Zwillings-Villa von Wurst-Brüdern im Kreis Gütersloh steht zum Verkauf

Halle. "Diese Villa ist ein seltenes Angebot für einen kleinen Kreis anspruchsvoller Käufer" - so steht es in der Anzeige der IVB Immobilien GmbH, eine Tochter der Volksbank Halle. In der Tat sind die Fakten recht beeindruckend. Eine Stadtvilla aus dem Jahr 1895 in zentraler Innenstadtlage mit einem von hohen Hecken umgebenen 1.295 Quadratmeter großen Grundstück. Klingt gut, hat aber natürlich auch seinen Preis. Für 799.900 Euro könnte das im Laufe der Jahre mehrmals sanierte und erweiterte Zweifamilienhaus an der Gartenstraße 6 bald den Eigentümer wechseln. Bleibt die Frage, wer in dem imposanten Wohnhaus, das heute neben dem Strecker-Museum und im Schatten der Marktkauf-Immobilie liegt, einst gelebt hat? In solch einem Falle ist Historikerin Dr. Katja Kosubek die beste Adresse. Und in der Tat, die Leiterin des Stadtarchivs und des virtuellen Museums Haller Zeiträume, kennt die Immobilie sehr gut. "Es ist die Villa des Fabrikanten Karl Rolff. Ihm und seinem Bruder Ferdinand Rolff gehörte die gleichnamige Fleischwarenfabrik", sagt Kosubek. Diese stand bis Mitte der 1970er Jahre zwischen Gartenstraße und Ravensberger Straße und somit dort, wo später der Dixi gebaut wurde und sich heute der Marktkauf befindet. Das Unternehmen war einer der größten Arbeitgeber in Halle zu Beginn des 20. Jahrhunderts und die Familie Rolff war zu dieser Zeit im gesellschaftlichen Leben der Stadt Halle sehr präsent. Die Anfänge der Firma liegen jedoch noch weiter zurück. Historiker Uwe Heckert hat sie bereits vor einigen Jahren erforscht und in seinem 2005 erschienenen Buch "Halle in Westfalen - Geschichte(n) einer Stadt am Teutoburger Wald" aufgeschrieben. Dampfmaschinen bringen neuen Schwung Demnach gründete der 40-jährige Friedrich-Wilhelm Rolff bereits 1838 eine kleine Fleischwarenfabrik am Kirchplatz (Bahnhofstraße 16, heute Friseur Wagener), 1845 zog man an die Gartenstraße um. In den folgenden Jahrzehnten entstand, bedingt durch die Anschaffung von zwei Dampfmaschinen, geliefert von der Brackweder Firma Möller, ein stetig wachsendes Fabrikgelände. Zur Jahrhundertwende leiteten bereits Karl und Ferdinand Rolff die Firma gemeinsam mit ihrem Vater Johann Conrad Rolff, der 1902 verstarb. Die Enkel des einstigen Gründers beschäftigten rund 60 Mitarbeiter und die Firma bestand mittlerweile aus einem geschlossenen Baukomplex mit Schornsteinen und Laufbrücken zwischen den einzelnen Gebäudeteilen. Der Versand von westfälischem Schinken und Dauerwurst hatte die Firma groß gemacht, einige Lieferungen gingen bis in die USA. In diesen für die Firma wirtschaftlich starken Jahren entstand auch die Villa an der Gartenstraße, in der Karl Rolff einzog. "Sein Bruder Ferdinand baute sich eine identische Villa", weiß Dr. Katja Kosubek. Sie grenzte ebenfalls an das Fabrikgelände, stand aber an der Ravensberger Straße. Als man Mitte der 1960er Jahre plante, an jener Stelle das neue Kreishaus zu bauen, wurde die vom mittlerweile verstorbenen Ferdinand Rolff einst bewohnte Villa abgerissen. Aufgrund der kommunalen Neugliederung vor 50 Jahren kam es jedoch nie zum Bau des Kreishauses, so dass das imposante Gebäude sinnlos dem Erdboden gleichgemacht wurde. Seit 1959 ist die Firma Geschichte Karl Rolff engagierte sich 1918 im Arbeiter- und Soldatenrat in Halle. Zudem war er Stadtverordneter, Amtsabgeordneter und saß im Vorstand der Kreissparkasse. Außerdem vertrat er während des Ersten Weltkriegs den Landrat. Mit dem Tod der beiden Brüder - Ferdinand starb 1928 und sein Bruder Karl wenige Jahre später - begann der wirtschaftliche Abstieg der Firma, der Zweite Weltkrieg trug zudem dazu bei. Danach ging es aber noch einmal kurz bergauf, als Mitte der 1950er Jahre die Mitarbeiterzahl wieder Vorkriegsniveau erreicht hatte. In den Folgejahren ließ jedoch die Qualität der Produkte nach und hygienische Missstände wurden aufgedeckt. Kurz darauf bat man darum, die Schlachtquote auf 200 Schweine und 50 Rinder pro Tag zu erhöhen. Die Stadtverwaltung lehnte jedoch ab, mit dem Hinweis, dass diese Zahlen bestenfalls als Wochenpensum denkbar seien. Eine Entscheidung, die aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbar ist. So hat etwa Fleischriese Tönnies derzeit die Genehmigung, bis zu 30.000 Schweine pro Tag zu schlachten. Es kam, wie es kommen musste. Die Produktion wurde 1959 eingestellt und die Firma aus dem Handelsregister gelöscht. Zwischenzeitlich nutzte Storck die Produktionsräume als Lagerfläche, aber rund 15 Jahre später erfolgte der Abriss. Nun steht die einstige Fabrikantenvilla mit ihren 296 Quadratmeter Wohnfläche wieder im Fokus. Das Haus ist schon länger nicht mehr in Familienbesitz, derzeit allerdings noch bewohnt.

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