31-Jährige hofft auf erlösende Operation: Krankenkasse will nicht zahlen

Verl. Juliana Rempe ist ehrgeizig. Ziemlich sogar. Ohne fremde Hilfe hat die 31-jähriger Verlerin ihr Körpergewicht in den vergangenen Jahren halbiert. Mehr als 80 Kilogramm hat sie abgenommen. Von 160 Kilogramm und Kleidergröße 54 hat sie es mit eiserner Disziplin, kompletter Ernährungsumstellung und viel Sport auf Größe 36 geschafft. Die Abnehmreise Seit 2019 kontrolliert und dokumentiert Rempe alles ganz genau. Sie wiegt alle Lebensmittel ab und trägt die Kalorien in eine entsprechende App auf ihrem Smartphone ein – jeder Bissen Paprika, jede Schüssel Quark, jedes Stück Fleisch wird notiert. Viele Monate isst die Jura-Studentin nur zweimal am Tag; mittlerweile nimmt sie drei Mahlzeiten zu sich. Snacks sind tabu. Fast 10.000 Menschen verfolgen ihre Verwandlung in den Sozialen Netzwerken. Regelmäßig veröffentlicht sie dort Vorher-Nachher-Fotos von sich, Rezepte ihrer Mahlzeiten oder die Daten ihrer Fitnessuhr. Und auch die Schattenseiten ihrer Abnehm-Reise zeigt Juliana Rempe offen und ehrlich im Netz Die Schattenseite Die Verlerin leidet mittlerweile unter extrem viel überschüssiger Haut an vielen Körperstellen. Armen, Beinen, Gesicht – doch am schlimmsten ist es am Bauch. Dort hat sich eine regelrechte Fettschürze gebildet. Außerdem wurde bei ihr eine Rektusdiastase diagnostiziert: Ihre unteren Bauchmuskeln sind aufgrund des jahrelangen Drucks durch das massive Übergewicht auseinandergerissen. &bdquo;Jeder Tag ist eine Qual für mich“, sagt die 31-Jährige ziemlich frustriert, &bdquo;es tut einfach nur weh.“ Vor allem das Sitzen schmerzt extrem. Rempe lebt deshalb seit Monaten fast ausschließlich in Sport-Klamotten; eine enge Jeans über mehrere Stunden zu tragen? Der absolute Horror. Regelmäßig ist ihre Haut am Bauch blutig aufgeschürft, dazu kommen fast tägliche Verdauungsprobleme, Blähungen und Schmerzen im unteren Rücken. &bdquo;Mein Bauch schlägt im Prinzip überall an und der Darm schlingert lose im Bauchraum rum.“ Lange hat die Verlerin versucht, das Problem mit noch mehr Sport zu lösen. Doch die Haut wurde immer schlaffer und die Schmerzen größer. Die einzige Hoffnung Im vergangenen Herbst informiert sich die Verlerin über eine Bauchstraffungs-Operation. Ein Gütersloher Chirurg erstellt ein medizinisches Gutachten. Kosten für den Eingriff: fast 12.000 Euro. Eine Summe, die Juliana Rempe als Studentin unmöglich aus eigener Tasche zahlen kann. &bdquo;Ich habe einen Antrag bei meiner Techniker Krankenkasse gestellt, weil ich vorher von Betroffenen gehört habe, dass die Kassen solche Eingriffe in vielen Fällen übernehmen“, berichtet Rempe, &bdquo;die Antwort war ernüchternd.“ Die Absage Der Antrag wird sofort abgelehnt. Die Begründung? Die Probleme seien nicht fachärztlich austherapiert und der Überschuss nicht massiv genug. Ein Schlag ins Gesicht für die junge Frau. &bdquo;Sie haben mir vorgeworfen, dass ich mit den Aufschürfungen nicht zum Hautarzt gegangen bin und mir Salben hab verschreiben lassen“, so Rempe, &bdquo;aber was soll das bitte gegen den Hautlappen helfen? Nichts!“ Juliana Rempe reicht Widerspruch ein. Wieder mit Fotos, wieder mit dem Gutachten, wieder mit ihrer ganzen Leidensgeschichte. Die Antwort der Krankenkasse: ein Termin beim Medizinischen Dienst. Wochenlang muss Rempe darauf warten. In Bielefeld wird sie dann nochmal untersucht, nochmal ausgefragt. Allerdings bislang ohne Ergebnis. &bdquo;Sie haben mir in Aussicht gestellt, dass ich vermutlich noch weitere Gutachten einholen muss – unter anderem auch ein psychologisches. Das soll beweisen, dass ich eine solche Operation psychisch verkraften kann“, berichtet Rempe noch immer geschockt. Seit mehreren Wochen wartet die Verlerin jetzt auf Post, ob und wie es überhaupt weitergeht. &bdquo;Ich verstehe die Logik nicht. Das Problem ist doch offensichtlich. Warum wird mir nicht geholfen?“ Die Begründung Die Techniker Krankenkassen verweist auf mehrfache Nachfrage der Neuen Westfälischen letztlich auf das noch ausstehende Gutachten des Medizinischen Dienstes. Andrea Hilberath, Sprecherin der Techniker Krankenkasse, Landesvertretung Nordrhein-Westfalen, erläutert aber: &bdquo;Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung haben Anspruch auf eine Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Beschwerden zu lindern.“ Nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit komme allerdings ein Krankheitswert im rechtlichen Sinne zu. Das heißt: Eine Krankheit liege nur dann vor, wenn der Versicherte in seiner Körperfunktion beeinträchtigt wird oder die anatomische Abweichung entstellend wirkt. Hilberath: &bdquo;Bei einer Bauchdeckenstraffung muss der Hautlappen den Scharmbereich und die Hüftknochen überhängen, so dass eine Funktionseinschränkung vorliegt.“ Alternativ müssten therapieresistente Hautekzeme in der Hautfalte vorliegen, die mindesten sechs Monate hautärztlich behandelt wurden. &bdquo;Eine einfache Wundcreme vom Hautarzt ist nicht ausreichend“, betont die Krankenkassen-Sprecherin, &bdquo;eine dauerhafte dermatologische Behandlung ist maßgebend.“ Lesen Sie auch: Immer mehr Gütersloher sind dick - aber warum eigentlich? Die medizinischen Voraussetzungen für die Kostenübernahme einer Operation hätten in Juliana Rempes Fall laut dem MD-Gutachten vom November 2021 nicht vorgelegen. &bdquo;Anhand der Fotos konnte keine anatomisch entstellende Abweichung bestätigt werden“, sagt Andrea Hilberath, &bdquo;auch eine funktionelle Beeinträchtigung ist im konkreten Fall nicht gegeben.“ Außerdem habe keine fachärztliche dermatologische Mitbehandlung über einen längeren Zeitraum stattgefunden. Hilberath: &bdquo;Die Begründung für die Begutachtung der körperlichen Untersuchung bei dem MD steht noch aus. Aufgrund des laufenden Widerspruchsverfahrens kann ich leider keine weitere Stellungnahme geben.“ Die Kampfansage Für Juliana Rempe heißt es jetzt also weiter: Warten! Und Hoffen. Aufgeben kommt für sie nicht in Frage. Dafür sind ihr Ehrgeiz und ihr Wille zu groß – und die Schmerzen zu stark. Egal, welche neuen Hürden kommen, sie will weiterkämpfen: &bdquo;Jetzt erst recht!“

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