Umzug nach Brüssel platzt - plötzliche Absage für 56-Jährige aus dem Kreis Gütersloh

Werther. &bdquo;Nein, ich habe noch nicht gewählt. Das mache ich immer erst am Wahltag“, sagt Birgit Ernst. Aber natürlich weiß die Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion und Ratsfrau im Wertheraner Stadtrat, welcher Partei sie ihre Stimme geben wird, wenn sie am Sonntag zur Europawahl geht. Sie hat es nicht weit und wird ihr Kreuzchen in der Wertheraner Grundschule machen. Liebend gern hätte sie vermutlich auch per Briefwahl gewählt, hätten sie wichtige Geschäfte in Brüssel festgehalten. Doch aus dem politischen Abstecher ins EU-Parlament ist nichts geworden. Eigentlich sollte Birgit Ernst bis zur Wahl im Juni für vier Monate ins EU-Parlament nachrücken. Bei der Wahl 2019 hatte sie den Einzug knapp verpasst. Jetzt sollte sie die kurze Chance bekommen, doch noch politische Luft in Brüssel und Straßburg zu schnuppern. Unstimmigkeiten über seine Postenvergabe Und zwar auf dem NRW-Platz von Markus Pieper aus dem Kreis Steinfurt, der in die EU-Kommission wechseln wollte. Der machte allerdings Mitte April aufgrund von Unstimmigkeiten über seine Postenvergabe einen Rückzieher und blieb im Parlament. Und Birgit Ernst infolgedessen in Werther. &bdquo;Das ganze Verfahren war ziemlich verrückt“, beschreibt sie. Die Sache habe sich unendlich lange hingezogen. Erst hieß es, sie hätte ihre erste Sitzung in Brüssel im März. &bdquo;Zum Schluss habe ich mich gefragt, ob ich das Amt für die paar Tage überhaupt noch annehmen soll.“ Am 15. April, erzählt sie, sei sie noch davon ausgegangen, am nächsten Tag nach Brüssel zu reisen. Am 16. April habe Markus Pieper dann seine Verzichtserklärung abgegeben und sei im EU-Parlament geblieben. &bdquo;Das war schon ärgerlich“, sagt die Wertheranerin rückblickend. EU-Wahl 2024: Alle Infos rund um die Europawahl finden Sie auf unserer Themenseite Birgit Ernst wochenlang auf gepackten Koffern Aus verständlichen Gründen: Denn im Grunde saß sie schon seit Wochen auf gepackten Koffern. &bdquo;Mit meinem Chef war alles abgesprochen, ich hatte mich für die verbleibenden Monate der Legislaturperiode beurlauben lassen, hatte die Kammer informiert und auch das Versorgungswerk“, schildert die Steuerberaterin, die teils mit einem eigenen Kundenstamm selbstständig ist und dazu in Teilzeit bei einer großen Bielefelder Anwaltskanzlei arbeitet. &bdquo;Für den Ausstand hatte ich sogar schon belgische Pralinen besorgt“, erzählt sie augenzwinkernd. Dass sie ihren Humor bewahrt hat, wird deutlich, als sie davon erzählt, wie sie alles wieder rückabwickeln musste. &bdquo;Sie können sich vorstellen, dass das nicht ganz so toll war. Aber wer in die Politik geht, braucht als Grundvoraussetzung ein hohes Maß an Resilienz. Man muss schon einiges aushalten können.“ In ihrem speziellen Fall hieß das, dass sie einigen Mandaten erst habe ab- und dann wieder zusagen und ihrem Chef und ihren Kolleginnen und Kollegen schließlich mitteilen müssen: &bdquo;Hallo, hier bin ich wieder.“ Sie wisse es sehr zu schätzen, sagt Birgit Ernst, dass ihr Chef dies alles mitgemacht habe. War der Aufwand umsonst? &bdquo;Abgesehen davon habe ich viel Zeit aufgewendet und mich in verschiedene Themen eingearbeitet, die aktuell auf Europaebene wichtig sind“, erzählt die Wertheranerin. Da sie nicht wusste, in welchen Ausschüssen sie eingesetzt würde, wollte sie bestmöglich vorbereitet sein. &bdquo;Natürlich verfolge ich viele Dinge in den Nachrichten. Aber um sich echtes Wissen anzueignen, muss man mehr Zeit investieren.“ Im Grunde war der ganze Aufwand am Ende umsonst. &bdquo;Naja, nicht wirklich umsonst“, relativiert Birgit Ernst: Ein Wissensgewinn sei immer wertvoll, und die Gespräche mit Jugendlichen, die sie geführt habe, seien ein echter Gewinn. &bdquo;Bei dieser Europawahl dürfen ja zum ersten Mal auch die 16- und 17-Jährigen wählen. Wollen wir hoffen, dass sie guten Gebrauch davon machen und genau überlegen, wem sie ihre Stimme geben.“ Das sagt Birgit Ernst nicht ohne Hintergedanken: &bdquo;Vor fünf Jahren haben uns in der EU tatsächlich völlig andere Themen beschäftigt als heute.“ Es sei um Klimawandel und die Migration gegangen. Heute ginge es um Krieg, Waffenlieferungen - und den Ruck nach Rechts. &bdquo;Die Weltlage hat sich völlig verändert.“ Ostwestfälisches Frühstück statt Pralinen Ihre Beinahe-Parlaments-Mitgliedschaft hat Birgit Ernst nicht an die große Glocke gehängt. &bdquo;Ich habe das so klein wie möglich gehalten“, lässt sie wissen. Statt eines Ausstands bei den Kolleginnen und Kollegen habe sie am Ende einen Einstand gegeben. Ohne belgische Pralinen, dafür mit einem ostwestfälischen Frühstück. Aber vielleicht kann die Wertheranerin bald doch noch die Pralinen hervorholen, wenn sie möglicherweise in ein anderes Amt einzieht: Seitdem klar ist, dass Landrat Sven-Georg Adenauer bei der Kommunalwahl 2025 nicht noch einmal antritt, wird heftig darüber spekuliert, wer von der CDU als Kandidat oder Kandidatin ins Rennen geschickt wird. Dass Birgit Ernst als Fraktionschefin weit vorn gehandelt wird, ist kaum verwunderlich. Angesprochen auf das Thema, hält sie sich allerdings bedeckt. &bdquo;Eine Findungskommission hat inzwischen ihre Arbeit aufgenommen, nach der Sommerpause im September wird sie ihren Vorschlag an den Kreisvorstand übermitteln.“ Danach werde es in einer Aufstellungsversammlung Klarheit geben. &bdquo;Bis dahin haben alle potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten Stillschweigen vereinbart“, kündigt Birgit Ernst an.

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