Eisdiele im Kreis Gütersloh schließt nach 38 Jahren

Rheda-Wiedenbrück. Zu Ende gerührt: Nach 45 Jahren an der Eismaschine und hinter dem Tresen sagt Eismann Massimo Corazza &bdquo;Ciao“ und &bdquo;Arrivederci“. Weil keines ihrer beiden Kinder das Eiscafé am Neuen Wall in Rheda weiterführen will, haben sich Massimo Corazza und seine Frau Michaela, geborene Piccolo, schweren Herzens dazu entschieden, den Betrieb einzustellen. Am Sonntag, 1. Oktober, morgens um 10 Uhr werden die beiden ihr Café ein letztes Mal für alle Freunde von original italienischem Speiseeis und italienischen Kaffeespezialitäten öffnen. Ein längerer Leerstand des Hauses, das in seiner langen Geschichte als Nutzer schon die Polizei, Ärzte und einen Möbelhandel gesehen hat, ist indessen nicht zu befürchten: Wie Massimo Corazza auf Nachfrage erklärt, wird Anfang 2024 ein Gastronom aus Bielefeld die Nachfolge antreten und das Eiscafé mit einem neuen Konzept weiterführen. Massimo Corazza weiß schon jetzt: Wenn er, Michaela, Sohn Giacomo und Tochter Gioia an jenem Sonntag nach 38 Jahren vor Ort den Schlüssel ihres Cafés für immer umdrehen, wird die eine oder andere Träne fließen. Schließlich geht mit dem Aus in Rheda auch eine lange Familientradition zu Ende. Schon als Kind Eis für 20 Pfennig verkauft Wie viele andere italienische Eisdielenbetreiber stammt auch die Familie Corazza aus Val di Zoldo in den Dolomiten. &bdquo;Der Ort in der Nähe von Cortina dAmpezzo heißt bei uns Tal der Eismacher. Von 4.000 Einwohnern Ende der 80er Jahre haben 1.500 im Ausland ihr Geld als Hersteller von Speiseeis verdient“, weiß Corazza. Schon Vater Giacomo und Großvater Aldo haben Eis produziert und verkauft. Aldo Corazza hat bereits in den 30er Jahren auf dem Rennplatz von Hockenheim die Besucher mit italienischem Speiseeis beglückt. Und auch Giacomo Corazza ging nach dem Krieg nach Deutschland, um in Seesen ein italienisches Eiscafé zu eröffnen. Dort, am Rande des Harzes, erblickte Massimo Corazza 1965 das Licht der Welt. Hier stand er bereits im zarten Alter von zehn Jahren an der Theke, um jungen und alten Schleckermäulern eine Kugel Eis für 20 Pfennig zu verkaufen. &bdquo;Ich habe schon in jungen Jahren richtig malochen müssen“, sagt er rückblickend. Ranking: Das sie die beliebtesten Eisdielen im Kreis Gütersloh Blaue Eiscreme hat es in der Rheda-Wiedenbrücker Eisdiele nie gegeben Als im Jahr 1985 in Rheda das Eiscafé &bdquo;Gamba“ schloss und ein Nachfolger gesucht wurde, ergriff Massimo Corazza die Chance zur Selbstständigkeit. Nach erfolgreichem Besuch der Eiskonditorschule Unita-Eis eröffnete er in Rheda sein eigenes Café. Bei der Herstellung setzt er bis heute auf handwerkliche Arbeit und natürliche Produkte. Corazza: &bdquo;Halbfertige Produkte oder künstliche Farbstoffe kommen bei uns nicht zum Einsatz. Auch wenn es mitunter erwartet wurde: Blaue Eiscreme hat es bei uns nie gegeben.“ Corazza konzentriert sich auf 26 mehr oder weniger klassische Sorten. Zum Saisonstart und am Saisonende reduziert er die Zahl auf acht. Mit etwas Glück kann man bei ihm zur Erntezeit auch Eis von roten Stachelbeeren oder Holunderblüten genießen. &bdquo;Ich habe ein paar Fruchtlieferanten in der Kundschaft. Wenn die mir einen Teil ihrer Ernte anbieten, mache ich daraus Speiseeis“, sagt der Eismacher. Dieses Eis hat Kult-Status Eine Kreation, die eng mit dem Namen Corazza verbunden ist, ist sein Milchreis-Eis: &bdquo;Ich wusste, dass in Deutschland Alt und Jung gerne Milchreis essen. Da habe ich halt ein Eis auf Basis von Reis und Zimt produziert.“ In den vergangenen 20 Jahren hat es sich bei ihm zu einem Renner in der Angebotspalette entwickelt. In seiner langen Berufslaufbahn als Eishersteller hat sich Massimo Corazza auch auf das eine oder andere Experiment eingelassen. Für den Kölner Messeauftritt eines hiesigen Händlers von gefüllten Kirschpaprika hat er einst ein Pepper-Dew-Eis kreiert. Auch ein Brennnessel-Eis entstand schon einmal unter seinen Händen. Beide Sorten konnten sich ebenso wenig durchsetzen wie das Bier-Eis, das Corazza für ein besonderes Event der Brauerei Hohenfelder fabriziert hatte. Mit seinem Eiscafé hat Massimo Corazza überwiegend gute Zeiten erlebt. Die Zukunft der klassischen Herstellung von italienischem Speiseeis sieht er indessen eher pessimistisch. &bdquo;Wir können heute mit den Preisen der Industrie nicht mehr mithalten“, sagt er. Betreiber: &bdquo;Heute können sich viele Familien oft nur eine Kugel leisten“ Und weiter: &bdquo;Früher kamen die Gäste noch nach dem Besuch des nahen Kinos, um zwei drei Kugeln Eis zu kaufen. Heute können sich viele Familien für ihre Kinder oft nur noch eine Kugel leisten.“ Deswegen werde das Konzept, nur Eis und Kaffee anzubieten, in zehn Jahren wohl nicht mehr funktionieren. Corazza selbst will die neugewonnene freie Zeit nach seinem langen Berufsleben auch dazu nutzen, eigene Hobbys zu pflegen. Dazu zählen vor allem Touren mit seiner Vespa und seinem Motorrad. Und ja, natürlich stehen auch Besuche im &bdquo;Val di Zoldo“ in seiner italienischen Heimat auf der Agenda. Zuvor will er jedoch bis zum letzten Öffnungstag seine Gäste mit seinen Kreationen verwöhnen und auch alle Aufträge ordnungsgemäß abarbeiten. Corazza: &bdquo;Wir wollen und werden noch alle Gutscheine – und seien sie auch noch so alt – annehmen und einlösen. Das ist versprochen.“ Was ihm sonst noch auf dem Herzen liegt? Ein ehrliches und freundliches &bdquo;Grazie“ an all die Eisfreunde, die ihm über lange Jahre die Treue gehalten haben.

Meistgelesen