
Gütersloh. Zum Beginn der kalten Jahreszeit werden Igel rege. Die Tiere sind unterwegs, um sich vor dem Winterschlaf ordentlich Speck anzufressen. Dabei überqueren sie auch Straßen - und geraten in höchste Gefahr. Das Überleben der Igel im Allgemeinen und das der Tiere am Stadtring Kattenstroth im Besonderen beschäftigte eine Gütersloherin so sehr, dass sie eine zehnseitige, akribisch ausgearbeitete Bürgeranfrage verfasst hat. Mit dieser beschäftigt sich der Ausschuss für Umwelt und Ordnung in seiner nächsten Sitzung.
Als "sehr gut recherchiert" lobt die Erste Beigeordnete Christine Lang die Anfrage, anhand der im Ausschuss mögliche Schutzmaßnahmen diskutiert werden sollen. Informationen zum Thema haben die Politiker durch das Schriftstück jedenfalls reichlich erhalten. "Wie können Igel am Gütersloher Stadtring überleben?" hat die namentlich nicht genannte Tierfreundin ihre Ausarbeitung betitelt. Darin schildert sie im Stile einer wissenschaftlichen Arbeit - mit Deckblatt, Inhaltsverzeichnis und Literaturangaben, aber auch mit dramatischen Worten - die Situation der Igel im Gütersloher Süden.
Der Igel im Straßenverkehr
Laut der Verwaltung der Stadt Gütersloh gehört der Igel "unstrittig zu den durch Straßenverkehr besonders betroffenen Arten".Schätzungen gehen davon aus, dass jährlich auf deutschen Straßen eine halbe Million Igel überfahren werden.
Trotzdem zählt der Igel bundes- und landesweit nicht zu den gefährdeten Arten; sein Bestand wird als "häufig" eingestuft.
In sogenannten Optimalbiotopen können in Vorstadtgebieten bis zu 300 Igel pro Quadratkilometer leben.
Die Autorin habe in den vergangenen Jahren zwischen August und November eine "erhöhte Todesrate von Igeln" auf dem Stadtring festgestellt. Zwischen Schledebrückstraße und Verler Straße habe sie in einem "Abstand von etwa 200 Metern Igelleichen" entdeckt - was womöglich nur eine unvollständige Momentaufnahme gewesen sei. Denn "wissenschaftliche Untersuchungen" hätten gezeigt, dass nach einem Tag 65 Prozent der Kadaver verschwunden seien. Deshalb legte sich die Gütersloherin selbst auf die Lauer: In einer "wärmeren Oktobernacht" habe sie innerhalb einer halben Stunde "gleich drei Igel auf der Höhe der Heidewaldschule bei der Überquerung der Fahrbahn" beobachtet.
Den Tieren müsse geholfen werden, fordert die Verfasserin der Anfrage. Zwar sei der Igel in seiner Art nicht gefährdet, doch schütze das Tierschutzgesetz "nicht nur die Art, sondern auch das Individuum". Zudem kämen etwaige Maßnahmen nicht nur dem stacheligen "Sympathieträger", sondern auch anderen Kleintieren zugute. Und letztlich sei es eine Frage an "unser Selbstverständnis als Menschen und an unsere Fähigkeit zur Empathie", die als Grundlage einer jeden Gesellschaft gesehen werden könne.
Als Maßnahmen zum Schutz der Igel zieht die Tierfreundin eine Untertunnelung des Stadtringes in Betracht, auch Brückenelemente oder nächtliche Beleuchtung ("Nach meiner persönlichen Beobachtung gehe ich davon aus, dass Igel das Licht scheuen") seien denkbar.
"Flankierend" könnten Geschwindigkeitskontrollen oder Warnschilder wirkungsvoll sein. "Jede Maßnahme, die das artgerechte Überleben der Igel sichert, ist eine sinnvolle Maßnahme", so die Tierfreundin.
Wie sinnvoll und vor allem wie machbar solche Maßnahmen sind, wird der Ausschuss für Umwelt und Ordnung am Montag, 15. September, erörtern. Eine Anfrage der Fraktion der Grünen liegt bereits vor, die sich unter anderem mit der Entwicklung des Verkehrs am Stadtring befasst und die Frage aufwirft, ob es noch weitere Stellen in Gütersloh gibt, an denen Igel gefährdet seien.
Im Vorfeld der Sitzung hat die Verwaltung etwaige Maßnahmen geprüft. Sie kam dabei durchaus zu anderen Ergebnissen als die Bürgerin. Während diese eine Bohrung unter der Straße als "relativ problemlos" einstuft, kommt die Erste Beigeordnete Christine Lang zu dem Schluss, dass eine Press- oder Räumbohrung "sehr aufwendig und sehr teuer" sei. "Sie erfordert riesige Start- und Zielbaugruben und hier eine hohe Präzision, da sie unterhalb des Straßenaufbaues zwischen vorhandenen Versorgungsleitungen und Kanal erfolgen müsste." Sollten jedoch in der Fahrbahn irgendwann mal Tiefbauarbeiten stattfinden, könnten entsprechende Rohre verlegt werden. Auch einer Blitzer-Aktion erteilt Lang eine Absage: Radaranlagen würden nur bei einer "besonderen Unfallhäufigkeit" eingesetzt - und die sei am Stadtring nicht gegeben. Gegen die Aufstellung von Warnhinweisen spräche hingegen nichts.