Fast jeder Gütersloher kennt dieses Haus auf beliebter Ferieninsel am Meer

Gütersloh. Manche waren mittlerweile mehr als 50 Mal dort, manche kommen mehrmals im Jahr, manche in vierter Generation. Das Haus Wolfgang, dieses Ferienidyll auf Spiekeroog, lässt nur wenige los, die einmal davon gepackt sind. Einzelreisende, Paare, Familien: Sie alle nutzen die Gelegenheit, sich Nordseeluft um die Nase wehen zu lassen und dort eine erholsame Zeit zu verbringen. Seit exakt hundert Jahren nun. Einst als Ort gegründet, um bedürftigen Güterslohern einen Urlaub zu ermöglichen, hat das Haus Kriege und Stürme überstanden. Rund 1.500 Menschen reisen jedes Jahr hin, die meisten aus der Stadt und dem Kreisgebiet. Vergleichbares findet man nirgends. Ausgelagertes Pilgerziel, der neunte Gütersloher Stadtteil: Es kursieren sehr pointierte Zuschreibungen für diese Stätte, ein Ort, der auch aus anderem Grund bemerkenswert ist: Kein anderer hat einen derart direkten und schönen Zugang zum Strand. Haus Wolfgang ist eine evangelische Ferienstätte Dass das Jubiläum gefeiert gehört, ist allen Beteiligten klar. Diesen Donnerstag, Christi Himmelfahrt, ist es so weit. In der Erlöserkirche wird mit Gästen Gottesdienst gefeiert, es wird Mittagessen serviert, Kaffee und Kuchen gereicht, der Bläserchor Blankenhagen spielt. Hintergrund: Das Haus Wolfgang, manch einer mag das nicht so auf dem Schirm haben, ist eine evangelische Ferienstätte. Früher war das bedeutsam, heute nicht; jeder ist willkommen. Was ist das Geheimnis von Haus Wolfgang? &bdquo;Das Erleben von Gemeinschaft“, sagt Annette Teismann, Schatzmeisterin des Trägervereins. Niemand müsse sich dort einsam fühlen. Wer sich einquartiere, erfahre ein besonderes Miteinander, habe zumindest die Gelegenheit dazu. &bdquo;Es ist dieser Spirit dort“, sagt Teismann. Oft dauert es nur Minuten, bis die ersten Plätze vergeben sind Haus Wolfgang scheine ein Ort zu sein, in dem Menschen sich gerne einander zuwenden, in dem es Spaß mache, zusammen zu essen, zu reden, zu spielen. &bdquo;Alles kann, nichts muss.“ Diese Freiheit sei spürbar, die Zugewandtheit auch. 32 Zimmer bietet die Unterkunft. Vollverpflegung, Sorglos-Pakete. Kommt Ende Oktober/Anfang November das Programm heraus, dauert es nur Stunden oder gar Minuten, bis die ersten Plätze vergeben sind. &bdquo;Diese Begeisterung ist beeindruckend“, sagt Heike Briese, Geschäftsführerin der Haus Wolfgang GmbH. Lesen Sie auch: Frau aus dem Kreis Gütersloh zieht dank Jobangebot auf Trauminsel &bdquo;Viele Leute warten nur auf diesen Moment.“ Oft seien es große Gruppen, bei Senioren- und Familienfreizeiten beispielsweise, die gerne zusammen reisen wollen. Briese und ihr Team (neun Beschäftigte) arbeiten wie ein Reisebüro. Sie haben gut zu tun. Die Fahrten sind zu organisieren, das Haus ist in Schuss zu halten, Finanzen und Verwaltung sind zu regeln. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Haus Wolfgang e.V. (@haus_wolfgang) Einsatz der Ehrenamtlichen hilft, Freizeiten bezahlbar zu halten Im Blick hat Briese auch ein Team von rund 50 Ehrenamtlichen. &bdquo;Ohne sie würde es kaum funktionieren“, sagt Briese. Die Ehrenamtlichen sind als Freizeitbegleiter dabei, packen als Handwerker an. Spiekeroog-Reisende wissen das: Ist irgendwo etwas zu hämmern, zu pinseln, zu schrauben, rückt das &bdquo;Rödelteam“ an: Helfer, meistens Rentner, die Zeit und zwei rechte Hände haben. Im Frühjahr machen sie Haus startklar, im Herbst winterfest. Der Einsatz dieser Ehrenamtlichen hilft, die Freizeiten bezahlbar zu halten. &bdquo;Wir sind nicht auf Gewinnmaximierung aus“, sagt Briese. Auch Rentner und Alleinerziehende mit schmalem Portemonnaie sollen sich die Fahrt leisten können. Wer knapp bei Kasse ist, bekommt Unterstützung – ein Anliegen, das seit 1925 gilt und das dem Trägerverein und der Stiftung Haus Wolfgang unverändert wichtig ist. Dafür sammeln sie Spenden ein, &bdquo;je mehr, desto lieber“, sagt Teismann. Auch die Renate-Gehring-Stiftung unterstützt nach Kräften. Erfolg der Ferienstätte war 1925 kaum abzusehen Rund 40 Mitglieder zählt der Trägerverein aktuell, so Teismann. Das sei stabil und okay. Das Konstrukt funktioniert so: Der Verein, dem das Haus gehört, vermietet es an die GmbH, deren Gesellschafterin wiederum die Stiftung ist. Auf dieses Modell stellte man 2018 um, als das Finanzamt bei Vereinen drängelte, ihre gewerblichen Umsätze in getrennten Firmen auszuweisen. Eine der vorrangigen Aufgaben des Vereins ist es nun, sich um die Ehrenamtlichen zu kümmern, um deren Organisation und Koordination. &bdquo;Mein Eindruck ist, das gelingt uns ganz gut“, sagt Teismann. Selbst bei den Freiwilligen habe man sich zuletzt verjüngt. Lesen Sie auch: Chefs von Praxis im Kreis Gütersloh spendieren Mitarbeitern Kurzurlaub auf Ferieninsel Dass die Ferienstätte derart beliebt würde, war damals, 1925, kaum abzusehen. Pastor Johannes Niemann war es, der die erste Erholungsfreizeit organisierte. Wie er darauf kam? Dazu gibt es eine nur eine vage Erklärung. Reise als Erholung nach bitteren Kriegs- und Inflationsjahren In der Chronik (von Willi Schellhase) heißt es, er sei &bdquo;von der Schönheit der Insel beeindruckt“ gewesen. Niemann mietete im Westen Spiekeroogs eine steinerne Baracke des Wasser- und Schifffahrtsamtes Norden an. Wie es um deren Zustand bestellt war – keine Angabe. Um sich den Reiz einer solchen Reise vorzustellen, muss man wissen, dass sie für viele Teilnehmer nach den bitteren Kriegs- und Inflationsjahren die erste Erholung war. Es gab keinen Massentourismus, keinen allgemeinen Autoverkehr, keine zivilen Flugzeuge. &bdquo;An den wenigen tariflich zugestandenen Urlaubstagen und in den Feiertagen kam die große Mehrheit der Bevölkerung über Verwandtenbesuche in der Nähe kaum hinaus“, heißt es in der Chronik. Niemann war Gemeindepfarrer. Mit Hilfe des von ihm gegründeten Evangelischen Jugend- und Wohlfahrtsamtes, spätere Gemeindestelle für Innere Mission, organisierte er die ersten Freizeiten. Mitglieder der Bibelkreise und CVJMler fuhren mit, &bdquo;verstärkt durch junge Mädchen, Verlobte und Ehefrauen“, so ist es zu lesen. Kontakte von Pastor Gronemeyer ermöglichen Grundstück im Osten Hin- und Rückfahrt mit Eisenbahn und Schiff dauerten jeweils einen Tag, doch nahezu alle kehrten begeistert zurück. Das neue Heim überstand eine erste Woge der Aufregung: Man hatte Niemann im Badeanzug gesehen, inmitten der anderen Gütersloher. &bdquo;Das gehört sich nicht für einen Pastor“, erschallte es in der sittengestrengen Heimat, ohnehin rümpften viele die Nase über das gemeinschaftliche Baden von Männern und Frauen. Doch die Zeiten waren im Begriff, sich zu ändern. Als nach zehn Jahren das Wasser- und Schifffahrtsamt den Bau selber brauchte, hatten die Gütersloher Glück: Die Insulaner boten ein Grundstück im Osten an. Hilfreich waren die Kontakte von Pastor Paul Gronemeyer, der die Nachfolge Niemanns angetreten hatte und einen engen Kontakt zu Spiekeroog pflegte. Mit dem Bürgermeister hatte er Freundschaft geschlossen, man grüßte Gronemeyer herzlich, wenn er mit großem schwarzen Pastorenhut über die Insel promenierte. Haus sei in einem &bdquo;hervorragenden Zustand“ 1936 stand die neue Unterkunft – direkt am Tranpad, mitten in den Dünen, an derselben Stelle wie heute. Ein Holzfachwerkhaus. Gronemeyer hatte Verbindung zu den Fabrikantenfamilien Fritz Niemöller und August Barkey aufgenommen, zwei Gönner, die mit Spenden halfen. In Anerkennung dessen erhielt die Unterkunft ihren Namen: &bdquo;Haus Wolfgang“, nach dem früh verstorbenen Sohn Niemöllers. Noch im selben Jahr fanden sechs Freizeiten mit 214 Teilnehmern statt. Lesen Sie auch: Auswanderung: Junges Gütersloher Paar kündigt Wohnung und zieht auf Insel Die ersten 23 Jahre war es die Gemeinde selbst, die die Freizeiten ausrichtete. Dann änderte sich das. 1948 übertrug sie die Verantwortung fürs Haus an den neuen Trägerverein. In den Kriegsjahren von der Wehrmacht konfisziert, später für kurze Zeit von kanadischen Militärs genutzt, zog dessen Belegung nach dem Krieg an. Bald reifte die Erkenntnis, ein solideres, größeres Haus zu benötigen. 1961 stand das erste, 1967 folgte das zweite. Renovierungen schlossen sich in jüngeren Jahren an. &bdquo;Klar ist immer etwas zu tun. Aber das Haus heute ist in einem hervorragenden Zustand“, sagt Heike Briese. Die Buchungszahlen kämen nicht von ungefähr. Auf Spiekeroog kenne die Freizeitstätte nahezu jeder, sie liegt direkt am Hauptverbindungsweg. Manchmal, wenn der Kutscher vorbei führe, erzähle er den Touristen, &bdquo;da brauchst du gar nicht anfragen, da ist immer voll.“ Briese neigt dann zum Widerspruch: &bdquo;Ein paar Plätze haben wir oft noch frei.“

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