Adenauer-Nachfolger als Landrat? Ralph Brinkhaus aus dem Kreis Gütersloh äußert sich

Herr Brinkhaus, Sie befinden sich gerade auf Sommerreise durch den Kreis Gütersloh, heute machen Sie in Halle Halt. Wie ist Ihr Eindruck von der Stimmung in den Städten und Gemeinden? Ralph Brinkhaus: Zunächst möchte ich etwas Grundsätzliches vorwegschicken: Wir dürfen unser Land nicht schlechterreden, als es ist. Wir haben viele Herausforderungen, das ist keine Frage. Aber oftmals gucken wir vor allem auf die Defizite und nicht darauf, was gut läuft. Wenn man nur mal unseren Kreis mit anderen Orten in der Welt vergleicht, darf man durchaus auch mal dankbar dafür sein, was wir alles haben. Heißt aber, dass - so gut viele Dinge auch laufen, so viel investiert wurde - nicht auch die Stimmung entsprechend großartig ist. Mit welchen Anliegen, mit welchen Problemen werden Sie konfrontiert? Brinkhaus: Zumindest aus Sicht vieler Bürgerinnen und Bürger machen wir Politik an den &bdquo;normalen“ Leuten vorbei. Und die meinen das gar nicht böse, stellen aber dennoch fest: Ihr kümmert euch um alles Mögliche, ihr kümmert euch um viele Probleme auf der Welt, um jede Einzelgruppe in diesem Land - aber wer kümmert sich eigentlich um uns? Tatsächlich wird viel gemacht, auch jetzt von der Ampelregierung ist nicht alles falsch, aber dennoch müssen wir wieder mehr in den Alltag der Menschen kommen. Nennen Sie bitte mal ein Beispiel. Brinkhaus: Ich habe kürzlich mit einem Vater gesprochen, der im vergangenen Jahr zu oft frühmorgens die Nachricht bekommen hatte, dass er seinen Sohn nicht in die Kita bringen könne, weil dort jemand krank geworden sei. Lesen Sie auch: Wer wird Nachfolger des Gütersloher Landrats Sven-Georg Adenauer? Diese Namen kursieren Mit dem brauchen Sie über die großen weltpolitischen Probleme nicht zu reden; der hat erst mal große Probleme in seinem Nahbereich, die er nicht bewältigen kann. Und davon könnte ich Ihnen viele Beispiele nennen: Jemand benötigt schnell einen Pflegedienst für die Mutter, jemand braucht zügig eine Entscheidung über eine Baugenehmigung, vor der Haustür gibt es über ein Jahr eine Dauerbaustelle, die ihm niemand erklären kann - das sind die Dinge, die die Menschen beschäftigen. Und wenn diese vielen kleinen Dinge zu einem großen Haufen anwachsen, führt das irgendwann dazu, dass unser alltägliches Leben vergiftet wird. Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus? Brinkhaus: Genau diese Sorgen müssen wir in unseren Fokus stellen. Und wir müssen das Leben für die Bürger einfacher und weniger bürokratisch machen. Neulich war ich beispielsweise zu Besuch in einem Sportclub, klasse Leute, die machen dort eine super Integrationsarbeit. Die hatten keine Möglichkeit, die Sporthalle auch während der Schulferien zu nutzen, um dort ein Training für Kinder zu machen, die nicht in den Ferien wegfahren können. Da haben wir dann nachgefasst und es hat dank toller Mitarbeiter in der Verwaltung ganz schnell geklappt. Aber so etwas sollte eigentlich sofort laufen. Also im Bereich Integrationsarbeit und ebenso bei den Belangen der sogenannten normalen Leute. Brinkhaus: Genau. Es ist alles richtig, was wir machen, und im Bereich der Integrationsarbeit müssten wir eigentlich noch viel mehr machen. Aber die Leute sagen eben auch: Ihr redet ständig über die, die zu uns gekommen sind und wie denen geholfen werden kann. Aber wer redet über mein Kind? Wie lernt das vernünftig lesen und schreiben, wenn vielleicht ein Drittel in der Klasse keine Muttersprachler sind? Wir sollen immer Verständnis haben, und das haben wir auch bis zu einem gewissen Grad, aber deshalb dürfen wir nicht hintenüberfallen. Was wollen Sie hier konkret verbessern? Brinkhaus: Ich finde es absolut richtig, dass wir eine sehr achtsame Gesellschaft sind, die versucht, jedem gerecht zu werden. Und das sollten wir uns auch bewahren. Aber wir müssen mehr die Mitte der Gesellschaft in den Fokus nehmen. Deutlich mehr, als es zuletzt der Fall war. Es braucht mehr Politiker, die nahe bei den Leuten sind. Und wenn wir darüber reden, wie wir die politischen Ränder wieder klein machen, dann dürfen wir nicht mit den Fingern auf die zeigen, die AfD oder BSW wählen, sondern müssen unsere Politik ändern. Wir müssen mehr auf jene hören, die das hier alles tragen und ihnen das Leben erleichtern. Wären das nicht eigentlich Aufgaben, die Sie als neuer Landrat und Nachfolger von Sven-Georg Adenauer ab Herbst 2025 angehen könnten? Brinkhaus: Nein, das schließe ich für mich aus. Meine Aufgabe in Berlin ist noch nicht beendet. Ich setze auf eine unionsgeführte Bundesregierung ab 2025 und möchte von dort aus die nächsten vier Jahre für eine Modernisierung des Staates eintreten. Ideen - auch gerade aus dem Kreis Gütersloh - dazu habe ich viele, vor allem, wenn es um bessere öffentliche Strukturen geht. Wie könnten diese Strukturen aussehen, die die Lebensqualität steigern? Brinkhaus: Eine Idee ist, dass es für den gesamten Sozialbereich eine Plattform, eine Art Sozial-Amazon, gibt. Sodass beispielsweise eine alleinerziehende Mutter mit einem pflegebedürftigen Vater nur noch einen Anlaufpunkt hat und nicht mit vielen verschiedenen Behörden kommunizieren muss. Lesen Sie auch: Ist Ralph Brinkhaus aus dem Kreis Gütersloh in der Versenkung verschwunden? Wer dann am Ende für die einzelnen Fragen zuständig ist, das können die Behörden dann ohne den Bürger untereinander klären und abrechnen. Wichtig wäre es aber, genau einen Ansprechpartner zu haben. Wir erwarten immer vom Bürger, dass er sich durch den Behördendschungel kämpft. Dabei ist es unsere Aufgabe als Staat, das zu vereinfachen. Hört sich gut an. Aber wie realistisch ist es, dass eine solche Idee umgesetzt wird? Brinkhaus: Man muss anfangen! Wenn ich mit anderen Kollegen in Berlin spreche, dann finden die diese Idee auch gut. Aber es heißt auch gleich wieder: Erst mal stehen noch andere Themen oben. Ob das nun die Corona-Krise war, der Brexit, der Ukraine-Krieg - irgendwas ist immer. Doch das ist der falsche Ansatz. Inwiefern wird und soll Künstliche Intelligenz auf diesem Weg Hilfestellung leisten? Brinkhaus: Ich gehe davon aus, dass Sie in fünf bis zehn Jahren keine Anträge mehr ausfüllen müssen, sondern eine KI mit Ihnen spricht und geduldig nachfragt, Ihr Anliegen zusammenfasst, die Ergebnisse noch einmal vorlegt und dann regelt. Das würde von der Grundsteuererklärung bis zum Antrag auf Elterngeld gelten. Und das geht auch nicht anders, denn wir werden in Zukunft nicht mehr das Personal für zu viel Bürokratie haben. Es wird immer gesagt, dass Geld ist für Bund, Länder und Kommunen das Problem. Nein, das Hauptproblem wird in wenigen Jahren das fehlende Personal sein. Fehlendes Fachpersonal ist - neben Geld - ja auch ein Thema, wenn es um medizinische Versorgung in den ländlichen Regionen geht. Die erste Krankhausreform auf Landesebene ist gerade durch, die zweite Reform auf Bundesebene ist beschlossen und wartet auf Umsetzung. Und die Menschen hier schauen gespannt darauf, was mit den Kliniken in ihrer Nähe geschieht. Inwiefern haben Sie Einfluss auf die Zukunft eines Klinikums Halle? Brinkhaus: Das Klinikum hier ist ein ganz wichtiges Thema für Halle. Aber genauso wichtig ist im Übrigen die Frage, wie es um die hausärztliche Versorgung bestellt ist, ob es ausreichend Rettungsdienste und ebenso ambulante Notfallversorgung am Wochenende gibt, ob die Menschen hier zeitnah die nötige Facharzttermine bekommen. Das müssen wir mitdenken und notfalls auch einmal querdenken. Vielleicht kommt man so zu noch besseren Lösungen. Stichwort querdenken: Gilt das auch für die Schullandschaft im Altkreis Halle und die aktuelle Diskussion um die Zukunft der Haller Gesamtschule? Brinkhaus:Ja, auch für diesen Fall. Davon abgesehen, dass ich nicht in der Position bin, den Hallern Ratschläge zu geben, wäre ich unabhängig von der Zukunft der Gesamtschule dafür, auf Kreisebene das ortsübergreifende Schulkonzept zu stärken. Vielleicht brauchen wir im gesamten Kreis weniger Oberstufen und mehr starke, differenzierte Schulprofile mit Praxisbezug und Kooperationen mit den lokalen Unternehmen. Immer von der Frage ausgehend, wie es für die Kinder am besten funktioniert - immer vom Kind aus gedacht und nie in örtlicher Betroffenheit. Lesen Sie auch: Politiker Ralph Brinkhaus bei Twitter angefeindet Ganz grundsätzlich sollten wir diese Umbruchzeit, ob bei Bildung, Gesundheit oder Gesellschaft, nicht als Bedrohung sehen, sondern als Chance begreifen. Und das betrifft alle Lebensbereiche. Über Jahrzehnte waren wir in festgefahrenen Strukturen gefangen, jetzt gibt es neue Realitäten und wir sind gezwungen, Dinge zu verändern. Aber anstatt das zu bedauern, sollte unser Ansatz lauten: Hej, ich kann etwas gestalten! Womit wir wieder am Anfang unseres Gespräches wären ... Brinkhaus: Genau. Wir stehen vor großen Herausforderungen, aber dieses Land ist ein gutes Land. Und wir haben die Stärke, etwas Vernünftiges daraus zu machen.

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