Prozess um Zirkus-Streit im Kreis Gütersloh: Entlassene Schöffin sorgt für Mehrkosten

Bielefeld/Rheda-Wiedenbrück. Am 6. September platzte vor dem Bielefelder Landgericht nach fünf Verhandlungstagen der Prozess gegen den Chef des kleinen Zirkus' Lollipop, seine Lebensgefährtin und zwei Verwandte des Hauptangeklagten. Der Zirkuschef sitzt seit der Tat am 19. Februar in Untersuchungshaft. Vorgeworfen wird dem Quartett, ein ukrainisches Ehepaar unter anderem mit einem Baseball-Schläger attackiert zu haben. Dabei wurde der Mann lebensgefährlich verletzt. Seine Ehefrau erlitt schwere Verletzungen. Noch heute leiden beide massiv unter den körperlichen Angriffen. Die vier Angeklagten müssen sich wegen Mordversuchs und schwerer Körperverletzung vor dem Landgericht verantworten. Der Prozess endete indes unerwartet, da mit der Abberufung einer Schöffin die Kammer nicht mehr komplett besetzt war. Es sind zwei Schöffen für diese Verhandlung erforderlich. Vorangegangen war ein schriftlicher Beschwerdebrief der Schöffin Sonja von Zons an die Tageszeitung &bdquo;Die Glocke“, in dem sie sich über deren Berichterstattung mokierte und gleichzeitig sinngemäß ihre Meinung über den Tatablauf äußerte. Zu diesem Zeitpunkt war die Beweisaufnahme vor dem Landgericht jedoch noch nicht abgeschlossen. Rund 500 Euro pro Tag und Strafverteidiger Davon bekamen die Strafverteidiger der vier Angeklagten Wind. Sie stellten einen Antrag auf Befangenheit der Schöffin. Ihre innere Haltung störe die Unparteilichkeit. Die Verletzungen der Opfer und deren Ursache seien noch nicht beweissicher festgestellt. Zudem habe die Schöffin Voreingenommenheit und Parteilichkeit mit ihren schriftlichen Äußerungen gezeigt. Nach längerer Beratung entließ der Vorsitzende Richter Carsten Nabel die Schöffin schließlich wegen Befangenheit aus ihrem Amt. Gleichzeitig kündigte er an, dass der Prozess damit beendet sei und die neuen Verhandlungen am 20. September beginnen sollen. Dann müssen wiederum Zeugen vorgeladen, Dolmetscher engagiert werden, die Opfer aussagen und die Angeklagten sich zu dem Geschehen einlassen. Die Kosten für das geplatzte Verfahren sind immens. Die vier Beschuldigten müssen ihre gewählten Strafverteidiger erneut aktivieren. Da es sich um renommierte Juristen handelt und das Honorar frei ausgehandelt wird, kann über die zusätzlichen Kosten nur spekuliert werden. Rund 500 Euro pro Verhandlungstag seien nicht unrealistisch, so ein Experte. Jedem Angeklagten ist auch ein Pflichtverteidiger zugeordnet. Nach der Gebührenordnung beträgt deren Salär pro Verhandlungstag rund 300 Euro. Sachverständige berechnen pro Prozessstunde 121 Euro, Dolmetscher 85 Euro. Diese Kosten von bislang fünf Verhandlungstagen, nunmehr ohne Wert aufgelaufen, wird vermutlich die Staatskasse tragen müssen. Die abberufene Schöffin Sonja von Zons kann vermutlich nicht belangt werden. Hätte sie geschwiegen, wäre es nicht zu diesem Dilemma gekommen. Kurioser Fall am Nikolaustag in Koblenz Es kommt in deutschen Gerichts nur äußerst selten vor, dass Schöffen, auch Laienrichter genannt, wegen Befangenheit aus einem Verfahren genommen werden und damit ein ganzer Prozess platzt und unnötige Kosten für alle Parteien entstehen. Wolfram Wormuth, Vorsitzender Richter am Landgericht Detmold, kann sich an nur einen Fall in seiner langen Richtertätigkeit erinnern. Und der klingt kurios. &bdquo;In einem Strafverfahren vor dem Landgericht Koblenz am 6. Dezember 2012 brachte eine Schöffin Schokoladen-Nikoläuse mit und stellte je einen auf die Arbeitsplätze der Richter und Opfer. Weil sie die Strafverteidiger leer ausgehen ließ, stellten diese einen Befangenheitsantrag gegen die Schöffin. Mit ihrem Handeln sei der Eindruck einstanden, sie differenziere zwischen Verteidigung und Gerichtskammer“, erzählt Wormuth aus seinem Erfahrungsschatz. Nach Beratung musste auch diese Schöffin ihren Platz räumen.

Meistgelesen