Harsewinkel

Vor zehn Jahren bei der Fußball-WM: Portugals Superstars zu Gast in OWL

Zur Weltmeisterschaft 2006 residiert das Nationalteam um Superstar Luís Figo in Marienfeld

Auf dem Gelände der Klosterpforte traben sich die Portugiesen Cristiano Ronaldo, Pauleta, Luís Figo und Deco (vordere Reihe, von links) warm. | © Robert Becker

Johannes Hülstrung
08.05.2016 | 08.05.2016, 19:52
Portugals Nationalheld Luís Figo im Juni 2006 vor dem Bielefelder "Alex". - © ANDREAS FRÜCHT
Portugals Nationalheld Luís Figo im Juni 2006 vor dem Bielefelder "Alex". | © ANDREAS FRÜCHT

Harsewinkel. Die Sonne brennt über dem Ortsteil Marienfeld in Harsewinkel (Kreis Gütersloh). 23 Sportler in kurzen Hosen laufen über den Rasen. Abends sitzt die komplette Delegation beim Barbecue auf der Terrasse. Es ist der Besuch der portugiesischen Nationalmannschaft im Hotel Klosterpforte. Es ist die Fußball-Weltmeisterschaft 2006.

31 Nationen aus aller Welt waren einen Sommer lang "zu Gast bei Freunden" in Deutschland. Um sie zu beherbergen, hatten sich rund 300 Quartiere gemeldet. "Dass wir da mitmachen, war klar. Ich bin total fußballverrückt", sagt Hotelinhaber Reinhold Frie. Der Fußball-Weltverband FIFA stellte den Teams 110 Hotels zur Wahl. Die Klosterpforte war heiß begehrt: "Auch England, Spanien, Polen und Russland wollten hierher", sagt Frie.

Den Zuschlag bekamen die Portugiesen, weil sie zuerst Interesse bekundet hatten. Eigens für sie wurde auf dem Gelände der Klosterpforte das Sporthotel "11" errichtet. Die Baugenehmigung gab es schnell, dennoch war die Zeit knapp. Nur zehn Monate blieben für den Bau. "Trainer Luiz Felipe Scolari war skeptisch. Aber ich habe ihm gesagt: Das klappt schon, wir sind hier in Deutschland, nicht in Portugal", sagt Frie lachend.

"Sie haben sich einfach wohlgefühlt"

Er behielt recht: Die Portugiesen konnten ihr Hotel pünktlich beziehen. 43 Tage blieben sie, von der Vorbereitung an. "Das hat es so noch nie gegeben, aber sie haben sich einfach wohlgefühlt", sagt Frie stolz. "Eigentlich hatten sie nur bis zur Vorrunde unterschrieben." Die bewältigte Portugal mit drei Siegen gegen Angola, den Iran und Mexiko souverän als Gruppenerster. "Danach wurden die Verträge immer wieder verlängert."

Sportlich spektakulär wurde es ab dem Achtelfinale. Das entschied Portugal in Nürnberg in einem mit vier Platzverweisen fast schon kriegerischen Spiel mit 1:0 gegen die Niederlande für sich. "Ich habe einen halben Herzinfarkt auf der Tribüne bekommen", sagt Frie, der das Team zu jedem Spiel begleitete.

Das Viertelfinale gegen England blieb nach 120 Minuten torlos. Der portugiesische Keeper Ricardo ging als erste Torwart, der im Elfmeterschießen bei einer WM drei von vier Elfmetern halten konnte, in die Geschichte ein. Das Aus folgte mit dem 0:1 gegen Frankreich im Halbfinale.

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Für ein moralisches Dilemma sorgte das Spiel um Platz drei - gegen Deutschland. "Ich habe beiden Teams die Daumen gedrückt", sagt Frie. Dennoch war die Sympathie für Portugal nach dem 1:3 wohl noch etwas größer: "Unsere Tochter hat bitter geweint, als Portugal verloren hat. Und auch ich war traurig."

Trotz der beiden Niederlagen zum Abschluss war das Turnier für Portugal sportlich ein Erfolg. Ebenso die Stimmung in Marienfeld, die gleichzeitig feierlich und familiär war. "Der ganze Ort war in Aufruhr", sagt Frie. Die Stars blieben bei all dem Rummel volksnah: Trainer Scolari, damals mit Brasilien amtierender Weltmeister, ging jeden Sonntag in die Klosterkirche.

Trotzdem waren enorme Sicherheitsmaßnahmen nötig, rund 70 Securitys und spezielle Ausweise für alle Mitarbeiter. Das betraf auch die Familie Frie, deren privates Wohnhaus auf dem Gelände liegt. "Dass etwa die Kinder ohne Ausweis nicht ins eigene Haus kamen, war das einzig Negative", sagt Frie.

Zwei junge Spieler landen in der Lutter

Im ganzen Ort herrschte Ausnahmestimmung. Einige Fans übertrieben es in ihrer Euphorie: "Die sind über die Zäune geklettert und durch den See geschwommen. Da haben die Sicherheitskräfte sie aber geschnappt", erzählt Reinhold Frie.

Auch zwei junge portugiesische Spieler machten Bekanntschaft mit Marienfelder Gewässern – allerdings unfreiwillig. "Die sind im Caddy über das Gelände gefahren, haben dann die Bremse nicht gefunden und sind in der Lutter gelandet", sagt Frie lachend. Welche beiden Nationalkicker das waren, weiß er nicht mehr. Der damals 21-jährige Cristiano Ronaldo soll aber nicht dabei gewesen sein.

Als Erinnerungsstücke hat Frie die Schuhe von Ricardo Costa und Deco. "Manche habe ich verschenkt, die von Figo, glaube ich", sagt Frie. Dabei dürften gerade diese Schuhe den höchsten historischen Wert besitzen. Luís Figo wurde nicht nur gemeinsam mit seinen Landsleuten Ricardo, Ricardo Carvalho und Maniche in das All-Star-Team berufen. Der Letzte der "Goldenen Generation" neben Pauleta beendete nach der WM seine Nationalmannschaftskarriere.