Happy Birthday: Ehemaliger Gütersloher Fahrlehrer feiert 90. Geburtstag

Gütersloh. Wie viele Tassilos mag es geben? In Gütersloh nur einen. Den einen, genauer gesagt: Tassilo Hardung. Politiker, Fahrlehrer, Gentleman, ein Mensch von stets feinem und ruhigem Wesen. Einer, der knapp 12.000 Menschen zum Führen eines Fahrzeuges verholfen hat, einer von jenen, bei denen von Beginn an zu spüren ist, dass sie so etwas besitzen, was man Haltung nennt. Jetzt ist er 90 geworden, und ungefähr ebenso viele kamen zum Gratulieren. Familie, Freunde, Nachbarn, Weggefährten: Sie alle machten ihm ihre Aufwartung. Zu seinem Empfang hatte er Weste und Fliege angelegt. Das passte. Nicht nur, weil seine gepflegte, angenehme Erscheinung das zum Ausdruck bringt, worauf es ihm auch innerlich ankommt, sondern weil es an die Herkunft seines besonderen Vornamens erinnert: Sein Vater hat ihn nach einem bayerischen Herzog benannt: Tassilo III, ein Gründer vieler Klöster, ein Vetter Karls des Großen. &bdquo;Mein Vater hatte ein Faible für diesen Herzog“, sagt der Jubilar. Er habe dessen Standhaftigkeit geschätzt, dessen Willen, Gutes zu bewirken, selbst als es dadurch zum Bruch mit Karl dem Großen kam. Vor einiger Zeit reiste Hardung mit seiner Frau Ute Klessmann-Hardung, Tochter eines Maschinenbauunternehmers (IMA), nach Nürnberg zum Christkindlmarkt, um dort ein paar Tage zu verbringen. Sie nächtigten im Tassilo-Hotel und gingen durch Tassilo-Straßen. &bdquo;In Bayern ist das ein verbreiteter Name“, sagt Hardung. Man schätzt die Verdienste dieses alten Adeligen, die &bdquo;Süddeutsche Zeitung“ verleiht jährlich den Tassilo-Preis für besondere Leistungen im Kulturbereich. Bis heute sitzt Tassilo Hardung in Gütersloher Gremien Standhaftigkeit, das ist etwas, das Hardung schätzt. Als er 2009 nach 27 Jahren die FDP verließ, seinen Ehrenvorsitz niederlegte, tat er es nicht, weil er mit den Liberalen nichts mehr zu tun haben wollte, sondern weil er sich getäuscht fühlte: Entgegen der Absprache sollte er plötzlich kein Ratsherr mehr sein dürfen, weil er mit seinen 65 Jahren eine Altersgrenze überschritten habe. Hardung zu alt? Darüber lachen kann er bis heute nicht, aber er zog seine Konsequenzen und flaggte um: Hardung wechselte zur BfGT, den Bürgern für Gütersloh. Für die sitzt er bis heute in den Gremien. Sie schätzen seine Mitwirkung. Hardung bringt sich als sachkundiger Bürger im Mobilitäts- und im Kulturausschuss ein. Seine Herzensthemen. Als Fahrlehrer kennt er jede Straße, jeden Winkel. Gibt es eine bessere Voraussetzung, sich mit Verkehrsfragen zu beschäftigen? Als Kulturliebhaber schätzt er die Gütersloher Bildungsstätten und speziell die Stadtbibliothek: Mehr als 20 Jahre hat er dort kleinen Kindern vorgelesen. Hardung ist Mitglied in einem Literaturkreis, sein Bücherregal zuhause ist prall gefüllt. Er ist ein Mann, der geistige Nahrung wie Sauerstoff braucht, immer schon. Tausende Gütersloher machten bei ihm ihren Führerschein Bis zu den Kommunalwahlen im Herbst macht er noch, danach nicht mehr. &bdquo;Wer will schon einen 90-Jährigen im Rat?“, sagt er. Als im Sommer vergangenen Jahres die Ratsfrau Christiane Ziegele ausschied, ein Platz in der Fraktion frei wurde, wäre Hardung der erste Nachrücker auf der Liste gewesen. Doch er winkte ab, überließ Andrea Kees den Vortritt. Auch im Vereinsvorstand tritt er inzwischen kürzer. Ende des Jahres legte er sein Amt als Schatzmeister nieder, übergab es einer Jüngeren. Seine politische Laufbahn neigt sich somit dem Ende zu, eine Laufbahn, die im Oktober 1984 begann. Warum er sich engagiert? &bdquo;Weil ich diese Stadt liebe“, sagt er. Geboren in Bielefeld, verschlug es ihn in den 1950er-Jahren nach Gütersloh. Durch die Politik, vor allem aber durch seine Fahrschule lernte er Tausende Gütersloher kennen – und die ihn. Ohne Frage zählt er zu bekanntesten Gesichtern dieser Stadt. Lesen Sie auch: Senioren am Steuer – Tassilo Hardung gibt Tipps für ältere Autofahrer Ende 2023 gab der Fahrlehrer seine Lizenz ab Fahrlehrer ist er nicht mehr. Ende 2023 gab er seine Lizenz ab, kurz vorher hatte ihn der Landesverband Westfalen für 65 Jahre Mitgliedschaft ausgezeichnet. Ob er der älteste Fahrlehrer Westfalens war? &bdquo;Nein“, antwortet die Geschäftsstelle, da gebe es jemanden, der noch älter sei, die Frage sei nur, ob diese Person tatsächlich noch im Auto sitze. Hardung hingegen nahm bis zum Schluss Prüfungen ab; am 14. Dezember 2023, letzter Prüfungstag des Jahres, verhalf er einer jungen Fahrschülerin zum Abschluss. In einem VW, wie beinah immer. Volkswagen war seine Marke, 1974 lenkte er den ersten Golf durch Gütersloh. Experimente mit Mercedes und Opel beendete er schnell. Als er zum Straßenverkehrsamt ging, seine Lizenz abgeben, habe man ihn mit großen Augen angesehen, erzählt Hardung. &bdquo;Wie, Sie wollen nicht mehr?“ Statt die Lizenz in den Ordner für &bdquo;erledigte Angelegenheiten“ einzusortieren, hätten sie darauf bestanden, ihn in eine Schublade zu legen, &bdquo;nur für den Fall...“ Dazu jedoch, so Hardung, werde es gewiss nicht kommen. Die Dienstfahrt, sie sei vorbei. Alt-Bürgermeisterin Maria Unger gratuliert Gut zu Fuß ist er leider nicht mehr. All die Jahre im Beifahrersitz haben seinem Rücken zugesetzt. Die Glückwünsche, ob von der Altliberalen Gudrun Kopp oder den Ex-Bürgermeistern Maria Unger und Henning Schulz, ob von Fahrerlehrer-Kollegen oder Familienangehörigen, nahm er sitzend entgegen. Aktuell bekommt er Physiotherapie, auf dass es wieder besser werde. Was er die nächsten Jahre im Sinn hat, ist Sortieren, Sichten, Rückblicken. Da wartet so einiges auf ihn. 40 Jahre Tagebuch, die vielen Schriftstücke, Fotos. &bdquo;Ich bin zeit meines Lebens ein Sammler gewesen“, sagt Hardung. Die Vorfreude, sich damit zu beschäftigen, sei riesig.

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