Wenn Feuerwehrleute Hilfe brauchen, ist dieser Mann aus dem Kreis gefordert

Versmold. Manche Ereignisse sind selbst für erfahrene Helfer kaum zu ertragen. Andre Könitzer weiß, wie sich das anfühlt. Sein halbes Leben lang, seit 17 Jahren, ist er Mitglied der Versmolder Feuerwehr. Er schloss sich zudem den Mobilen Rettern an. Als er vor etwa fünf Jahren in dieser Rolle zu einem medizinischen Notfall eilt, wird er mit einem Bild konfrontiert, das ihn nicht loslässt. &bdquo;Ich war total schockiert", schildert er. Nach dem Einsatz spricht er mit den Rettungsassistenten über das Gesehene – und merkt, dass ihm das hilft. Das Smartphone-basierte Ersthelfersystem der Mobilen Retter ist damals noch recht jung. Andre Könitzer und seine Mitstreiter rufen intern eine Gruppe ins Leben, bei der es um die Nachsorge geht. Ein Bereich, der auch bei der ehrenamtlichen Feuerwehrarbeit zunehmend wichtiger wird. Um die Betreuung von Angehörigen und Beteiligten von Unfällen oder Unglücken kümmern sich die Notfallseelsorger, die über die Polizei angefordert werden. Aber auch Einsatzkräfte sollen in schwierigen Situationen nicht alleine gelassen werden. Könitzer wird zum ersten PSU-Assistenten der Versmolder Feuerwehr Mit Pfarrer Dirk Leiendecker hat die Versmolder Wehr zwar schon lange einen Fachberater Seelsorge in ihren Reihen. Doch auch Andre Könitzer entscheidet sich zur Fortbildung in Münster und wird der erste PSU-Assistent in der Versmolder Feuerwehr. PSU steht für psychosoziale Unterstützung. Inzwischen ist ein kreisweites Netzwerk entstanden, dem zurzeit zwölf Mitglieder angehören. Die Helferinnen und Helfer rücken dann aus, wenn sie von der Rettungsleitstelle angefordert werden. Bei einem Einsatzstichwort passiert das automatisch: MANV50. &bdquo;Da geht auch nach vielen Jahren in der Feuerwehr der Puls nach oben", sagt der 34-Jährige. Im &bdquo;Massenanfall von Verletzten" müssen die Rettungskräfte mit dem Schlimmsten rechnen. Vergangenes Jahr wurde dieser Alarm kreisweit einmal ausgelöst. Beim Brand einer Tennishalle in Rietberg sah es danach aus, als ob mehrere Gebäude in der Nachbarschaft, unter anderem eine Behinderteneinrichtung, evakuiert werden müssten. &bdquo;Jeder dieser Einsätze ist in seiner Art heftig" Bei anderen Einsätzen entscheidet der Einsatzleiter, ob das PSU-Team dazugeholt wird. Vier bis fünf Mal im Jahr ist dies der Fall. Als eine Woche vor Weihnachten 2019 in Steinhagen eine junge Mutter bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt, ist Andre Könitzer mit seinen Kollegen vor Ort. Mit im Auto saß die kleine Tochter des Unfallopfers; sie wird schwer verletzt. &bdquo;Jeder dieser Einsätze ist in seiner Art heftig", sagt der 34-Jährige. Unfälle oder Unglücke mit Kindern aber nehmen die Rettungskräfte besonders mit. Andre Könitzer ist selbst Vater einer kleinen Tochter; Kind Nummer zwei ist unterwegs. Solche Momente bringen noch so erfahrene Helfer an ihre Grenzen. So einfach die Feuerwehrmontur nach einem Einsatz abgelegt wird – die Bilder bleiben nicht automatisch im Spind. &bdquo;Es hilft, mit den Beteiligten darüber zu sprechen – nichts anderes machen wir", schildert Andre Könitzer die Aufgaben der PSU-Gruppe, dessen Teamleiter der Versmolder Oberbrandmeister ist. Ein reflektierendes Gespräch direkt nach dem Einsatz ist der erste Schritt. &bdquo;Damit man nicht komplett alleine mit den Bildern nach Hause fahren muss." Bei Bedarf wird das Erlebte weiter aufgearbeitet – in Einzelgesprächen oder als Gruppentreffen. Die Kreisfeuerwehren versuchen, diese Arbeit zunehmend in den Löschzügen zu verankern und gemeinsame Standards zu entwickeln. &bdquo;Früher hat jeder sein eigenes Süppchen gekocht", schildert der Versmolder. Seit vergangenem Jahr werden von dem zwölfköpfigen Team weitere PSU-Helfer ausgebildet. Ziel sei es, diese in jedem Löschzug als Antenne zu integrieren, um früh genug Probleme aufzufangen. &bdquo;Psychische Belastungen gehören zum Alltag von Einsatzkräften. Sie können zu psychischen und psychosomatischen Erkrankungen führen", heißt es dazu im Flyer. Die Arbeit basiert auf drei Säulen: Prävention, Begleitung und Nachsorge. Posttraumatische Belastungsstörungen können dienstuntauglich machen Gibt es Fälle, in denen es Kameradinnen oder Kameraden zu viel geworden ist und sie den Feuerwehrdienst quittierten? Grundsätzlich, so der 34-Jährige, könnten posttraumatische Belastungsstörungen dazu führen, dass Kollegen dienstuntauglich seien. Der eine oder andere schöbe vielleicht berufliche oder familiäre Gründe für das Ausscheiden aus der Feuerwehr vor. &bdquo;Das herauszukristallisieren, ist schwierig", sagt Andre Könitzer und vermutet eine &bdquo;größere Dunkelziffer". Ihm selbst haben die Gespräche seinerzeit geholfen, um mit den belastenden Bildern umzugehen. Der Feuerwehrdienst ist und bleibt ein wichtiger Teil im Leben des Geschäftsführers eines Heizungs- und Sanitärbetriebes. Seit Kindertagen hat ihn die Feuerwehrarbeit fasziniert – sie tut es auch heute noch. Menschen in Notsituationen zu helfen, ist dem 34-Jährigen Freude und Herausforderung zugleich. Über sein Ehrenamt sagt Andre Könitzer: &bdquo;Das Weltbild, das jeder Einzelne in seinem Kopf hat, wird extrem erweitert." Erschüttert werden konnte es bisher nicht.

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