Lebensprojekt Badehaus im Kreis Gütersloh: Paar kämpft gegen Mäuse und schnelle Lkw

Halle. Jennifer Enseleit und Pierre Kreilinger sind nicht feige. Das dürfen sie auch nicht sein - sonst würde ihnen ihr neues Zuhause wohl schlaflose Nächte bereiten. Das ehemalige Badehaus Tatenhausen - oder genauer dessen Anbau - steckt voller Unvorhersehbarkeiten. "Am Anfang sah es gar nicht so schlimm aus", sagt die 34-jährige Neu-Hausbesitzerin. "Aber es ist noch einiges dazugekommen." Abbröckelnde Wände, marode Wasserrohre, schiefe Böden und gesprungene Fensterscheiben - die Do-it-Yourself-Handwerker müssen sich mit Grundlegendem auseinandersetzen. Aber von Anfang an: Schon seit einigen Jahren war das Paar, das schon länger in Halle wohnt, auf der Suche nach einem eigenen Haus. Wer allerdings in der selben Situation ist, weiß, dass es derzeit nicht leicht ist, in der Lindenstadt ein Schnäppchen zu machen. "Ich habe das Haus bei Ebay-Kleinanzeigen gesehen", erzählt Pierre Kreilinger. "Abends wurde es reingestellt. Nachts habe ich die Maklerin angeschrieben. Morgens war es dann schon wieder raus." Die Eile macht sich bezahlt. Eine Woche später dürfen die beiden das auffällige Gebäude gegenüber dem Wanderparkplatz besichtigen - als Erste. Etliche weitere Interessenten warten schon vor der Tür. "Ich habe gedacht, das ist bestimmt die übelste Bruchbude. Aber nein", erinnert sich Jennifer Enseleit. "Nach zehn Minuten haben wir zugesagt", weiß Pierre Kreilinger noch. Mehr als 300.000 Euro müssen die beiden für ihr besonderes Domizil aufbringen. Dazu kommen natürlich noch die Renovierungskosten. Auch deshalb machen sie viel selbst. Im Dezember konnten sie endlich anfangen. "Hier war wirklich viel Pfusch drin", erläutert der 37-Jährige bei der Baustellenbegehung. Teilweise habe er fünf Schichten Tapeten abreißen müssen. Der Putz sei dann gleich mit runter gekommen. Für den gelernten Maurer zum Glück kein wirkliches Problem. Veränderungen müssen wegen Denkmalschutz abgestimmt werden "Außerdem war hier der Holzbock drin", berichtet er weiter. Der Befall sei mittlerweile behandelt. Und auch dem restlichen Ungeziefer - vor allem Mäuse seien bei den groben Sandsteinmauern ein Problem - würden sie langsam Herr. Neue Böden, Elektro- und Wasserleitungen sind da schon fast selbstverständlich. Dazu kommt: Das Badehaus steht unter Denkmalschutz. Alle Veränderungen müssen also abgesprochen werden. Und wenn es um mehr als hundert Jahre alte Holztüren oder einfachverglaste Fenster geht, spielen für die Bewohner natürlich auch die Heizkosten eine Rolle. Grundsätzlich versuchen die beiden aber sowieso, wo es geht, den alten Charme des Gebäude wieder hervorzukitzeln. "Wir wollen es rustikal halten", erklärt Kreilinger die Idee. Das eigentliche Badehaus datiert auf die Zeit um 1800. Kurz zuvor waren in der Gegend Mineralquellen gefunden worden. Graf Maximilian von Korff genannt Schmising erkannte das Potenzial und lockte sommerliche Kurgäste nach Halle. 1831 sollen nach Recherchen des Haller Museums Zeiträume insgesamt 45 Logierzimmer zur Verfügung gestanden haben. Trinkkuren, Mineral-, und Dampfbäder später auch Schlammbäder wurden angeboten. Ob die Gäste auch im Anbau logierten, ist nicht klar. In seiner heutigen Form datiert der nämlich erst auf 1907. Zu diesem Zeitpunkt war die Hochzeit der Kureinrichtung bereits vorbei. Greifen die Behörden wegen der Verkehrssituation ein? Das eigentliche Badehaus konnte das Paar nicht kaufen. Es steht schon seit einiger Zeit leer. Aber auch so hat das Paar viel zu tun. Bis Ende des Monats sollen die ersten Zimmer einzugsbereit sein. Während die beiden am Gebäude vieles selbst machen, sind sie, was die Straße angeht, die knapp einen Meter neben dem Haus vorbei führt, auf die Behörden angewiesen. Immer wieder haben dort in den vergangenen Jahrzehnten Lkw das Gebäude gerammt. Auch derzeit sind Dachrinne und Dach beschädigt, ein Profi soll bald Abhilfe schaffen. "Aber der hat schon gesagt, dass die auf jeden Fall wieder abgefahren wird", sagt Pierre Kreilinger. Deshalb hofft er, dass die Stadt Halle eine Lösung findet, die sein "neues" Haus schützt. So oder so sind sich Jennifer Enseleit und Pierre Kreilinger einig, dass sie ihr Traumhaus noch lange beschäftigen wird. "Wenn wir vorne fertig sind, geht es hinten wieder los", prophezeit die 34-Jährige und ihr Mann ergänzt: "Das ist ein Lebensprojekt."

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