Die Tausendjährige Eiche kränkelt – aber sie lebt

Schloß Holte-Stukenbrock. Unter den Blättern der Tausendjährigen Eiche im Holter Wald ist im Lauf der Zeit schon so manches geschehen. Liebespaare haben sich in inniger Umarmung den ersten Kuss geschenkt, lange Partynächte wurden gefeiert, im hohlen Stamm wurde sogar Skat gekloppt. Einst war die Eiche ein beliebter Treffpunkt, heute kommen immer noch Menschen, um den uralten Baum zu umarmen, obwohl das bei einem Umfang von etwa acht Metern nicht komplett gelingen wird. Wer die Tausendjährige Eiche umarmt, so heißt es im Volksmund, soll bis ins hohe Alter bei klarem Verstand bleiben. Jetzt scheint es der Eiche im Holter Wald, der schon seit Jahren das bevorstehende Ende nachgesagt wird, schlechter zu gehen. Günter Potthoff will das bei einem seiner Inspektionsspaziergänge festgestellt haben. Potthoff ist Heimatforscher und ehrenamtlicher Naturschutzwächter (auch Landschaftswächter genannt). Als solcher beobachtet er Veränderungen in Natur und Landschaft und informiert gegebenenfalls die zuständige Behörde. Er hat ein großes Stück Bastgewebe gefunden, das sich vom oberen Stamm gelöst hat. An der Westseite sei alles runter, dort weise die Eiche auch starken Pilzbefall auf. Das unter der harten Borke liegende Bastgewebe ist für den Baum lebenswichtig, weil es in Wasser gelöste Nährstoffe von der Wurzel in die Krone leitet. Potthoff stellt sich die Frage, wie lebensfähig die Tausendjährige Eiche überhaupt noch ist. Das fragte er auch schon 2009 in seinem Heimatbuch &bdquo;Aus der Geschichte der Domäne Holte“. Darin geht er auch auf die Historie des Baumes – soweit bekannt – ein. Lange vor 1900 wurde der Baum bereits &bdquo;Tausendjährige Eiche“ genannt. In den Tagen vor Pollhans hätten traditionell einst Zigeuner darunter genächtigt und Feuer entzündet. Fahrradtouren durch den Holter Wald führten besonders am 1. Mai zur Eiche. Hohl sei die Eiche bereits um 1850 gewesen, 1926 bemühte sich der Landrat a. D. Woldemar Tenge-Rietberg, den Baum unter Schutz stellen zu lassen. Ein Jahr später wurden die Hohlräume allerdings mit Zement und Schlackensteinen ausgemauert, die Krone wurdemit einem Eisengestänge gestützt. Die Ausmauerung wurde erst 1986/87 wieder entfernt. 1937 wurde der Baum ein Naturdenkmal, wahrscheinlich in Folge des 1935 erlassenen Reichsnaturschutzgesetzes. Als Naturdenkmal hat der heutige Eigentümer Carl Philipp Tenge-Rietberg weiterhin die sogenannte Verkehrssicherungspflicht, für die Pflege ist aber der Kreis Gütersloh als untere Landschaftsbehörde zuständig. In Kürze soll es ein Treffen vor Ort geben, um sich den Baum anzusehen und über weitere Maßnahmen zu entscheiden. Verlust für die Stadt &bdquo;Der Tod der Tausendjährigen Eiche wäre ein Verlust für die Stadt“, sagt Umweltamtsleiter Manfred Bonensteffen. Eine Eiche – wenn auch nicht die Tausendjährige – ziert das Stadtwappen und symbolisiert die Bedeutung des Waldes für die Stadt. Das hölzerne Wahrzeichen wird auch touristisch vermarktet. Einst stand die Eiche direkt an zwei Wanderwegen, die sind aber verlegt worden. Ein kleines Schild weist bislang vom Wanderweg &bdquo;Schlossweg“, zu erkennen an den drei Schlosstürmen, von der Verler Landstraße als Abstecher zum Naturdenkmal. Die Information soll noch verbessert werden, sagt Imke Heidotting vom Stadtmarketing. Oberhalb des Bastverlustes kann der Baum nicht mehr mit Nährstoffen versorgt werden, bestätigt Hans-Martin Bröskamp von der unteren Landschaftsbehörde. Mindestens zweimal jährlich kontrolliert er den Zustand der Eiche. &bdquo;Den Baum totzuschreiben wäre verfrüht“, sagt er. Die Eiche werde bestimmt noch einige Jahre leben; sie stecke ihre ganze Kraft nun in die Seitenäste, dort grüne sie auch immer wieder aufs Neue. Bröskamp sieht das grundsätzliche Problem im ausgehöhlten Stamm. Vor einigen Jahren wurde die Krone gestutzt, um das Gewicht zu reduzieren. Über weitere Einkürzungen sei wegen der Verkehrssicherheit auch nachgedacht worden. Wenn aber nur noch der Torso stehenbliebe, wäre es kein richtiges Naturdenkmal mehr, findet Bröskamp. Geeignete Maßnahmen werden beim Ortstermin beraten. Fest steht, dass das Pilzwachstum nicht eingedämmt werden kann. Die mikroskopisch kleinen Sporen der verschiedenen Pilzarten könnten auch mit Vernichtungsmitteln nicht beseitigt werden. Pilze und grüne Algen wachsen, weil der Baum – vermutlich auch wegen der Nähe zum Ölbach – nicht richtig trocken werde. Und falls die Tausendjährige Eiche doch irgendwann stirbt, ist die Nachfolge bereits geregelt. Zum 400-jährigen Bestehen des Schlosses wurde eine neue Eiche gepflanzt.

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