Traditions-Hotel-Gaststätte im Kreis Gütersloh muss schließen

Verl. In dieser Woche hat Wirt Ibrahim Mutlu zum letzten Mal den Schlüssel im &bdquo;Kaunitzer Krug“ umgedreht. Die Stadt hat die Hotel-Gaststätte am Fürst-Wenzel-Platz 4 gegenüber der katholischen Pfarrkirche St. Marien gekauft. Das große Gebäude soll künftig als Flüchtlingsunterkunft und der vorderen Gaststättenbereich für Angebote der Sozialarbeit genutzt werden. Damit geht eine jahrhundertelange Ära zu Ende. Das ehemalig &bdquo;Haus Liemke“ stammt aus den Anfängen des Kirchdorfes Kaunitz. Als die Kirche St. Maria Immaculata auf Veranlassung von Graf Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg erbaut und 1748 geweiht wird, entstehen rundherum erste Ansiedlungen. Bereits im Jahr 1758 bewirtschaftet Bäcker und Wirt Schneiderwirth die zum damaligen Dorf Neu-Kaunitz gehörende Hausstelle. Das geht aus Unterlagen des städtischen Archivs in Verl hervor. Früher hatte die Adresse einen anderen Namen Die Adresse lautete lange Zeit &bdquo;Oesterwiehe 106“, das heißt, es war das 106. Haus in der ehemals politisch selbstständigen Gemeinde Österwiehe. Aufzeichnungen über die folgenden 130 Jahre gibt es nicht, sie setzen erst im Jahr 1889 wieder ein. Zu dieser Zeit übernimmt Joseph Liemke aus der Familie Meier Johannliemke die bereits bestehende Wirtschaft in der Mitte des Dorfes. Modern ausgebaute Straßen und PS-starke Autos sind noch längst nicht in Sicht. Kutschen dienen als Fortbewegungsmittel und steuern in Kaunitz vor allem zwei Richtungen an. Die Abzweigungen Fürstenstraße und Paderborner Straße tragen damals die klangvollen Bezeichnungen &bdquo;Chaussee nach Delbrück“ und &bdquo;Chaussee von Hövelhof nach Verl“. Ein neues Jahrhundert beginnt und mit ihm kommt neues Leben in den Ort. Im Jahr 1912 entsteht neben der Gastwirtschaft ein Feuerwehr-Spritzenhaus, in dem auch Gefängniszellen untergebracht werden. Manch ein Gauner hat dort seine Zeit abgesessen. Lesen Sie auch: Kult-Kneipe im Kreis Gütersloh schließt: Bekannte Wirtin wandert aus Fliegerbombe setzte das Haus in Brand Das Gasthaus als Treffpunkt des Dorfes wird im Jahr 1927 von Heinrich Liemke übernommen. Er führt die Geschäfte von Vater Joseph fort, baut für das &bdquo;Haus Liemke“ einen Saal an und richtet erstmals einen Hotelbetrieb ein. Die offensichtlich geschäftstüchtige Familie führt außerdem einen Maschinenhandel und eine Tankstelle. 1945, kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges, wird den Aktivitäten zunächst ein jähes Ende gesetzt. Eine Fliegerbombe setzt das Haus in Brand. Dass lediglich der Saaleingang wohl unversehrt bleibt, ist auf einer Gruppenaufnahme zu erkennen, die kurz nach Kriegsende entsteht. Jüdische Zwangsarbeiterinnen aus Lippstadt, die als &bdquo;Displaced Persons“ in Kaunitz einquartiert gewesen und von amerikanischen Truppen befreit worden sind, sind dort abgebildet. Vier Jahre später feiert das &bdquo;Haus Liemke“ sein 60-jähriges Bestehen. Der Wiederaufbau ist zu dieser Zeit wohl gerade erst abgeschlossen. Eiergroßmarkt im Saal Am 1. August 1949 schreibt Heinrich Liemke anlässlich des Jubiläums an seine Geschäftsfreunde. &bdquo;Schwere Jahre des schrecklichsten aller Kriege und furchtbare Nachkriegswirren liegen hinter uns. Mehr oder minder schwer sind wir alle in dieser Zeit getroffen worden. Mein Geschäftshaus brannte noch in den letzten Kriegstagen vollkommen aus. Unter schweren Anstrengungen und größten Opfern ist mir jedoch der Wiederaufbau gelungen.“ Die Zeit des Wirtschaftswunders in den 50er Jahren folgt. 1960 findet im &bdquo;Haus Liemke“ der Kreis-Feuerwehr-Verbandstag statt, im Jahr darauf im Saal des Hauses erstmals ein Eiergroßmarkt, der dem Geflügelgroßmarkt angegliedert ist. Die Märkte laufen so erfolgreich, dass überlegt wird, eine große Markthalle zu bauen. Ab 1966 kann schließlich die Ostwestfalenhalle Kaunitz für Eier- und Geflügelmärkte genutzt werden. Heinrich Liemke ist für ein ganz spezielles Getränk bekannt Im Familienbetrieb übernimmt Hans Liemke 1972 gemeinsam mit seiner Frau Elisabeth das &bdquo;Haus Liemke“ von seinen Eltern. Der alte Wirt Heinrich Liemke, bekannt für seinen urwüchsigen westfälischen Humor und sein Spezialgetränk, den &bdquo;Liemkeschen“, hat bis zuletzt die Stammkundschaft mitbedient. Er stirbt 1978 im Alter von 84 Jahren. Thomas Liemke und seine Familie bieten 1994 erneut sieben Hotelzimmer an. Nun hat die Stadt das ehemalige &bdquo;Haus Liemke“ erworben. Bereits seit einigen Jahren hatte es sich als &bdquo;Kaunitzer Krug“ im Besitz der Familie Mutlu befunden. Die Mutlus werden nur wenige hundert Meter entfernt an der Fürstenstraße 49 das renovierte Hotel &bdquo;Haus Mutlu“ weiter betreiben. Und sie bleiben weiter zuständig für die Vermietung des Saals im &bdquo;Kaunitzer Krug“.

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