Aktivisten und Landwirte demonstrieren vor dem Schlachtkonzern Tönnies

Kreis Gütersloh. Erneut demonstrierten Tönnies-Gegner vor dem Schlachthof in Rheda. Die Haupteinfahrt zum Betrieb wurde dabei am Freitag zum Sicherheitspuffer. Die Polizei trennte zwei Gruppen Demonstranten. In Höhe des Werksverkaufs säumten Radweg und Grünstreifen der Gütersloher Straße rund 250 Klima- und Tierschutzaktivisten mit Plakaten wie: &bdquo;Schlecht, Schlächter, Tönnies" oder &bdquo;Fleisch-Boykott jetzt". Vor dem Parkhaus standen rund 250 Landwirte aus ganz Deutschland. Als Reaktion auf die Greenpeace-Aktion am Donnerstag hatten Burkhard Berg aus Lichtenau und Marcus Blome aus Delbrück zum Grillen vor dem Werkstor aufgerufen – mit eigener Holzkohle und mitgebrachten Würstchen. Auch sie zeigten Banner: &bdquo;Ist der Bauer ruiniert, wird klimaschädlich importiert" und &bdquo;Ideologie macht nicht satt, Hunger aber Kriege". &bdquo;Wir wollen erfahren, was sie bedrückt" Berg sagte, dass deutsche Nahrungsmittel weltweit anerkannt seien, &bdquo;hier aber verunglimpft man uns aufs Allerletzte". Der 40-Jährige habe den Aktivisten angeboten, miteinander zu reden. &bdquo;Wir wollen erfahren, was sie bedrückt, was wir vielleicht ändern könnten – aber wir dürfen nicht", verwies er auf das große Polizeiaufgebot. &bdquo;Wir danken für das Angebot, miteinander zu sprechen", sagte Julian Hainer, der die Mahnwache angemeldet hatte. Zwar habe die Einladung zum Gespräch &bdquo;uns nicht erreicht, aber wir sind jederzeit offen zum Dialog". Die Polizei ermöglichte nur den vielen Pressevertreten einen Wechsel zwischen den Kundgebungen. Separiert wurden diese wegen der Gefahrenabwehr, so Polizeisprecherin Katharina Felsch. &bdquo;Aggressives Potenzial" sah sie aber nicht. Später gab es eine friedliche Sitzblockade auf der Gütersloher Straße. &bdquo;Da haben wir die Personalien festgestellt", so ihr Kollege Mark Kohnert. Einer indes meldete sich bei den Landwirten. &bdquo;Clemens ist am Telefon", rief Ute Schilling, Landwirtin im Kreis Soest. Tönnies ließ über Martin Bocklage, Geschäftsführer Recht und Personal, ausrichten, dass er traurig sei, nicht bei den Bauern stehen zu können. Er teilte auch mit, wie beeindruckt er von der Solidaritätsbekundung sei. &bdquo;Es geht schließlich um unsere Existenz als Landwirte", so Schillig. &bdquo;Es gab nur kosmetische Korrekturen" Um das Wohl von Mensch, Tier und Planeten besorgt sind die Teilnehmer der Mahnwache. Es verändere sich nur etwas, &bdquo;wenn die Bürger erkennen, dass Verantwortung für Natur- und Tierschutz nicht an die Politik delegiert werden kann", so Oliver Groteheide vom Verein Fairleben. Es sei kein Zufall, dass es bei Tönnies zum Corona-Ausbruch kam, sagte Thomas Eberhard-Köster von Attac. Für die Wiederaufnahme der Schlachtungen habe der Konzern nichts wirklich ändern müssen. &bdquo;Es gab nur kosmetische Korrekturen." Fassungslos und wütend ist Bernd Lehne, Extinction Rebellion. &bdquo;Nach den Geschehnissen kann man erst recht kein Vertrauen in das haben, was hier passiert." Die Ankündigung des Verbots von Werksarbeiterverträgen ab Januar lässt Camila Cirlini, Bündnis gegen die Tönnies-Erweiterung, hoffen, &bdquo;dass sich etwas für die Menschen verbessert, für die Tiere aber bringt es nichts". Sicherungen am Arbeitsplatz der Veterinäre Kaum, dass am Donnerstag der Schlachtbetrieb bei Tönnies wieder aufgenommen werden konnte, wurde die Arbeit am Nachmittag auf Aufforderung der Bezirksregierung Detmold schon wieder unterbrochen. Der Testlauf am Donnerstag in der Schlachtung habe gezeigt, dass es an einzelnen Arbeitsplätzen weiterhin Nachbesserungsbedarf in der Arbeitssicherheit gegeben habe, teilt die Bezirksregierung auf Anfrage mit. Die Arbeitsschutzverwaltung der Bezirksregierung untersagte deswegen die Tätigkeit an diesen Bereichen. Das Unternehmen habe daraufhin über den Abend und die Nacht zum Beispiel am Arbeitsplatz der Veterinäre Sicherungen angebracht. Diese seien zunächst Sicherungsgurte gewesen. Eine abschließende Maßnahme werde in den nächsten Tagen entwickelt. Die Arbeitsschutzverwaltung der Bezirksregierung hat die Arbeit an den betroffenen Arbeitsplätzen am Freitag um 10 Uhr wieder freigegeben. Deshalb hatte sich der Betriebsbeginn in der Schlachtung entsprechend verzögert. "Blaupause für andere Betriebe in ganz Deutschland" Zudem startete Freitag der Probetrieb im Bereich Zerlegung. Im Auftrag des Kreises habe ein Expertenteam aus Arbeitsmedizinern und Arbeitshygienikern am Freitag eine Begehung dort unter laufendem Betrieb, aber mit verringerten Stückzahlen begutachtet, teilt der Kreis mit. So wurde die Wirkung aller Maßnahmen, die nun in einem Hygienekonzept umgesetzt wurden, getestet. Prof. Martin Exner, Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit in Bonn, drückt es so aus: &bdquo;Wir haben jetzt ein sehr abgewogenes Hygienekonzept, das kann eine Blaupause für andere Betriebe in ganz Deutschland werden." Den aktuellen Stand erklärt Exner anhand eines Ampel-Systems. Nach der Rot-Phase, in der ein Betrieb geschlossen ist, folgt die Gelb-Phase, in der ein neues Hygienekonzept in der Anwendung überprüft wird. &bdquo;Wir sind in der Gelb-Phase, wir sind noch nicht auf grün, sondern in der weiteren Beobachtung", so Exner. Es gebe aktuell keine offensichtlichen Mängel in der Funktionsweise. Wenn die Tragfähigkeit des Konzeptes – kenntlich an der Infektionsrate – sich bestätigt habe, erst dann gehe man in die Grün-Phase. Es sei nicht auszuschließen, dass in der Zwischenzeit Maßnahmen – bis hin zur Schließung des Werks – auferlegt werden müssten. In der Verantwortung sieht er in erster Linie das Unternehmen selbst. Zerlegung Hotspot des Corona-Ausbruchs Die Zerlegung ist der Hotspot der Infektionen gewesen. Dort sei eine wesentliche Verbesserung durch ein neues Lüftungskonzept, die Einhaltung von Mindestabständen und das Tragen von Mund-Nasen-Schutz erzielt worden. Reihentestungen, die in einer neuen Verfügung festgeschrieben werden, sollen die Probezeit flankieren. Die Kontrollen der Neuerungen im Konzept werden seitens beteiligter Behörden engmaschig durchgeführt. &bdquo;Wer hundertprozentige Sicherheit will, der muss Betriebe schließen", so Exner. Landrat Sven-Georg Adenauer: &bdquo;Jetzt ist es das Unternehmen Tönnies, das beweisen kann, dass es aus der Vergangenheit gelernt hat. Zudem war die Arbeitsschutzverwaltung der Bezirksregierung beim Probebetrieb zu Kontrollen im Bereich Zerlegung unterwegs. Ein Ergebnis lag der Bezirksregierung an Nachmittag noch nicht vor. Jedoch habe es bis 16.30 Uhr keine Informationen über erforderliche gravierende Nachbesserungen seitens des Unternehmens gegeben. Zur Auswertung der arbeitsschutzrechtlichen Begutachtung sei eine Unterbrechung des Betriebs nicht erforderlich.

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