Gütersloh

"Mit Fankultur hat das nichts zu tun"

15 Festnahmen nach Gewaltausschreitungen am Heidewaldstadion / Vorwürfe gegen die Polizei

09.11.2009 | 09.11.2009, 00:00
Angegriffen wurden die ebenfalls teilweise vermummten Lippstädter Fans. - © FOTO: MARTINSCHLEDDE
Angegriffen wurden die ebenfalls teilweise vermummten Lippstädter Fans. | © FOTO: MARTINSCHLEDDE
Gütersloh: Nach Gewalt 15 Festnahmen - © GÜTERSLOH
Gütersloh: Nach Gewalt 15 Festnahmen | © GÜTERSLOH

Gütersloh. Auf der deutschen Hooligan-Landkarte, auf der gewalttätige Auseinandersetzungen am Rande von Fußballspielen eingetragen werden, ist der Kreis Gütersloh kein weißer Fleck mehr. Am Freitag wurden, wie berichtet, drei Busse mit Anhängern des SV Lippstadt, die dessen Westfalenligaspiel gegen den FC Gütersloh besuchen wollten, vor dem Heidewaldstadion von einer 80 Personen starken Gruppe vermummter Gewalttäter überfallen. Fünf Personen wurden leicht verletzt, ein Bus beschädigt. Die Bilanz des folgenden Polizeieinsatzes, an der auch eine Einsatzhundertschaft aus Bielefeld beteiligt war: 15 Festnahmen.

Das Szenario an der Heidewaldstraße ist gespenstisch. Aus Vorgärten steigt Rauch auf. Mit bengalischen Feuern sind Lebensbäume in Brand gesetzt worden. Blaulichter kreisen, Martinshörner heulen. Immer mehr Polizeiwagen rauschen heran. Verängstigte Lippstädter stehen am Straßenrand.

"Jetzt kommt jede Menge Polizei, aber wo war die denn, als wir angekommen sind?", fragt einer von ihnen kopfschüttelnd. "Es war doch bekannt, dass hier etwas passieren sollte." Ein anderer, dem der Schrecken noch ins Gesicht geschrieben steht, fragt einen Beamten: "Wer bringt uns denn jetzt ins Stadion, denn wer weiß, was noch alles passiert", Der Lippstädter vermutet Anhänger des FCG hinter dem brutalen Angriff.

Deutliche Ankündigungen im Netz

FCG-Präsident Udo Böning. - © FOTO: HENRIK MARTINSCHLEDDE
FCG-Präsident Udo Böning. | © FOTO: HENRIK MARTINSCHLEDDE

"Unsere Leute haben damit nichts zu tun. Mit einigen habe ich zu dem Zeitpunkt selber gesprochen, viele standen schon im Stadion", versichert Udo Böning. Ausschließen, dass das ein oder andere gewaltbereite Mitglied der nicht unproblematischen FCG-Anhängerschaft mitgeschlagen hat, mag der FC-Vorsitzende aber nicht. "Die Masse war jedenfalls nicht beteiligt, so schnell können die gar nicht gelaufen sein", sagt Böning. Außerdem hätten ihm einige versichert, dass sie sich bewusst herausgehalten hätten, denn die Ankündigungen im Internet seien doch deutlich gewesen.

Gleichwohl wurden, so Böning, einige Fanatics von der Polizei "mit Platzverweisen belegt, beziehungsweise mitgenommen" .
Tatsächlich sind es Hooligans aus Ahlen, Beckum, Münster und Ultras aus Gelsenkirchen, die die Busse aus Lippstadt gegen 19.15 Uhr überfallen, wie die Polizei später feststellt. Aber auch gewaltbereite Anhänger des Handball-Bundesligisten GWD Minden sind beteiligt. Die Täter sollen "als ganz normale Fans" an die Absperrungen gekommen sein und sich auf das Kommando "die Busse kommen" vermummt haben, erzählen Ordner.

"Ich hatte Angst"

"Die haben irgendetwas durch das Fenster geworfen, einen Mülleimer mit Steinen oder so etwas", berichtet ein Zuschauer aus Lippstadt, als er im für Gästefans abgeteilten Teil des Heidewaldstadions zur Ruhe gekommen ist. "Ich hatte Angst, wir wussten überhaupt nicht, was los war." Tatsächlich werden auch Feuerwerkskörper in zumindest einen Bus geworfen und Scheiben eingeschlagen. Die Hooligans benutzen Baseballschläger und Eisenstangen. Rund um die Busse entwickelt sich eine Schlägerei. Als die Polizei eintrifft, ist der Spuk vorbei. Die Hooligans flüchten in Gärten, Straßen und den Stadtpark. Anwohner wollen später gehört haben, dass sie sich suchten, um sich wieder zu sammeln.

Die Ausschreitungen von Freitag führen zu vielen Fragen. Saßen in den Bussen wirklich nur Fußballfreunde, die eine günstige Fahrgelegenheit nutzten? War nicht zumindest einigen von ihnen wegen der Verabredungen in Internetforen sehr wohl bewusst, auf was sie sich einließen? "Überleg dir was du schreibst, wir kennen dein Gesicht", bekommt ein Journalist zu hören. In ihrem Fanblock zünden SVL-Fans später bengalische Feuer und gefährden damit sogar ihren eigenen Stürmer Manuel Eckel beim Torjubel. Einige klettern mit vermummten Gesichtern auf den Zaun.

"Es gibt viel zu klären"

"Es gibt viel zu klären", findet auch Udo Böning. Heute soll ein Gespräch des FCG-Vorstandes mit der Polizei stattfinden. Austauschen will sich Böning wie schon vor dem Spiel mit den Kollegen beim SV Lippstadt. "Wie kann es sein, dass wir als Vereine auf die Gefahrensituation hinweisen, auf Anordnung von Ordnungsamt und Polizei die Heidewaldstraße absperren müssen und dann sind keine Einsatzkräfte vor Ort?", fragt der FCG-Chef. Ob sich der FCG möglicherweise vor dem Fußballverband verantworten muss, vermag Böning noch nicht zu sagen. "Nur weil wir der FC Gütersloh sind und da schon mal was war, kann man uns doch nicht verantwortlich machen. Und Fakt ist doch wohl, dass diese Ausschreitungen nichts mit Fußball und auch nichts mehr mit Fankultur zu tun haben."