Leiter der VHS in Rheda-Wiedenbrück geht in den Ruhestand

Rheda-Wiedenbrück. Er ist sehr umtriebig. "Ich mache aber auch schon lange auf hyggelig", sagt Rüdiger Krüger. Er ist just aus seinem Dänemark-Urlaub zurück und hat demnächst noch ein bisschen mehr Zeit für Gemütlichkeit und Gelassenheit. Denn er geht als Leiter der Volkshochschule Reckenberg-Ems in den Ruhestand. Blickt er auf seine Arbeit dort, nennt er sich einen sturen Bock. "Wenn ich etwas will, dann will ich das." Als er den Chef-Posten "einer sehr gut aufgestellten VHS" am 1. August 2000 übernommen hat, wurden dort 33.000 Unterrichtsstunden in 700 Kursen angeboten. "Damit war die Sättigungsgrenze fast erreicht", sagt Krüger. Heute sind es 36.000 Unterrichtsstunden in 800 Kursen. Sein Ziel war es stets, Bildungsgerechtigkeit herzustellen. Das habe er zwar nicht erreicht, "aber ich bin weit gekommen", so das Fazit des 68-Jährigen. Denn dass die Herkunft über Bildungschancen entscheide und immer wieder Studien mit diesem Resultat bei den meisten Entscheidungsträgern stets aufs Neue für Überraschung sorgten, ärgert ihn. Wer schwer Zugang zu Bildung habe, dem fehle eine Notwendigkeit, um selbstbestimmt leben zu können. Eitel, "in einem gesunden Maß" Krügers Motto lautet "Lernen im Lebenslauf." Das galt schon in seinen zehn Jahren als VHS-Leiter im Oberen Enztal im nördlichen Schwarzwald. Von dort hat er sein Markenzeichen mitgebracht: eine Holzfliege. Geschenkt haben die ihm die Schüler, mit denen er große Theaterprojekte realisiert hatte. "Die Fliege hat mir so gut gefallen, dass ich sie nur noch getragen habe", sagt der 68-Jährige, der inzwischen 15 weitere Exemplare von Holzbildhauern hat anfertigen lasse. Er räumt ein, eitel zu sein, "in einem gesunden Maß". Darum trägt er stets Manschettenknöpfe, auch wenn die niemand sieht. Seine Kleidungsfarbe ist überwiegend schwarz und seine Socken sind lang, weil "ein Mann kein Bein zeigt". Gearbeitet habe er proaktiv und reaktiv. Als verlautete, dass die NRW-Landesregierung offene Ganztagsgrundschulen (OGGS) einrichten will, habe die VHS sofort ein Konzept entwickelt, blickt Krüger auf 2004 zurück. Gerne böte er den Jungen und Mädchen dort heute mehr kulturelle Bildung. Kultur für mehr Selbstwertgefühl Sie sollten ihre kreativen Fähigkeiten mit Musik und Rhythmus, mit Farben und Ytong ausprobieren können. Das hätte mit einem Vorschlag Krügers realisiert werden können. Er schlug 2017 vor, in Kooperation mit der Musikschule für den Kreis Gütersloh in der ehemaligen Ernst-Barlach-Realschule einen Standort für musische Angebote einzurichten. "Daraus wurde leider nichts", sagt er heute. Zufrieden ist Krüger mit der Fortbildungs-Akademie Reckenberg-Ems GmbH (Fare). Die Idee wurde 2004 umgesetzt, als Reaktion auf geänderte Förderbedingungen der Bundesagentur für Arbeit. In der Jugendwerkstatt Kultur beispielsweise gestalten Kinder und Jugendliche Theaterstücke mit Texten und Musik, auch die Kulissen. "Dort bekommen sie durch das tolle Team ein Selbstwertgefühl vermittelt, das sie sonst nicht entwickeln können, weil sie in irgendwelchen Beziehungen anders ticken." Das macht den 68-Jährigen glücklich. Homöopathische Dosis Hölderlin im Rotwein Glücklich ist er auch über einen schweren, schönen Rotwein, am liebsten einen Württemberger Lemberger. "Wenn noch die Chance besteht, dass der kleine Friedrich Hölderin auf den Weinberg gepinkelt hat und eine homöopathische Dosis davon im Wein ist", dann geht es dem promovierten Altgermanisten gut. Er ist ein Genießer. "In mein Hirn und meinen Bauch habe ich am meisten investiert." Entspannen kann er auf seinen Arbeitswegen von und nach Werther, wo Krüger seit vier Jahren lebt. Er sinniert auch gerne, "jeden Morgen 30 Minuten lang". Und er liebt klassische Musik. Als künstlerischer Leiter verantwortet er die Konzertreihe "musica da camera", die 2010 die VHS-Meisterkonzerte abgelöst hat. Damit folgten er und die Flora Westfalica dem bundesweiten Trend, dass immer weniger Zuschauer kamen. Die acht Konzerte für maximal 120 Besucher realisiert Krüger mit einem Budget von 30.000 Euro, "das seit Mitte der 1990er Jahre nie aufgestockt wurde". Dank des guten Rufes der Reihe schreiben ihm viele Ensembles, "dass sie gerne bei uns auftreten würden - und das zu Preisen, die wir bezahlen können", sagt der Mann, der Germanistik, Philosophie und Geschichte studiert hat. Ein leidenschaftlicher Tatort-Gucker Er hat heute einen Lehrauftrag an der Musikhochschule Detmold. Dort doziert er über Texte der deutschen Kunstlieder. Doch ist es nicht nur die Hochkultur, die der Vater von zwei Söhnen schätzt. Er ist ein "leidenschaftlicher Tatort-Gucker", hat mehrfach die Actionfilmreihe "Stirb langsam" gesehen und ist ein Fan möglichst realistischer Science-Fictions. Er konsumiert aber nicht nur, er produziert auch. Seit Ende der 1980er Jahre schreibt Krüger Theaterstücke und Musicals, hält besonders in Süddeutschland Vorträge über kulturhistorische Themen, verfasst "politisch-bösartige Texte", Witziges über "das Nasenhaar und den Popel, der daran hängt", und widmet sich der Lyrik. Unter seinem Pseudonym Siegfried Carl liegt bereits einiges in gedruckter Form vor. "Aber ich will meine eigene Literatur ausbauen, endlich veröffentlichen." Wie viel Zeit Krüger, der gerne tag-träumt und mindestens acht Stunden pro Nacht schläft, dafür findet, ist noch offen. "Denn ich bleibe VHS-Mitarbeiter", sagt der 68-Jährige. Er betreut weiter die "musica da camera", bietet die "Litterarische Mittwochsgesellschaft" an, macht beim Jugendmusik-Preis mit und ist Berater für das VHS-Qualitätsmanagement. "Ansonsten mische ich mich aber nicht ein." Das habe er seinem Nachfolger André Manneke versprochen.

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