Gütersloh

"Unter Druck gesetzt"

45-Jähriger gibt Speichelprobe nach Polizeieinsatz ab

23.10.2010 | 23.10.2010, 00:00

Gütersloh (ai). Nach Ansicht mancher Bürger, zumal jener, die sich um Datenmissbrauch sorgen, geht die Polizei bei dem Massenspeicheltest mit äußerst befremdlichen Methoden vor. Ein 45-jähriger Gütersloher gab seine Probe "freiwillig" ab, nachdem er sich von Beamten massiv unter Druck gesetzt fühlte.

Wie mehrfach berichtet, läuft seit vergangenem Jahr in Gütersloh ein DNA-Test, um den Mord an der 67-jährigen Witwe Ingrid Amtenbrink aufzuklären. Sie war im Mai 2009 erwürgt in einem Kornfeld aufgefunden worden.

Fast 12.000 gaben sie bis heute freiwillig ab, mehr als zwei Dutzend Männer weigerten sich. Darunter der 45-Jährige. Den Beamten habe er erklärt, dass er prinzipiell Bedenken dagegen habe, "dass der Staat Daten seiner Bewohner sammelt". Bei einem Verhör durch Staatsanwalt Udo Vennewald habe er seine Bedenken wiederholt, aber gleichzeitig seine Bereitschaft signalisiert, die Probe abzugeben, falls eine Anordnung ergehe. "Herr Vennewald hat mir zugesagt, mich zu benachrichtigen", so der 45-Jährige.

Dennoch seien am Morgen des 17. Juli in seiner Abwesenheit fünf Polizeibeamte auf seinem Grundstück aufgetaucht. Laut Schilderung seiner Nachbarin gegenüber der NW, hätten sich die Beamten mit dem Satz "Aufmachen, sonst brechen wir die Haustür auf" Einlass verschafft, sie darüber informiert, dass der 45-Jährige Hausbesitzer unter Mordverdacht stünde und anschließend Wohnung und Keller durchsucht. Sie hätten damit gedroht, den 45-Jährigen auf seiner Arbeitsstelle aufzusuchen und in seinem Bekanntenkreis zu ermitteln.

"Ich arbeite im Öffentlichen Dienst mit Jugendlichen und Kindern, da wäre ein Polizeibesuch alles andere als angenehm", so der Angestellte im NW-Gespräch. Er habe sich derart unter Druck gesetzt gefühlt, dass er den Test auf der Polizeiwache abgegeben habe. Bis heute habe er keinen richterlichen Beschluss oder einen Hausdurchsuchungsbefehl gesehen.

Die gab es aber, wie der zuständige Staatsanwalt Udo Vennewald erklärte. Zum Vollzug könne er allerdings nichts sagen, da die Fallakte bei den Ermittlern der Mordkommission liege. Die waren für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Ob der 45-Jährige seine Bereitschaft bei der Vernehmung im Frühjahr geäußert habe, die Probe freiwillig abzugeben, könne er aus der Erinnerung nicht sagen, so Vennewald. Selbst wenn, zeige die Erfahrung der Behörden, dass Menschen ihre Meinung mitunter ändern würden. Nicht immer kündige die Polizei den Vollzug der richterlichen Anordnung an, sagte Vennewald. Denn dies berge das Risiko, dass sich der Betreffende "gezielt vorbereite". Vennewald spielt damit auf den Fall Axel Schöpf an, der sich der Zwangsentnahme mit einem Küchenmesser zunächst widersetzt hatte (die NW berichtete).

Eine solche Zwangsentnahme wird es künftig nur noch in begründeten Fällen geben. Das Landgericht Bielefeld hat jetzt den Beschluss erlassen, dass es nicht ausreicht, einen Mann nur deshalb unter Mordverdacht zu stellen, weil er in der Nähe des Opfers wohne oder gewohnt habe und für den Tattag kein Alibi vorweisen könne. Vennewald: "Natürlich halten wir uns an den Beschluss. Wir werden andere Methoden der Ermittlung anwenden, mit den Verweigerern noch einmal das Gespräch suchen." Da es sich um einen Beschluss und nicht um ein Urteil handele, sei die Entscheidung der Kammer auch nicht in einer höheren Gerichtsinstanz anfechtbar.

Für den 45-Jährigen kommt der Beschluss zu spät. Nach seiner Aussage treffen auf ihn dieselben Voraussetzung wie auf Axel Schöpf zu: "Ich kannte das Opfer nicht, lediglich mein Wohnsitz liegt im weiteren Umfeld des Fundorts der Leiche."