut Staatsschutz hat der Verein insgesamt aber nur 16 Mitglieder. Sympathisanten sind deutschlandweit vernetzt Dennoch sind die wenigen offiziellen Mitglieder und die Sympathisanten des Vereins deutschlandweit und in Österreich vernetzt. Zwar liegen den Ermittlern zur Struktur in Ostwestfalen-Lippe noch keine Erkenntnisse vor, doch mittlerweile treten die Sympathisanten auch im Kreis Herford immer häufiger in Erscheinung. So wurden Kinderschuhe und Flyer nicht nur in Bünde, sondern auch in den Nachbarstädten Herford und Enger vor die Rathäuser gelegt. In Bünde wurden die Kinderschuhe bereits einen Tag nach dem Aufstellen entfernt, teilt Stadtsprecherin Doris Greiner-Rietz meit. Nicht bestätigt hat sich das Gerücht, dass es auch in Rödinghausen eine Aktion gegeben haben soll. Von der Gemeinde wird das verneint. "Am Rathaus oder den anderen Verwaltungsgebäuden in Rödinghausen wurden keine Kinderschuhe als Protest gegen die Corona-Maßnahmen abgestellt", erklärt Gemeindesprecher Thomas Klüter. So arbeiten die Corona-Leugner zusammen Informationen tauschen die Sympathisanten von "Eltern stehen auf" hauptsächlich über die Internetseite des Vereins und über das Smartphone aus. Dort nutzen sie die Messenger-App "Telegram", um sich anonym zu vernetzen. Mittlerweile sollen sich dort mehr als 20.000 Menschen tummeln, die in zahlreichen Ortsgruppen vernetzt sind: zum Beispiel in Herford/Minden/Lübbecke oder Bielefeld/Gütersloh. In den Ortsgruppen werden die Aktionen koordiniert, dort tauscht man sich auch über Demonstrationen in Nachbarstädten aus. Die Köpfe hinter den Anti-Corona-Maßnahmen bleiben anonym. Es sind aber nicht nur die Ortsgruppen von "Eltern stehen auf", die auf Telegram mobil machen. In der Gruppe "Widerstand 2020 - Kreis Herford" tauschen sich derzeit ebenfalls 77 Menschen aus. Geteilt werden dort Fotos und Videos, die belegen sollen, dass die Corona-Pandemie nur eine Verschwörung ist. Die Propaganda laufe auf Hochtouren, heißt es dort. Zudem werden Links von Seiten geteilt, in denen vor einer inszenierten Pandemie gewarnt wird. Dass die Gruppe den Weg der legitimen Kritik verlassen hat, ist einigen Mitgliedern offenbar bewusst, wie ein aktuell gepostetes Foto zeigt. Dort heißt es: "An dieser Stelle grüßen wir mal alle Geheimdienste!" Passend dazu auch ein Beitrag eines Users an die anderen Mitglieder der Gruppe aus dieser Woche: "Guten Morgen, Widerstand", schreibt er. Auto mit Corona-Aufschrift Gelingt die Vernetzung per Smartphone noch weitgehend anonym, trauen sich auch einige Kritiker der Coronaschutzmaßnahmen in Bünde aber auch sichtbar an die Öffentlichkeit. Auf einem Auto, das auf einen Bünder Unternehmer zugelassen ist, wurden große Aufkleber mit der Aufschrift "Corona-Auschuss" und "News2020" angebracht. Dahinter steckt eine Gruppe aus Berlin, die gegen den Lockdown und Impfungen wettert. Auf Nachfrage beim Halter des Fahrzeugs erklärt sich der Unternehmer zu einem Gespräch bereit. Kurze Zeit später sagt er aufgrund einer Krankheit ab. Weitere Nachfragen der NW lässt der Mann unbeantwortet. 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