Gütersloh

Wenn die Rente nicht reicht

Altersarmut in Kreis Gütersloh: Immer mehr Ältere beantragen staatliche Hilfe

21.12.2012 | 21.12.2012, 00:00
Immer mehr ältere Menschen mit zu geringer Rente sind auf karitative Angebote wie kostenlose Lebensmittel der Tafel, Kleiderkammern oder Sozialkaufhäuser angewiesen. - © FOTO: DPA
Immer mehr ältere Menschen mit zu geringer Rente sind auf karitative Angebote wie kostenlose Lebensmittel der Tafel, Kleiderkammern oder Sozialkaufhäuser angewiesen. | © FOTO: DPA

Kreis Gütersloh. Altersarmut ist derzeit kein drängendes Problem – sagen die Berater des Wirtschaftsministers. Ein Problem ist es dennoch und es wird ein drängendes. Auch im wohlhabenden Kreis Gütersloh nimmt die Zahl der Rentner stetig zu, die von ihrem Einkommen nicht leben können. Durchschnittlich um fünf Prozent pro Jahr, seit 2005 sogar um 34 Prozent.

Laut Europäischer Union gilt derjenige als "arm", der weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens seines Heimatlandes zur Verfügung hat. In Deutschland sind das 848 Euro monatlich. Wer – so die Faustregel der Deutschen Rentenversicherung – weniger als 756 Euro Rente bezieht, hat Anspruch auf die Grundsicherung, d.h. auf Zuschüsse zum Lebensunterhalt, Miete, Heizung. 2011 haben 1.343 Personen über 65 Jahren im Kreis diese Beihilfe erhalten, Tendenz steigend. Zumeist sind es alleinstehende Frauen (64 Prozent), die aufgrund von Kindererziehung, Pflege von Angehörigen nicht ununterbrochen gearbeitet haben oder aber Zeit ihres Erwerbslebens nur ein geringes Einkommen hatten.

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Grundsicherung

Als Faustregel gilt: Menschen, deren Einkommen unter 742 Euro liegt, haben Anspruch auf Grundsicherung. Darin sind alle Leistungen (u.a. Zuschuss zu Miete und Lebensunterhalt), enthalten, die auch nach dem Sozialhilferecht gezahlt werden. Auf das Einkommen der Kinder wird erst zurückgegriffen, wenn diese mehr als 100.000 Euro verdienen. Die Grundsicherung ist keine Rente, sie wird aus Steuermitteln finanziert. Beantragt wird sie in Gütersloh im Rathaus II, Fachbereich Soziales. (ai)

Judith Schmitz, Abteilungsleiterin Soziales beim Kreis, spricht zudem von einer hohen Dunkelziffer. Vermutet wird die doppelte Zahl der jetzigen Grundsicherungsempfänger. "Alleinstehende Frauen über 65 melden ihre Ansprüche nur selten an, vermutlich um nicht als ,Schmarotzer’ zu gelten."

Hans-Jürgen Trendelkamp, Geschäftsführer der " Tafel" , bestätigt das. Es gebe zunehmend Rentner, die das Angebot (kostenlose Lebensmittel) in Anspruch nehmen würden. Dennoch sei, trotz der Anonymität des Angebots, bei vielen noch Scham oder Stolz vorhanden, "Almosen" anzunehmen. Die Kriegsgeneration sei es über dies gewöhnt, mit einem Geldbetrag auszukommen, der zum Leben eigentlich nicht reiche. Man versuche, etwa über Seniorenverbände, diese Bedürftigen zu erreichen. Es seien oft Frauen, die zu wenig verdient hätten, um eine auskömmliche Rente zu beziehen. "Das wird mit der kommenden Rentnergeneration ein noch größeres Problem. "Solange die Frauen in Paarhaushalten leben und gemeinsam wirtschaften können, reicht das Einkommen. Stirbt jedoch der Mann, ist die eigene und die Witwenrente oft zu gering", sagt Judith Schmitz.

Die gleichen Erfahrungen macht Mechthild Reker, Fachberaterin für Seniorenarbeit bei der Caritas. "Wir erleben es häufiger, dass sich Besucher unserer Seniorennachmittage den geringen Unkostenbeitrag lieber vom Munde absparen, als um einen Zuschuss zu bitten."

Sie sagt aber auch, dass die Altersarmut in einem ländlichen Kreis wie Gütersloh nicht so ausgeprägt sei wie in den Großstädten. Doch auch hier wird die gesellschaftliche und demografische Entwicklung für eine Zuspitzung sorgen. Schmitz erwartet einen Anstieg der Altersarmut, u.a., weil das Rentenniveau bis 2030 auf 43 Prozent des Nettoeinkommens sinken soll und eine private Altersvorsorge von jenen, die über ein geringes Einkommen verfügen, nicht aufzubringen ist. Die Zahl der Geringverdiener lag im Kreis im Juni 2012 bei 19,9 Prozent.

Wolfgang Lakämper, Fachbereichsleiter Soziales bei der Stadt Gütersloh: "Die Anzahl aller alleinstehenden Personen, die Grundsicherung beziehen, steigt, im Vergleich zur demografischen Entwicklung überproportional." Mit anderen Worten: Die Zunahme von Altersarmut resultiert nicht allein aus den Tatsache, dass immer mehr Menschen immer älter werden.