Traditions-Unternehmen aus Kreis Gütersloh in der Krise - harte Entscheidung getroffen

Versmold. Noch im vergangenen Mai gab sich Wenner-Chef Enrico Corallo im Gespräch mit dieser Redaktion optimistisch, die richtigen Maßnahmen ergriffen zu haben, das Vollpappenwerk aus der Krise zu führen. "Der Markt hat sich wieder beruhigt", so der Geschäftsführer im Frühjahr. Man sei durch verschiedene Maßnahmen um betriebsbedingte Kündigungen herumgekommen. Nun wird allerdings deutlich, dass am Sitz des rund 100 Mitarbeiter starken Unternehmens im Industriegelände wohl doch harte Einschnitte nötig waren. Zwar hatte Corallo im Mai Stellenabbau angekündigt. Dabei aber betont, dass lediglich Probezeiten nicht in eine Weiterbeschäftigung münden und frei werdende Stellen nicht wieder besetzt würden. Doch nun gingen die personellen Sparmaßnahmen offenbar doch darüber hinaus. Mindestens sechs Mitarbeitende sind nach Informationen dieser Redaktion fristgerecht entlassen worden, ohne vorher abgemahnt worden zu sein. Welche Gründe hatte das Unternehmen dafür? Darauf geht der Geschäftsführer auf Anfrage nicht detailliert ein, betont aber: "Die Beendigungen der Arbeitsverhältnisse erfolgten im Einvernehmen oder innerhalb der Probezeit." Dann schränkt Corallo allerdings doch ein. "Im Einzelfall" sei "aufgrund individueller Situation" gekündigt worden. "Anlass und Gründe sind mit den Betroffenen intensiv besprochen worden." Dass es die Notwendigkeit zum Personalabbau gibt, wird damit zwar deutlich, auf betriebsbedingte Kündigungen will Wenner aber offenbar nicht zurückgreifen. "Wenner beschäftigt aktuell 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", so Corallo. "Eine Belegschaftsgröße, mit der das Unternehmen "jahrelang sehr erfolgreich war und mit der wir auch für die Zukunft planen." Unterm Strich also kein Personalabbau - und dennoch werden zahlreiche Arbeitsverhältnisse beendet? Kündigungen direkt nach der Rückkehr aus dem Urlaub Dass mehrere Mitarbeitende ihre Kündigung direkt nach der Rückkehr aus dem Urlaub erhielten, bestreitet der im Dezember 2022 zu Wenner gekommene Manager nicht: "Ein Gespräch über die Beendigung der Beschäftigung ist nie angenehm. Wir haben uns bemüht, im Rahmen des Möglichen jeweils einen &bdquo;guten Zeitpunkt" zu finden. Die Einhaltung von Fristen ließ dies nicht in allen Fällen zu." Dass diese Vorgehensweise für Unruhe in seiner Belegschaft sorgt, mag er dennoch nicht bestätigen: "Ich bin der Überzeugung, dass die Stimmung in der Belegschaft bei Wenner gut ist. Dies wurde auch auf einem gemeinsamen Grillfest deutlich, an dem der ganz überwiegende Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilgenommen hat, und auf dem eine gelöste und lockere Stimmung herrschte. Eine kurzfristige Wiederholung ist angesichts des Sommerwetters in Planung." Dennoch werden Befürchtungen laut, dass weitere Entlassungen geplant sein könnten. Dazu trägt der Umstand bei, dass eine tariflich zugesicherte Inflationsprämie in monatlichen Raten ausbezahlt wird - und Gekündigte davon nicht in vollem Umfang profitieren würden, was Wenner Geld sparen könnte. "Wir haben uns entschieden, die Inflationsprämie in monatlichen Raten auszuzahlen, da wir dies auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für besser erachten. Selbstverständlich wollen wir die volle im Tarifvertrag vorgesehene Inflationsprämie auszahlen." Weitere Entlassungen seien nicht geplant, kommentiert Corallo. Zweifelsohne steckt das Unternehmen allerdings weiter im Umbruch. Nach Informationen dieser Redaktion wurden Abteilungsleiter wieder zurück an die Maschinen beordert, andere Vorgesetzte bekamen Aufgabenbereiche dazu, für die sie gar nicht ausgebildet sind - eben, weil nun Personal fehlt. Zugleich sollen dennoch unter Hochdruck Effizienz und Tempo gesteigert werden. "In einem dynamischen Unternehmen wie Wenner wird fortlaufend die Organisationsstruktur weiterentwickelt und gegebenenfalls Marktentwicklungen angepasst. Selbstverständlich achten wir darauf, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die konkrete Aufgabe qualifiziert und ausgebildet sind", begründet Corallo die extremen Rotationen unter seiner Regie. Chef "verwundert" über Berichte zu Verunsicherung In jedem Fall wird beim Verpackungsspezialisten aktuell weniger gearbeitet, denn die Auftragslage ist weiter mau. Mitarbeitende werden kurzfristig früher nach Hause geschickt und sind angehalten, möglichst wenig Stunden zu machen. Ein Zeitkonto wird eingeführt - in der Belegschaft gibt es Befürchtungen, dass dieses dann sofort mit den Minusstunden belastet ist und Gehälter gekürzt werden. Dem widerspricht Enrico Corallo: "Durch die Einführung von Zeitkonten steht uns aber die nötige Flexibilität zur Verfügung, um drastische Maßnahmen wie Kurzarbeit zu verhindern. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden durchgehend gleichmäßig bezahlt. Ein Einbehalt für Minusstunden ist nicht vorgesehen." Dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bei Wenner weiter schwierig sind, mag der 39-jährige Manager indes nicht verhehlen: "Auch wir spüren die allgemeine Konsumschwäche und damit auch die fehlende Nachfrage nach den Produkten, für die unsere Verpackungen benötigt werden." Vor allem die Inflation habe hierzu beigetragen. Doch "nach einer sehr herausfordernden zweiten Jahreshälfte 2022" sei es inzwischen gut gelungen, wieder in einen gut geordneten Alltag zu finden und eine positive Entwicklung aufzubauen. Abschließend geht Enrico Corallo selbst in die Offensive. Über die Analyse, dass bei Wenner Verunsicherung herrsche, sei er "etwas verwundert". Denn die Mitarbeitenden wüssten, dass Wenner ein starkes Unternehmen und Teil einer starken Unternehmensgruppe sei. Der Vollpappenhersteller gehört seit 2020 zur HZI-Gruppe aus Varel. "Die Stimmung ist gut und mit Grillfesten, Weihnachtsfest, regelmäßigen Betriebsversammlungen, guten Gesprächen und einer immer offen stehenden Tür für alle Sorgen und Anliegen werden wir weiter eine große Wenner-Familie bleiben." Allerdings dürfte Enrico Corallo in diesen Tagen vor allem als Krisenmanager gefordert sein, um diese Familie zusammenzuhalten. Dass er dabei unpopuläre Maßnahmen nicht scheut, hat der neue starke Mann im Unternehmen nun deutlich nachgewiesen.

Meistgelesen