„Kinder sind begeistert“: Schule im Kreis Gütersloh startet innovatives Pilotprojekt

Rietberg. Sport als Hauptfach, sechs Unterrichtsstunden pro Woche. Was für manche wie ein Albtraum und für andere wie eine Wunschvorstellung klingt, ist an einer Gesamtschule im Kreis Gütersloh seit Sommer Realität. Schon 2019 haben sich Jan Martin und Daniel Jürgens, Sportlehrer an der Richard-von-Weizsäcker-Gesamtschule in Rietberg, ein besonderes Konzept überlegt, um den Sportunterricht an ihrer Schule zu revolutionieren. Neben den drei regulären Unterrichtsstunden im Fach Sport wollen sie weitere drei Stunden einführen, für Interessierte, die Sport als Wahlpflichtfach ab der siebten Klasse wählen wollen. Das NRW-Ministerium für Schule und Bildung in Düsseldorf lehnt die Idee allerdings ab, weil das ganze &bdquo;schulrechtlich nicht verankerbar“ sei, wie der 43-jährige Initiator Martin erklärt. Im Januar 2025 wagen die beiden motivierten Sportlehrer dann einen zweiten Vorstoß, denn sie sind überzeugt vom Konzept für ihre Schule. Nachdem sie den Antrag gestellt haben, präsentieren sie im April auf der Schulentwicklungskonferenz die Idee. Ihr Wunsch: Sie wollen ein vierjähriges Pilotprojekt an der eigenen Schule starten. Doch es kommt noch besser. NRW-Bildungsministerin Dorothee Feller erklärt das Konzept zum landesweiten Pilotprojekt für Gesamtschulen. Lesen Sie auch: Gütersloher Schulleiterin stellt emotionale Forderung: &bdquo;Darf nicht noch mal passieren“ Rietberger Modell dient in NRW als Vorbild &bdquo;Konkret bedeutet das: Wenn eine Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen Sport als Wahlpflichtfach einführen will, muss sie dafür das Rietberger Modell wählen“, erklärt Martin. Sieben weitere Gesamtschulen im Regierungsbezirk Detmold setzen schon auf das Konzept, mit der Gesamtschule Halle ist auch eine Schule im Kreis Gütersloh dabei. &bdquo;Und fast wöchentlich informieren sich weitere Schulen bei uns und wollen mehr über das Konzept erfahren“, sagt der 42-jährige Daniel Jürgens. Wo Schüler andernorts in der siebten Klasse nur zwischen einer neuen Sprache oder einer zusätzlichen Naturwissenschaft wählen können, hält die Rietberger Gesamtschule seit Sommer weitere Optionen bereit. &bdquo;Bei uns haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, neben Spanisch auch Naturwissenschaften, ’Wirtschaft und Arbeitswelt’ sowie ’Darstellen und Gestalten’ zu wählen. Und seit Beginn des Schuljahres gibt es neben dem regulären Sportunterricht für Interessierte noch das Wahlpflichtfach Sport mit drei separaten Sportstunden pro Woche“, erklärt Schulleiter Burkhard Ernst. Im Sommer sind aufgrund der hohen Nachfrage zwei Kurse mit knapp 40 Schülerinnen und Schülern zustande gekommen. &bdquo;Uns ist wichtig, dass wir mit unserem Angebot alle Schülerinnen und Schüler abholen. Sowohl die Kreativen, als auch die sprachlich oder naturwissenschaftlich Interessierten, aber eben auch die Kinder, die Spaß an Bewegung haben“, sagt Daniel Jürgens. So könnten die Kinder ihren individuellen Weg finden und auf eigene Präferenzen setzen. &bdquo;So erkennen viel mehr Kinder, welche Stärken sie besitzen. Diese Erfolgserlebnisse motivieren zusätzlich für den weiteren Bildungsweg“, sagt Burkhard Ernst. Große Begeisterung bei der Verkündung Und wie kommt das seit Beginn des Schuljahres laufende Projekt bisher an? &bdquo;Die Kinder sind begeistert“, weiß Jürgens. Schon bei der Verkündung der Neuigkeit in der Aula der Gesamtschule hatte der zusätzliche Sportunterricht für Jubelstürme bei den Kindern gesorgt. &bdquo;Das passiert sonst nicht, wenn wir ein neues Fach ankündigen“, sagt Jan Martin lachend. Auch wenn aktuell nur die Siebtklässler, die im Sommer ihr Wahlpflichtfach wählen mussten, vom neuen Konzept profitieren, sei die gesamte Schule stolz darauf, am Pilotprojekt teilzunehmen. Die jetzigen Fünft- und Sechstklässler blicken laut Martin schon jetzt voller Vorfreude auf ihre künftige Wahlentscheidung. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Richard-von-Weizsäcker-Gesamtschule Rietberg (@rvw_gesamtschule_rietberg) Sowohl Martin als auch Jürgens sind sehr zufrieden damit, wie das sportliche Projekt bisher läuft. Sie sind sich einig, dass die Wichtigkeit des Sportunterrichts im Schulkontext gar nicht hoch genug angesiedelt werden kann. &bdquo;Sport schafft es, Barrieren aufzuheben. Auch Schülerinnen und Schüler, die die Sprache noch nicht perfekt beherrschen, können sich hier super einbringen. Sport verbindet, ohne viele Worte“, sagt Martin. Beide Sportlehrer betonen, dass sich der zusätzliche Sportunterricht vom normalen Kernunterricht abhebt. Neben Praxisstunden gibt es dort auch Theorieunterricht. Aktuell steht Leichtathletik auf dem Lehrplan der Rietberger Schule. Im Theorieunterricht schauen Martin und Jürgens auf die Olympischen Spiele im Vergleich zwischen Antike und Moderne. &bdquo;Und in der Praxis setzen wir das vermittelte Wissen um, aktuell zum Beispiel im Hochsprung“, sagt Jürgens. Lesen Sie auch: 50 Jahre Michaelisschule Gütersloh: So besonders ist diese Förderschule Sportlehrer haben einen Wunsch für die Zukunft Die Schülerinnen und Schüler lernen dort die verschiedenen Sprungarten im Laufe der Zeit kennen. Vom Hocksprung über den Scherensprung bis hin zum heute gängigen &bdquo;Fosbury-Flop“. &bdquo;Beim Ausprobieren merken die Kinder schnell, wie sie größere Erfolge erzielen können, wenn sie ihre Technik anpassen. So wie das die Profisportler auch getan haben“, erklärt der 42-Jährige. Besonders ein Zitat ist Jan Martin zuletzt im Kopf geblieben: &bdquo;Ein Schüler hat zu mir gesagt, es sei ihm komplett egal, ob Theorie- oder Praxisunterricht auf dem Plan steht, er freue sich über beides“, so Martin. Aussagen wie diese bestärken die beiden Sportlehrer, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Um die Schülerinnen und Schüler auf die Zukunft vorzubereiten, organisieren sie regelmäßig besondere Veranstaltungen zur Berufsorientierung. Zuletzt war der Ex-Arminia-Torwart Dennis Eilhoff an der Schule und hat von seiner Arbeit als Polizist erzählt, demnächst sind Exkursionen zu Borussia Dortmund und ins Winterberger Skigebiet geplant. Auf die Frage nach einem Wunsch für die Zukunft haben Martin und Jürgens schnell eine Antwort. Sie wünschen sich einen höheren Anteil an Schülerinnen in den Sport-Wahlpflichtkursen. &bdquo;Es sind schon einige Mädels dabei, die alle extrem leistungsstark sind. Aber bei der Anzahl der Teilnehmerinnen ist noch Luft nach oben“, sagt Martin und hofft, dass sich in den kommenden Jahren noch mehr Schülerinnen den Zusatz-Sportunterricht vorstellen können.

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