Landrat Adenauer verlässt den Kreis Gütersloh: „Mir hat damals auch keiner geholfen“

Herr Adenauer, in wenigen Tagen endet ihre Amtszeit als Landrat des Kreises Gütersloh. Wenn Sie zurückblicken, was hat sich in den 26 Jahren Ihrer Amtszeit im Kreis Gütersloh verändert? Sven-Georg Adenauer: Auf jeden Fall das Anspruchsdenken der Menschen an den Staat. Die Kreisverwaltung ist unter ständiger Beobachtung - auch der Kommunen, gerade in Zeiten schwieriger finanzieller Rahmenbedingungen. In den vergangenen Jahren haben wir auch immer mehr Aufgaben bekommen, die das Land, der Bund oder die EU auf die Kommunen verlagert haben - ohne wirklichen finanziellen Ausgleich. Haben Sie dazu Beispiele? Viele, viele. Nehmen Sie beispielsweise das neue Cannabisgesetz, das sowohl im Bereich des Sachgebietes Fahrerlaubnisse als auch im Sachgebiet Lebensmittelüberwachung zu erheblichem Mehraufwand führt. Oder der Zivilschutz fällt mir ein: So ist beabsichtigt, dass im Zivilschutz Objekte ausfindig gemacht werden sollen, die bei einer Bedrohungslage geschützt werden müssen. Außerdem ist bereits angekündigt worden, dass eine Erfassung von Schutzräumen zu erfolgen hat, in der die Bevölkerung Schutz finden kann. In Ermangelung von Bunkern können dies beispielsweise Tiefgaragen etc. sein. Was war für Sie während ihrer Amtszeit am herausforderndesten? Natürlich die Corona-Zeit. Wenn ich nur daran denke, dass Menschen mit GT-Kennzeichen in manchen Städten Deutschlands zeitweise unerwünscht waren! Im Rückblick sei das zwar eher ein Randthema, aber es zeigt auch, wie irrational Menschen reagieren können. Aber die Corona-Zeit war wirklich eine Herausforderung. Nicht nur für mich, für die gesamte Verwaltung, die als Team Großes geleistet hat. Nie vergessen werde ich, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel mich anrief, mir Mut gemacht hat und den Rücken gestärkt hat. Sie lobte, dass es gelungen sei, dass das Virus damals nicht auf die übrige Bevölkerung übergesprungen sei – auch wenn das zum Preis von Schul- und Kitaschließungen geschehen ist. Im Rückblick eine der Entscheidungen, die mir am schwersten gefallen ist. Welche weiteren prägenden Ereignisse fallen Ihnen ein? Da ist zum einen der Bau der A33 - da bin ich schon stolz, dass das geklappt hat. Wenn ich nur noch daran denke, wie sich der Verkehr seinerzeit durch Halle gequält hat! Da gab es beim Amtsgericht gegenüber sogar eine Hausecke, wo die Laster Gefahr liefen, dagegen zu fahren! Lesen Sie auch: Doch kein Möbelgutschein: Gütersloher Sven-Georg Adenauer räumt Fehler ein Es hat mich gefreut, dass es geklappt hat, trotz aller Widerstände, dieses Straßenbauprojekt zu einem guten Ende zu führen. Das war richtig und wichtig für die Wirtschaft. Es ist zwar eine Binsenweisheit, aber wenn es der Wirtschaft im Kreis gutgeht, dann geht es auch den Menschen gut. Sie sind vor 26 Jahren hier angetreten mit dem Slogan &bdquo;Voller Power Adenauer“ und haben als erstes die Starenkästen ins Visier genommen. Damals standen hier im Kreis 23, jetzt sind es nur noch elf. Dennoch wird aber heute im Kreis nicht weniger geblitzt! Da hat sich meine Einstellung im Laufe der Zeit geändert. Dort, wo wir Unfallschwerpunkte sehen, bauen wir gezielt wieder eine Überwachung auf. Inzwischen hat sich zudem bei uns die Erkenntnis durchgesetzt, dass man die Raser im Straßenverkehr nur bremsen kann, wenn sie überall unabhängig von Unfallschwerpunkten damit rechnen müssen, geblitzt zu werden. Es hat mich sehr betroffen gemacht, dass die Zahl der Verkehrsunfälle im Kreis hier sehr hoch ist - da haben wir uns einiges einfallen lassen. Es gab zahlreiche Aktionen der Polizei, von Aufklärungsgesprächen beim Anhalten bis hin zu speziellen Veranstaltungen für junge Fahrer. In den vergangenen zwei Jahren gehen die Zahlen ein wenig zurück - ich hoffe, dass dieser Trend hält. Was haben Sie als Chef der Kreispolizeibehörde erreichen können? Die Kriminalitätsentwicklung ist deutlich zurückgegangen - besonders bei den Wohnungseinbrüchen. Unsere Beamten beraten bei der Aktion &bdquo;Das sichere Haus“ Wohnungseigentümer, wie sie ihr Haus oder ihre Wohnung sicherer machen können. Mehr als 1.100 Häuser tragen im Kreis die Plakette und noch nie ist in eines der Plaketten-Häuser erfolgreich eingebrochen worden, es ist maximal bei einem Versuch geblieben. Die Menschen im Kreis leben sicher! Ist es Ihnen gelungen, die Grenze zwischen Nord- und Südkreis in den Köpfen der Menschen einzureißen? Das hoffe ich. Ich freue mich, dass es bei einem Kennzeichen - GT - für den Kreis Gütersloh geblieben ist. Zweimal wurde im Kreistag darüber abgestimmt, ob man nicht die alten Kennzeichen HW und RW wieder einführen sollte. Es war mir ein Anliegen, dass wir ein Kreis sind. Lesen Sie auch: Kommunalwahl im Kreis Gütersloh: So viele Briefwähler gab es noch nie Und nehmen Sie nur die Fusion der Sparkassen, für die ich mich immer starkgemacht habe. Wir haben jetzt eine gemeinsame Sparkasse Wiedenbrück - Halle. Das ist auch ein Schritt, den Kreis weiter zusammenzuführen. Worauf sind Sie besonders stolz? Eine Sache, auf die ich stolz bin, ist auf jeden Fall unser schönes Böckstiegel-Museum in Werther. Als wir damals gesagt haben, wir treten als Kreis Gütersloh das Erbe des Künstlers an, war klar, dass wir uns auch darum kümmern müssen. Es ist wirklich ein Kleinod im nördlichen Teil des Kreises entstanden. Zufrieden bin ich auch mit der Leistung meiner Verwaltung. Nur ein Beispiel: Es dauert im Schnitt 17 Minuten, bei uns ein Auto anzumelden. Woanders müssen Sie sich dafür einen Tag Urlaub nehmen. Wir sehen uns als Dienstleister für die Menschen, die Wirtschaft und die Kommunen. Das mit dem Begriff der Ermöglichungsbehörde ist mir durchaus ernst: Wir haben schon vor mehr als zehn Jahren die digitale Bauakte eingeführt. Und wir schulen regelmäßig die Architekten im Kreis und erläutern ihnen die neuesten Änderungen im Baugesetzbuch, damit die Baugenehmigungen schnell erfolgen können. Gibt es noch Unerledigtes? Ich denke, es ist alles auf einem guten Weg. Auch unser Gefahrenabwehrzentrum in Verl-Sürenheide. Der Kreistag hat zugestimmt und wie ich den Kreis kenne, werden wir auch im Zeit- und Kostenrahmen bleiben. Das schaffen auch nicht alle. Das hängt aber auch damit zusammen, dass die Politik und Verwaltung hier Hand in Hand arbeiten. Welche Tipps geben Sie Ihrer Nachfolgerin/Ihrem Nachfolger mit auf den Weg? Gar keine. Mir hat damals am Anfang auch keiner geholfen. Die neue Landrätin oder der neue Landrat soll eigene Ideen entwickeln. Lesen Sie auch: Mehr als 70.000 Euro: Gütersloher Landrat Adenauer macht Nebentätigkeiten öffentlich Ich werde ein Haus hinterlassen, das blitzsauber aufgestellt ist. Aber natürlich kann er oder sie mich jederzeit gerne anrufen. Sind Sie gespannt auf den neuen Kreistag? Mir waren immer ein gutes Klima und ein gutes Miteinander wichtig. 90 Prozent aller Entscheidungen sind einstimmig oder mit großer Mehrheit gefallen. Zusammen haben wir viel hinbekommen. Die Menschen wollen nicht, dass man sich ständig zofft und streitet. Sie waren aber auch nicht immer einer Meinung mit dem Kreistag. Stimmt, der Verkauf der RWE-Aktien damals, da war ich dagegen. Aber das war politisch so gewollt, da wollte man wohl nicht, dass ich in irgendwelchen Gremien sitze. Und auch den Ausstieg aus der Paderborner Flughafen GmbH fand ich nicht richtig. Bei der Diskussion um Stalag ist Ihnen ihre Fraktion auch in den Rücken gefallen. Da haben wir aber dann einen guten Kompromiss gefunden. Aber das Thema ist immer noch nicht ganz in trockenen Tüchern. Wird sich etwas ändern, wenn nach der Wahl die AfD eventuell mit noch mehr Mitgliedern in den Kreistag einzieht? Im Moment sind es ja nur drei Sitze. The trend is your friend - das werden dann eventuell mehr werden. Der Ton wird vermutlich etwas lauter und rauer. Aber die AfD ist eine Partei, die mit auf dem Wahlzettel steht, da müssen wir mit umgehen. Wir hatten im Kreis Gütersloh ja schon den skurrilen Fall, dass die AfD mit der FDP zusammengearbeitet hat. Ich hoffe, dass das Klima des Miteinanders auch zukünftig besteht. Was steht für ihre letzten Wochen im Kreis noch auf Ihrer To-do-Liste? Noch viele Veranstaltungen und Abschiede, ich war, glaube ich, gerade auf meinem letzten Schützenfest. Übrigens ein tolles Beispiel für das große ehrenamtliche Engagement hier im Kreis. Auch in den Sportvereinen wird unheimlich viel Positives geleistet. Nicht nur jede fünfte Wurstscheibe kommt aus dem Kreis Gütersloh, in diesem Kreis ist auch jeder dritte Einwohner Mitglied in einem Sportverein. Zum Thema Abschied: Ich war gerade noch einmal in unserem Partnerkreis im lettischen Valmiera. Dort können wir uns noch einiges abgucken - hier geht man ganz pragmatisch an die Dinge heran und mit weniger Bürokratie. Werden Sie das Geschehen im Kreis Gütersloh demnächst aus der Ferne noch weiterverfolgen? Auf jeden Fall. Der Kreis Gütersloh ist mir sehr ans Herz gewachsen. Ich habe noch nie so lange an einer Stelle gelebt. Ich habe auch echte Freunde hier, zum Beispiel in meinem Tennisclub in Verl. Wenn ich mit denen zusammen war, war ich nicht der Landrat, sondern einfach nur der Sven. Sie verlassen den Kreis in Richtung Rheinland und haben dort bereits Pläne - sie möchten Präsident des 1. FC Köln werden. Ich kann Ihnen sagen: Es ist einfacher Landrat zu werden, als FC-Präsident! Der Wahlkampf für das Amt ist viel anstrengender. Gerade stelle ich mich beispielsweise den verschiedenen Fangruppen vor. Und es gibt auch eine Wahlkampfarena vom Kölner Express und vom Kölner Stadtanzeiger gemeinsam mit meinen beiden Mitstreitern. Da muss man gut vorbereitet sein, aber ich habe ein gutes Team im Background. Wir haben 30.000 Flyer gedruckt, eine Internetseite auf die Beine gestellt, Videoleinwände angemietet - das ist schon ein enormer Aufwand, auch finanziell. Werden Sie den Kreis Gütersloh vermissen? Ich werde viele weinende Augen haben. Ich sage auch bewusst &bdquo;Auf Wiedersehen“. Ich werde immer wieder gerne hierhin zurückkommen.

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