Hebamme: Ein Traumberuf - zwei Jobs

Bünde/Kirchlengern/Rödinghausen. Kaum eine Hebamme würde der Behauptung widersprechen, dass ihr Beruf einer der schönsten überhaupt ist. Geburtshilfe zu leisten, ist für die Freiberuflerinnen unter ihnen aber eine Seltenheit. Das bleibt fast ausschließlich ihren angestellten Kolleginnen vorbehalten. Fast 70 freiberufliche Hebammen praktizieren im Kreis Herford. Erika Nixdorf aus Bünde hat im Sommer 2015 ihre eigene Praxis an der Brunnenallee eröffnet und war bis September halbtags noch in der Radiologie des Lukas-Krankenhauses angestellt. Dann hat sie den Sprung in die komplette Selbstständigkeit gewagt. Sie brennt nach 28 Jahren immer noch leidenschaftlich für ihren Beruf. Für die 53-Jährige wäre es kein Problem, in einer Klinik mit Geburtsstation zu arbeiten. "Aber wer betreut dann die werdenden Mütter vor Ort?", fragt sie. Die Versicherungen machen es den freiberuflichen Hebammen in den vergangenen Jahren immer schwerer. Seit 2012 haben sich die jährlichen Beiträge für die Berufshaftpflichtversicherung in etwa verdoppelt. Stiegen sie im Juli 2012 von 3.700 auf 4.200 Euro jährlich, zahlen freiberufliche Hebammen heute rund 8.000 Euro pro Jahr, wenn sie Geburtshilfe leisten. "Geburtshilfe leisten viele Freiberuflerinnen deshalb gar nicht mehr", erklärt Erika Nixdorf im Gespräch mit der Neuen Westfälischen. Aber nicht nur wegen der Versicherungsbeiträge, sondern auch aus organisatorischen Gründen. Denn je mehr Frauen eine Hebamme betreut, desto eher kommt es zu Terminkollisionen der Geburten. "Und da muss die Hebamme, die von einer werdenden Mutter engagiert wurde, auf jeden Fall vor Ort sein", sagt Erika Nixdorf. Das Angebot der meisten Freiberuflerinnen umfasst deshalb alle Themen rund um die Geburt: Geburtsvorbereitungskurse, Wochenbettbetreuung, Rückbildungsgymnastik, aber auch Beratung zum Stillen, Babykost oder Babyschwimmen und -massage. Auch Yoga für Schwangere oder auch Erste-Hilfe-Kurse am Säugling. Einen nicht unerheblichen Anteil der Arbeitszeit nehme auch das Qualitätsmanagement ein - ein ständiges und zu protokollierendes "Sich selbst überprüfen", das behördlicherseits mitunter kontrolliert wird. Auch 60 Stunden Fortbildung auf eigene Kosten kommen alle zwei Jahre hinzu. Dass es einen Mangel an Freiberuflerinnen gibt, zeigen unter anderem deren Terminkalender. Bei Erika Nixdorf ist der bis Juli prall gefüllt. Und eine Frau muss sich in der Regel schon weit vor dem Geburtstermin um die Betreuung kümmern - sofern gewünscht. Wie sie sagt, wäre sie vielleicht sogar schon bis September ausgebucht, wenn die entsprechenden Frauen schon von ihrer Schwangerschaft wüssten. Es gebe zwar immer noch eine große Zahl an jungen Interessentinnen für diesen Beruf - auch trotz der EU-weiten Akademisierung ab 2020, wonach eine Hochschulausbildung Pflicht wird. Von der Politik wünschen sich die Hebammen vor allem, dass die Freiberuflichkeit sich wieder lohnt. Eine Anpassung der Gebührenordnung, Senkung der Verwaltungsauflagen und eine staatliche Versicherung sind hier nur Beispiele. Erika Nixdorf nennt aber auch eine Unterstützung für kleinere Krankenhäuser, die sich trotz geringerer Geburtenzahlen noch eine Geburtsstation leisten. Auf Ebene des Kreises Herford will man die Hebammen unterstützen und bessere Bedingungen schaffen, hieß es im Frühjahr 2018 von der Gleichstellungsstelle. Angela Heiler-Birk vom Gesundheitsamt sagt: "Im September hat es dazu ein Fachgespräch mit Hebammen und dem Kreis Herford gegeben. Ziel ist es zunächst, die Hebammen miteinander zu vernetzen. Es haben sich auch schon Stammtische gebildet, aber eine zentrale Stelle, die die Arbeit der freiberuflichen Hebammen koordiniert, ist nicht von heute auf morgen zu schaffen." Wichtig sei aber erst einmal gewesen, dass die Hebammen gegenseitig voneinander wissen. Auch Gynäkologen sollen in weitere Gespräche einbezogen werden. Eine konkrete Hilfe in Bezug auf beispielsweise versicherungsrechtliche Sachverhalte könne aber auch der Kreis Herford als Behörde nicht liefern. Die liegen laut Angela Heiler-Birk "ein paar Ebenen weiter oben". Der Wunsch einiger junger Frauen nach einer Hausgeburt wird auch künftig wohl ein Wunsch bleiben und die absolute Ausnahme bilden. An eine kann sich Erika Nixdorf aber sehr gut erinnern, wenn sie auch schon 18 Jahre zurückliegt. "Da habe ich meiner Nichte auf die Welt geholfen", erinnert sich die Hebamme. Eine plötzliche Geburt, die sich zu Hause zufällig ergeben hat - und Thema auf jeder Familienfeier.

Meistgelesen