Gütersloh. Das Korn steht längst nicht so hoch wie vor einem Jahr. Damals, Christi Himmelfahrt 2009, erreichte der Roggen annähernd Brusthöhe, und eine Leiche wie die von Ingrid Amtenbrink, 1,59 Meter groß und 53 Kilo schwer, ließ sich in diesem Feld leicht verstecken, ohne dass sie Spaziergänger vom nahen Blankenhagener Schulpättken entdecken konnten. Vielleicht auch das ein Grund, dass der Mord bis heute unaufgeklärt ist.
Ralf Gelhot, Leiter der Mordkommission "Korn", steht ein Jahr nach dem Verbrechen wieder vor dem Getreidefeld unweit des Meierhofes Rassfeld und der Holler Straße. "Es macht mich traurig, dass es uns bis heute nicht gelungen ist, den Mörder zu schnappen. Vor allem tut es mir für die Angehörigen leid."
Viele Tage und manche Nacht hat sich Gelhot über die Tat den Kopf zermartert, und eigenlich, sagt er, sind für ihn kaum noch Fragen offen - bis auf die beiden wesentlichen: Wer hat die 67-jährige Witwe damals getötet? Und warum?
Auch wenn Gelhot und die Sonderkommission wieder abgezogen sind nach Bielefeld, und auch wenn der 44-Jährige einräumt, dass sich auf seinem Tisch schon wieder andere Fälle stapeln, hat er die Hoffnung nicht aufgegeben: "Irgendwann kriegen wir den Kerl."
Eine Hoffnung, die die älteste Tochter von Ingrid Amtenbrink, Birthe Nolte, gerne teilen möchte, aber es fällt ihr schwer. "Mit jedem Tag, der verstreicht, richte ich mich mehr und mehr darauf ein, dass wir den Mörder und den Grund der Tat nie erfahren werden." Dass einer der größten Massengentests der deutschen Kriminalgeschichte, bei dem 12.000 Männer gespeichelt wurden, keinen Erfolg gebracht habe, enttäusche sie zutiefst. "Die Polizei war doch anfangs so zuversichtlich. Ich verstehe das nicht." Nun setze sie ihren letzten Funken Hoffnung in die Sendung Aktenzeichen XY, die im Juni ausgestrahlt werden soll, und darin, dass der Täter möglicherweise in vielen Jahren über eine andere Straftat gefasst und durch Abgleich seiner DNA endlich überführt wird.
Das Schlimmste, so Nolte, sei die Ungewissheit. "Das erschwert es, darüber hinwegzukommen." Einen anderen sehnlichen Wunsch verwehrt ihr die Polizei: "Wir würden auf dem Grabstein unserer Mutter gerne den Todestag eintragen, aber man nennt ihn uns nicht."
Es ist nicht die einzige Angabe, die die Polizei für sich behält. Todesursache? "Kein Kommentar", sagt Gelhot, auch nicht dazu, dass eine Notärztin beim Auffinden der Leiche von einer "unbedeutenden Wunde" am Kopf gesprochen oder ein Zeuge Würgemale am Hals gesehen haben soll. Tatort? "Kein Kommentar", sagt Gelhot, und lässt die Öffentlichkeit weiter darüber spekulieren, ob Ingrid Amtenbrink vielleicht noch einige Tage gefangen gehalten wurde, bevor der Mörder sie im Kornfeld ablegte. Tatmotiv? "Kein Kommentar", sagt Gelhot, und lässt damit offen, ob es sich bei der vorgefundenen Täter-DNA um Sperma oder anderes handelt.