
Schloß Holte-Stukenbrock. Die Siegerurkunde hat John Wishart, der seit Januar im lila Sternchen-Trikot von Schwarz-Weiß Sende läuft, mitgebracht. Erster Platz bei der Westdeutschen Langstreckenmeisterschaft in der Seniorenklasse M 70 über 10.000 Meter. Nicht nur die Zeit von 43 Minuten und 46 Sekunden erstaunt. Dass der gebürtige Schotte überhaupt wieder erfolgreich laufen kann, hat er Arnold Ackermann zu verdanken.
25 Jahre hat John Wishart beim britischen Militär gedient, "19 Jahre davon in Deutschland". Während dieser Zeit hat er die Leidenschaft für das Laufen entdeckt. "Bei sämtlichen anderen Sportarten waren die anderen besser", räumt der 69-Jährige freimütig ein. Mit typisch schottischem Humor erzählt Wishart, wie er schließlich mit 50 anderen durch den Schlamm gerannt und irgendwie, "wie, weiß ich auch nicht", unter den ersten 20 und damit in der Chepstow-Mannschaft von Wales gelandet ist.
In den frühen 60er Jahren war das. Wishart blieb dabei, betrieb drei Jahre lang Crosslauf, und zwar "abgeschottet von der Welt". Eben weil Vergleichsmöglichkeiten fehlten, "wusste ich gar nicht, dass ich gut war". Eine Meile (1.609 Meter) in 4,10 Minuten lief er mit 17 Jahren. "Das ist sehr sehr gut, aber es war mir eben nicht bewusst."
Deshalb verfolgte er den Sport zunächst nicht weiter, als er 1962 nach Deutschland kam, "weil dort Panzermechaniker gebraucht wurden". Detmold, Libyen, British Honduras – an immer wieder neue Standorte wurde Wishart versetzt, und er wäre nicht Schotte, wenn er nicht verstanden hätte, das Leben zu genießen. "Jedes Essen war ein Event, und es gab sonst nicht viel zu tun."
Irgendwann hatte er 86 Kilo, verteilt auf 168 Zentimeter Körpergröße, auf den Rippen. "Das sah gar nicht gut aus." Wishart kann sich noch an den konkreten Anstoß erinnern, seinen Speckrollen zuleibe zu rücken. Als ein Kunde wissen wollte, wer denn hier der Chef sei und ein Mitarbeiter antwortete, "Der kleine dicke grauhaarige Schotte mit der Brille", da habe es geklingelt. "Da habe ich gewusst, du musst was tun."
Wishart fing an zu joggen, erst einmal, dann dreimal am Tag, jeden Tag 15 Kilometer. Der Ehrgeiz war geweckt, und zwar ein bisschen zu sehr. "Als ich nach Hause kam, hatte ich nur noch 60 Kilo. Meine Frau dachte, ich hätte die Dschungel-Krankheit." Wishart lenkte ein und entdeckte schließlich den Volkslauf für sich. "Ich habe damals jeden mitgemacht." Und immer gehörte er zu den Schnellsten.
"Als mich jemand überreden wollte, am Hermannslauf teilzunehmen, habe ich gedacht, das ist nicht mein Ding." War es doch. Nach zwei Stunden und drei Minuten kam Wishart Ende der 70er Jahre ins Ziel. 1980 startete er beim ersten Bielefelder Marathon. Obwohl er während des Trainings dehydrierte. "Ich hatte ja gezahlt und ich bin Schotte."
Beim Frankfurt-Marathon blieb er erstmals unter drei Stunden. "Ich konnte aber nicht verstehen, wieso nur so knapp." Irgendwann spielte der Rücken nicht mehr mit. "In den vergangenen zwei Jahren hatte ich arge Probleme." Diagnose: Piriformis-Syndrom (Kompression des Ischiasnervs).
Wishart klapperte Ärzte ab, "nichts hat geholfen". Die rettende Idee kam von seiner zweiten Frau, die er im vergangenen November geheiratet hat. "Wahrscheinlich der erste im Dorf, der das im Schottenrock getan hat." Ulla habe gesagt: "Geh doch mal zu Arnie." Im Vip-Sportstudio fand er mit Arnold Ackermann den richtigen Trainer und das richtige Gerät, die sogenannte Po-Maschine. "Wir haben in Ostwestfalen die einzige Reha-Beinpresse, mit der trainiert werden kann, ohne die Wirbelsäule zu belasten", bestätigt der Chef. Im Mai 2012 begann John Wishart mit dem Training. Am 21. April hat er die Westdeutsche Langstreckenmeisterschaft in der Altersklasse Senioren M 70 gewonnen. Im Juni wird er 70 und ist immer noch topfit.