Anwohner im Kreis Gütersloh kämpfen gegen neue Ansiedlung eines Unternehmens

Rietberg. Rietbergs Politiker müssen sich in diesem Jahr um mangelnde Sommerlektüre nicht sorgen. Die ist ihnen bereits im April in Form eines 901-Seiten-starken Konvoluts zugegangen. Dieses fasst die Stellungnahmen der Bürger und übergeordneter Behörden zur geplanten Erweiterung des Gewerbegebiets Bokeler Straße inklusive des Recyclingbetriebs der Firma Hermann Kathöfer zusammen. Das Gebiet soll auf einer 126.000 Quadratmeter großen und zwischen Bokeler Straße, B64 und Rottwiese gelegenen Fläche entstehen und ist für Gewerbe und landwirtschaftliche Nutzung vorgesehen. Zu lesen ist in der umfangreichen Darstellung, dass die Bürger immer wieder Punkte ansprächen, &bdquo;die Planungsziele und zentrale Planungsaspekte betreffen, wie z. B. Standortdiskussion, Verkehr, Immissionsschutz, Brandgefahr, Natur und Landschaft etc.“ Insgesamt sind 418 Stellungnahmen eingegangen Vonseiten der Behörden seien hingegen vergleichsweise wenige Stellungnahmen &bdquo;mit inhaltlich relevanten Aspekten“ abgegeben worden. So warten noch einige Genehmigungsbehörden auf Gutachten und andere Unterlagen, um über das Vorhaben entscheiden zu können. Insgesamt sind 418 Stellungnahmen eingegangen: 53 zur 123. Änderung des Flächennutzungsplanes sowie 365 zum Bebauungsplan Nr. 289.1 &bdquo;GE Bokeler Straße – Erweiterung“, teilweise &bdquo;mit umfangreicher Kritik“. Die Einwendungen wurden vor ihrer Veröffentlichung von der Verwaltung nach Themengebieten geclustert und mit Kommentaren versehen. Die Beteiligung der Öffentlichkeit fand bereits vor fast zwei Jahren statt, vom 14. August bis 15. September 2023. Seitdem haben sich einige Dinge geändert. So hatte die Firma Kathöfer Anfang dieses Jahres bekannt gegeben, auf eine dritte Betriebseinheit für Bauschutt-Recycling mit Steinbrecheranlage auf einer Fläche von 13.000 Quadratmetern zu verzichten. Die Betriebseinheiten &bdquo;gewerblicher Recyclinghof“ (rund 15.000 Quadratmeter) und &bdquo;privater Recyclinghof“ (rund 2.000 Quadratmeter) bleiben in der Planung erhalten. IG ist nicht gegen ein Gewerbegebiet an dieser Stelle Das wiederum sorgt bei der Interessengemeinschaft Rottwiese für Widerspruch. Die Gruppe, die sich kurz nach Bekanntwerden der Ansiedlungspläne eines Recyclingbetriebs im Mai 2023 gegründet hat, ist nicht gegen ein Gewerbegebiet an dieser Stelle, wie Sprecher Daniel Hemkentokrax während eines Pressegesprächs mehrfach betont. Die rund 200 Mitglieder starke IG ist allerdings auch nach Wegfall der Bauschutt-Einheit gegen die generelle Ansiedlung eines Recyclingunternehmens auf dieser Fläche. Auch nach Verzicht auf die Brecheranlage sei der Betrieb &bdquo;emissionsintensiv und nicht gebietstypisch für ein allgemeines Gewerbegebiet. Der Betrieb entspricht eher einem Industriegebiet. Diese Atypik könnte aus rechtlicher Sicht zur Unzulässigkeit im Gewerbegebiet führen. Die Gruppe hat sämtliche 417 Einwendungen und die Kommentare der Verwaltung dazu ausgewertet und auf 15 Seiten dargestellt. Mit ihrem Papier will die IG Rottwiese eine komprimierte Darstellung ihrer Sicht der Dinge geben, für ehrenamtliche Lokalpolitiker ebenso geeignet wie für die interessierte Bevölkerung. Das sind die Forderungen an die Stadt und die Politik Daher ist das Schreiben bereits in der vergangenen Woche an die Verwaltung und die Ratsfraktionen geschickt worden. Lediglich die SPD habe bisher darauf reagiert und versichert, die Informationen in der Fraktion zu besprechen. Die Forderung der IG ist klar: Die Politik soll ihren Beschluss aufheben, einen Recyclinghof ansiedeln zu wollen. Der Bebauungsplan soll Nr. 289.1 &bdquo;unter Ausschluss stark emissionsintensiver Nutzung wie Recyclinghof“ überarbeitet werden und sich den Bebauungsplan Nr. 289, der das gegenüberliegende Gewerbegebiet betrifft, zum Vorbild nehmen. Zudem sollte die Stadt transparent machen, dass nach einem Alternativstandort für den Recyclingbetrieb gesucht werde. Zuletzt wird die Einbeziehung der Bezirksregierung Detmold als zuständige Aufsichtsbehörde für Abfall- und Immissionsschutzanlagen gefordert. Ungeziefer oder die Zunahme des Verkehrs seien nicht gewürdigt worden Ein Problem sieht die IG darin, dass die Verwaltung das Gewerbegebiet als ergebnisoffene &bdquo;Angebotsplanung“ durchführt, die Politik aber bereits im Vorfeld dem Unternehmen Kathöfer einen Teil des Gewerbegebiets unter Vorbehalt zugesagt habe. Lesen Sie auch: Überraschend vorzeitiges Ende im Kreis Gütersloh: Recyclinghof schließt Auch in Details erkennt die IG blinde Flecken in der Darstellung der Verwaltung. Punkte wie Ungeziefer würden kaum oder lapidar abgehandelt. Auch die Auswirkungen auf die Verkehrssituation durch die zu erwartende Zunahme des Schwerlastverkehrs sei nicht genügend gewürdigt worden. Die Nähe zum Kindergarten macht ebenso viel Sorge wie die Tatsache, dass die Jerusalemer Straße, die zum Bibeldorf führt, nicht einmal einen Bürgersteig hat. Dass die Verwaltung dabei von einem &bdquo;attraktiven Anschluss“ spreche, entbehre jeder Realität. Befürchtung vor negativen Auswirkungen auf den Tourismus &bdquo;An der Einmündung Bokeler Straße kommt es immer wieder zu Unfällen, vor allem mit dem Motorrad. Die Situation könnte sich in allen Bereichen durch mehr Schwerlastverkehr verschärfen“, gibt Daniel Hemkentokrax zu bedenken. &bdquo;Durch die geplante Verlängerung der Straße Rottwiese werden die lärmintensivsten Straßen (B64 und Lange Straße in Neuenkirchen) im Stadtgebiet verbunden“, stellt die IG fest und moniert, &bdquo;warum eine schalltechnische Untersuchung des Verkehrslärms nicht für nötig erachtet wird“. Überhaupt widerspreche die Nähe zur Wohnbebauung und touristischen Zielen wie dem Bibeldorf und dem Emsradweg dem Erholungscharakter der Stadt. Die IG befürchtet daher auch negative Auswirkungen auf den Tourismus. Auch dass die Verwaltung einen Recyclingbetrieb als &bdquo;wohnverträgliches Gewerbe“ einstufe, sorgt für Verwunderung. Denn immerhin müsse ein solcher Betrieb aufgrund seiner die Allgemeinheit belästigenden Emissionen eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) vorweisen. Der Kreis Gütersloh habe zudem als Genehmigungsbehörde bemängelt, dass Staub-, Geruchs- und Erschütterungsprognosen fehlten. Gefahr von Bränden sei nicht zu unterschätzen, heißt es von der IG Nicht zuletzt sei auch die Gefahr von Bränden nicht zu unterschätzen. Täglich gebe laut Branchenangaben rund 30 Brände an Entsorgungs- und Recyclinghöfen in Deutschland. Viele Versicherer würden den Betrieb eines Recyclinghofs deshalb nur sehr eingeschränkt oder gar nicht mehr versichern. &bdquo;Wer kommt dann aber für die Beseitigung eines Schadens auf, wenn der Betreiber aufgrund eines Brandes insolvent wird und es keine Rückbauversicherung gibt“, fragt sich Daniel Hemnkentokrax. &bdquo;Der Steuerzahler“, liefert er die Antwort hinterher. Lesen Sie auch: Ärger um Recyclinghof im Kreis Gütersloh: Kritik an Terminvergabe Am Ende ihres Papiers führt die IG Rottwiese auch einige juristische Betrachtungen und entsprechende Urteile an. Zum Beispiel könne das Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung dazu führen, dass ein Bebauungsplan unwirksam wird. Für das Gewerbegebiet steht eine solche Prüfung noch aus. Laut Stadtsprecherin Nina Ackfeld erstellt die Stadt zurzeit einen Umwelt- und Artenschutzbericht und aktualisiere auch das Schallgutachten. Thema steht im Fachausschuss wieder auf dem Programm Auch ein genehmigungsbedürftiger Schrottplatz in einem Gewerbegebiet könne durchaus unzulässig sein, wenn er aufgrund seiner Emissionen und Betriebsweise als atypisch anzusehen ist. Die Genehmigung nach dem BImSChG entbinde nicht von der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit, hatte das Bayerische Verwaltungsgericht München in einem Urteil über einen Schrottplatz geurteilt. Wie geht es nun weiter? Im Ausschuss für Stadtentwicklung und Planung (ASP) steht das Thema am 24. Juni wieder auf dem Programm. Dort könnte nach Vorschlag der Verwaltung ein Offenlegungsbeschluss erfolgen. Dadurch erhalten Bürger noch einmal die Möglichkeit, Einblicke in die Planung zu nehmen, vermutlich aber erst im September/Oktober, wie Nina Ackfeld mitteilt. &bdquo;Dann wird weiter entschieden, entweder final oder mit einer erneuten Offenlage. Das gesamte Planverfahren geht seinen gewohnten Gang.“ &bdquo;Wollen ein klares Statement von den Fraktionen“ Ackfeld betont auch, dass die Politik schon beschlossen habe, dass der Plan, ein Gewerbegebiet anzusiedeln, weiter verfolgt wird. &bdquo;Der Rat hat in seiner Sitzung am 20. Februar 2025, nach einer intensiven Diskussion mehrheitlich beschlossen, die beiden Planverfahren (123. Änderung des Flächennutzungsplanes und Bebauungsplan Nr. 289.1 GE Bokeler Straße-Erweiterung I) fortzusetzen und keine Aufstellungsbeschlüsse aufzuheben.“ Das aber erhofft die IG Rottwiese nun von der Politik. &bdquo;Wir wollen ein klares Statement von den Fraktionen, ob sie für oder gegen die Ansiedlung des Recyclingsbetriebs an dieser Stelle sind“, sagt Daniel Hemkentokrax. Und das am besten noch vor der Bürgermeisterwahl am 14. September.

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