
Schloß Holte-Stukenbrock. Karaoke war gestern – heute ist Rudelsingen angesagt. Auch im Dorf, wo am Sonntag knapp 200 Menschen im Garten der Ems-Erlebniswelt fröhlich deutsche und englische Lieder schmetterten.
Eine Gute-Laune-Atmosphäre lockt schon zu Beginn. Pünktlich ist die Sonne hinter den Wolken hervorgekommen. Immer mehr Menschen mit Freude am Singen treffen ein, jung und älter, mit Erfahrungen im „Rudelsingen“ und ohne. „Wir wollen einfach Spaß haben“ und „Singen macht Spaß, aber Chor ist mir zu verpflichtend“ ist zu hören. „Das soll ja nicht schön klingen, Hauptsache laut“, sagt Sanja Lorenz grinsend.
Entertainer Tobias Sudhoff aus Münster tut alles, um die Hemmschwelle zu senken. Zum Aufwärmen gibt es den Boney-M-Song „Brown Girl in the Ring“, und das Publikum muss nur den Refrain „Tra la la la la“ mitsingen. Schon ist das Eis gebrochen, und weiter geht es mit „Yesterday“ von den Beatles – diesmal sind alle aufgefordert, das gesamte Lied zu singen.
Der Text wird auf die Leinwand an der Bühne projiziert, und da das aufgrund der Sonne schlecht zu lesen ist, gibt es auch Textbücher – die Melodien kennt sowieso jeder. Das ist auch bei den rund zwei Dutzend anderen Liedern so, die in den nächsten beiden Stunden angestimmt werden – von immer mehr Menschen, denn es kommen ständig welche hinzu: Familien und Paare, Singles und Senioren, sie alle singen bei Liedern wie dem „Flieger, grüß mir die Sonne“, „Que sera“ oder „Ich war noch niemals in New York“ lauthals mit. Sudhoff ist auch Kabarettist. Er erzählt zur Überleitung kleine Witze und Geschichten und tut alles, um den „westfälischen Enthusiasmus“ noch mehr anzuheizen und aus „Stukenbrock-Holte-Senne-Schloß“ die „nördlichste Stadt Brasiliens“ zu machen.
Besonders bei den Frauen, die Steh- statt Sitzplätze haben, klappt das gut: Sie klatschen, rocken mit, tanzen und lachen. „Im Stehen ist man lockerer und singt auch freier“, hatte anfangs auch schon Initiatorin Anja Martin vom Kulturamt erklärt und angekündigt, die Bänke komplett verschwinden zu lassen. Doch so bleibt es ein Mix aus Sitzenden und Stehenden und fast alle haben ihren Spaß bei Ohrwürmern, wie „Highway to hell“, „Skandal um Rosi“ oder „Über sieben Brücken“. So mancher brummt dabei eher skeptisch am Bierstand mit, etliche Kinder spielen mit Wasser und Sand an der Matschanlage, ein paar Senioren sitzen abseits auf Bänken.
„Er muss sich hier draußen ganz schön anstrengen, dass er die Leute kriegt“, sagt Karin Strothmann, die schon öfter in der „Neuen Schmiede“ in Bielefeld-Bethel beim Rudelsingen war. „Dort treffen wir uns in der Kneipe. Drinnen kommt schneller Stimmung auf als draußen.“ Doch habe diese Open-Air-Veranstaltung an diesem wunderschönen Spätsommerabend auch ihren besonderen Zauber.
Am Ende jubeln, klatschen und pfeifen fast alle, und es könnte eigentlich ruhig noch weitergehen mit dem gemeinsamen Singen im Freien.