Pläne für besonderes Wohnprojekt gescheitert - Ehepaar verlässt Kreis Gütersloh

Rheda-Wiedenbrück. Auch wenn mancher, der sich mit Mehrgenerationenhäusern offenbar nicht auskennt, das vermutet: Einsam sind Martina Mester-Grunewald und Andreas Grunewald nicht. Obwohl sie Freunde und Bekannte haben, möchten sie gerne mit anderen Menschen in einem Haus leben. Weil das in Rheda-Wiedenbrück aktuell und perspektivisch nicht möglich ist, hat das Paar die Umzugskartons gepackt. Seit 15 Jahren beschäftigen sich die Eheleute mit dieser Alternative zum Alleinleben in einem Haus. Auch beim Mehrgenerationenwohnen hat jeder seine eigenen vier Wände. Doch geht es zudem um das Miteinander von Jung und Alt. Sie achten aufeinander, tauschen sich aus, unternehmen gemeinsam etwas, helfen sich gegenseitig und sind auch ihrem Quartier gegenüber offen, veranstalten beispielsweise Kaffeetrinken sowie Film-, Spiele- oder Vortragsabende. In solch einer geselligen Gemeinschaft will das Paar, das vor 22 Jahren nach Rheda-Wiedenbrück gezogen ist, leben. 2016 haben sie sich einer Gütersloher Gruppe, initiiert von Hans-Jürgen Gaber und Udo Dobra, angeschlossen. Der Verein Kobel wollte und will noch immer ein gemeinschaftliches Wohnprojekt etablieren. Es habe viele Gespräche mit der Stadt Gütersloh gegeben. "Doch ein Grundstück, auch nicht von privat, hat die Gruppe bis heute nicht", sagt die 63-Jährige. Diese Anforderungen müsste ein passendes Grundstück erfüllen In Rheda-Wiedenbrück rief der Seniorenbeirat eine ähnliche Initiative ins Leben. Doch mit Corona geriet sie ins Stocken. Mester-Grunewald, die seit 2014 für die SPD im Stadtrat ist, nutzte ihre Kontakte im Rathaus. "Die Verwaltung ist nicht gegen das Mehrgenerationenwohnen, aber sie könnte mehr machen." Und meint öffentliche Veranstaltungen, um über das Thema aufzuklären - in einer Gegend, wo es vielen Leute wichtig ist, um ihr Einfamilienhaus herumgehen zu können. Mester-Grunewald erklärt, wie ein Grundstück für ein Mehrhenerationenhaus aussehen sollte. Es sollte innenstadtnah liegen, damit Ältere auch mit dem Rollator zu Ärzten und Geschäften kommen und Jüngeren es nicht weit zu Kita und Schule haben. Auch Grünfläche dürfte dabei sein, "für ein qualitätsvolles Wohnen". Doch weiß die 63-Jährige, "dass das vielleicht etwas anspruchsvoll ist". Entsprechende Areale habe es aber gegeben, beispielsweise das ehemalige Kloster in Wiedenbrück, das noch unbebaute städtische Grundstück an der Hauptstraße in Höhe der ehemaligen Gaststätte Klein und die frühere Brennerei Hagedorn, auf der das Gesundheitszentrum RhedaMed steht. Die 63-Jährige räumt ein, dass auch die Gruppe bei dem von einem Bauunternehmen angebotenen Grundstück "zu wenig entscheidungsfreudig war". Vier fest entschlossene Leute seien zu wenig, um "so ein großes Haus zu bauen". Das kann ausschließlich mit Eigentümern geschehen, als Genossenschaft oder mit einem Investor. Vermietet würden dessen Wohnungen in Absprache mit den Bewohnern. Schließlich sollen die Leute zusammenpassen. Wer sich für ein Mehrgenerationenhaus interessiert, braucht Geduld "Man wird mürbe, wenn man kein Grundstück findet", sagt Mester-Grunewald. Das gelte gerade für junge Familien, die zügig eine Wohnlösung suchen "und nicht erst bauen wollen, wenn die Kinder fast aus dem Haus sind". Geduld braucht, wer sich für ein Mehrgenerationenhaus interessiert. "Durchschnittlich zehn Jahre dauert die Realisierung eines solchen Projekts", sagt Andreas Grunewald. So lange wollen der 66-jährige Maschinenbauingenieur im Ruhestand und seine Frau, die Dozentin für Recht und Politik war, nicht warten. Rund 530 Mehrgenerationenhäuser gibt es laut Bundesministerium für Familie, Senioren Frauen und Jugend in Deutschland. Die nächsten stehen in Bielefeld und Detmold. Die Grunewalds ziehen nach Bremen. Dort sind sie aufgewachsen, da leben Freunde. Die machten das Paar vor zwei Jahren auf ein zentrumsnahes Neubauprojekt mit 22 Wohnungen aufmerksam. Die Eheleute lernten die Gruppe - drei Alleinerziehende, zwei junge Familien sowie Leute ab 50 - kennen. Beide Seiten entschieden sich füreinander. Seither gibt es einmal pro Woche ein Onlinetreffen für Planung und Austausch. Ab März gibt es die Treffen für die Grunewalds in Präsenz, dann leben sie in Bremen. Rheda-Wiedenbrück verlassen sie mit gemischten Gefühlen. Die "lebenswerte Stadt" ist ihnen zur Heimat geworden. "Hier sind unsere beiden Kinder aufgewachsen, wir sind vernetzt, mögen die kurzen Einkaufswege, dass man schnell im Grünen ist, radeln gerne durch den Flora-Park, schätzen die hohe Spielplatzdichte und haben hier viele Freunde gefunden." Doch freut sich das Paar, künftig so wohnen zu können, wie es sich das seit langem wünscht. "Der Abschied tut weg, aber wir wissen, dass es das Richtige ist." Vermissen wird Mester-Grunewald ihre Arbeit im Stadtrat, wo sie sich sehr in die Themen Bauen und Wohnen eingearbeitet hat. Im Kommunalwahlkampf 2020 hatte sie angekündigt, dass sich die SPD für den Bau eines Mehrgenerationenhauses oder ein gemeinschaftliches Wohnen stark machen werde. Aus Bremen kannte sie Konzeptvergaben für freie städtische Grundstücke. Immerhin steht in der Vorlage für die im September 2022 vom Rat verabschiedete Baulandrichtlinie für Rheda-Wiedenbrück: "Das Angebot auf dem Wohnungsmarkt soll durch die Umsetzung (neuer) Wohnkonzepte, wie zum Beispiel Mehrgenerationenwohnen, erweitert werden."

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