Gleichstellung von Mann und Frau: Viel erreicht, aber nicht am Ziel

Verl. Es ist rund 60 Jahre her, dass die Gleichstellung von Mann und Frau gesetzlich verankert wurde. &bdquo;Männer und Frauen sind gleichberechtigt" – so steht es seit dem 1. Juli 1958 in Artikel drei des Grundgesetzes. Sechs Jahrzehnte später ist vieles Alltag, was damals undenkbar erschien. Dennoch ist die Gleichberechtigung und die Überwindung eines klassischen Rollenverständnisses von Mann und Frau mit den damals neuen Regelungen noch immer nicht erreicht worden. Wie selbstverständlich ist die Gleichstellung beider Geschlechter also in der heutigen Zeit? Wo besteht in Sachen Gleichberechtigung noch Verbesserungspotenzial? Und wie schwer ist es, sich gegen Männer zu behaupten? Die Neue Westfälische hat fünf Verlerinnen gefragt, die in verschiedenen Führungspositionen oder aber in Männerdomänen tätig sind. Elke Henkemeier, Vorsitzende SPD-Ortsverein Mit der Verankerung im Grundgesetz stand die Gleichberechtigung zunächst nur auf dem Papier. Die erste Bundesregierung unter Konrad Adenauer war nicht begeistert, mit der Gleichberechtigung Ernst zu machen. Bei einem Frauenanteil von nur 6,8 Prozent im ersten Bundestag (1949-1953) kein Wunder. Etwas, was heute für Frauen meiner Generation und die unserer Töchter als selbstverständlich gilt, als Frau ein selbstbestimmtes Leben zu führen, war für unsere Mütter und Großmütter schwierig, für einige undenkbar. Es dauerte zum Teil bis in die 1970-iger Jahre, bis einige Gesetze, über die man heute den Kopf schüttelt, aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch verschwanden. So durften Frauen ohne Erlaubnis des Ehemannes keinen Beruf ausüben oder den Führerschein machen. Die Entscheidung über den Wohnort der Familie oblag dem Mann. War eine Frau nicht einverstanden, lieferte sie einen Scheidungsgrund und verwirkte ihr Recht auf Unterhalt. Eine Frau war &bdquo;berechtigt" und &bdquo;verpflichtet" den Haushalt zu führen. Ach ja: Der Frauenanteil im Bundestag liegt aktuell bei 30,9 Prozent. Es ist noch viel zu tun. Gabriele Nitsch, CDU-Fraktionschefin Stadtrat Verl Eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Leben sowie der freie Zugang zu Bildung und Beruf – was vor Jahrzehnten noch undenkbar war, ist heute für die meisten Frauen hierzulande selbstverständlich. Insofern hat sich vieles getan. Bei all den positiven Errungenschaften muss uns bewusst sein, dass in einigen Bevölkerungsschichten noch ein Frauenbild existiert, das sehr weit von der Gleichstellung von Mann und Frau entfernt ist. Bildung und Erziehung zu eigenständig denkenden und handelnden Persönlichkeiten wird der Schlüssel sein, dieses Bild nachhaltig zu mehr Gleichberechtigung zu verändern. Wir sollten aber eines nicht vergessen – Männer und Frauen sind in vielfacher Hinsicht unterschiedlich. Es geht nicht um Gleichmacherei. Ist doch gerade die Vielfältigkeit und Heterogenität in unserer Gesellschaft das "Salz in der Suppe". Wenn wir uns auf Stärken besinnen, werden wir gemeinsam immer erfolgreicher werden. Der Anfang ist gemacht und für die heranwachsende Generation wird Gleichstellung von Mann und Frau kein Thema mehr sein. Sie werden es einfach leben. Da bin ich zuversichtlich. Carola Nüßing, Inhaberin Nüßing GmbH In Bezug auf die Gleichberechtigung von Frauen hat sich viel getan. Im Grunde kann jede Frau die gleichen beruflichen Ziele erreichen wie ein Mann. Dass es so wenig Frauen in Führungspositionen gibt, liegt sicher daran, dass Frauen oft nicht bereit sind, wegen ihrer Karriere auf Familie oder andere Lebensziele zu verzichten. Außerdem trauen sich Frauen manche Führungspositionen nicht zu, obwohl sie geeignet wären. Natürlich gibt es unter den Entscheidern auch noch eine Generation von Männern, in deren Köpfen Gleichberechtigung noch nicht stattfindet. In einigen Jahren wird das aber kein Thema mehr sein. Die Gesellschaft kann es sich aufgrund des demografischen Wandels nicht erlauben, auf gut ausgebildete Frauen in Führungspositionen zu verzichten. Außerdem haben sich die Vorstellungen von jungen Männern und Frauen in Bezug auf ihr Lebensmodell deutlich angenähert. Männer wollen heute ebenfalls mehr Zeit mit der Familie oder mit anderen Dingen verbringen, auch in diesem Bereich ist die Gleichberechtigung auf einem guten Weg. Dazu sind Frauen heute viel selbstbewusster, als sie es früher waren. Sabine Heethey, Gleichstellungsbeauftragte Stadt Verl In den Gesetzen hat sich schon viel geändert, eine tatsächliche Gleichberechtigung haben wir aber noch nicht. So sind Frauen in der Politik, im Bildungs- und Arbeitsleben und in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. In den Vorständen börsennotierter Unternehmen stehen 50 Frauen 636 Männern gegenüber. Zudem verdienen Frauen im Durchschnitt heute immer noch 21,5 Prozent weniger als Männer und sind – trotz Arbeit – daher häufiger von Armut betroffen. Die größte Herausforderung ist daher nach wie vor die Angleichung der Gehälter und Chancengleichheit auf allen Ebenen. Es wurde schon viel erreicht in den 60 Jahren, aber fertig sind wir noch lange nicht. Die Gleichstellungsbeauftragten arbeiten daher auf kommunaler Ebene intensiv daran, die Frauenbelange sichtbar zu machen. Dabei geht es uns insbesondere um folgende Themen: Älter werden, Frau und Beruf – Neue Perspektiven finden, Netzwerk W(iedereinstieg) im Kreis Gütersloh, Bildung, Familie – Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Gesundheit, Gewalt, Migration/Integration, Pflege und Trennung /Scheidung. Alina Sander, Löschzug Verl Ich denke nicht, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau heute eine Selbstverständlichkeit ist. Wer als Frau gleichberechtigt behandelt werden möchte, sollte sich dafür einsetzen – auch, wenn das vielleicht nicht mehr ganz so sehr nötig ist, wie es das noch vor einigen Jahren war. So halten wir das auch bei uns, bei der freiwilligen Feuerwehr in Verl. Nur wenige Männer sehen eine Frau heutzutage noch als das schwache Geschlecht an. Besonders fällt mir dies nur noch bei der älteren Generation auf – aber genau dieser gilt es zu zeigen, dass das nicht so sein muss. Wir sind nicht schwach. Wir als Frauen müssen dieser Generation vermitteln, dass wir stets etwas leisten können und auch durchaus dazu in der Lage sind, Aufgaben zu erfüllen, die als typische Männeraufgaben zählen. Und mit genau dieser Umsetzung verschafft man sich als Frau Respekt und wird in der Folge behandelt wie alle anderen auch. Auf diese Weise ist es auch möglich sich gegen Männer durchzusetzen und einen Führungsposition zu erlangen. Das gilt bei der Feuerwehr genau so, wie in anderen Jobs oder Aufgabengebieten auch.

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