Entscheidung in Gütersloh gefallen: CDU schickt Landratskandidatin ins Rennen

Gütersloh. Selbst die Altvorderen der CDU hatten einen solchen Anblick noch nicht erlebt. Als sie am Montagabend im großen Saal der Stadthalle Gütersloh eintrafen, erblickten sie eine Menge, die vor Spannung und Vorfreude vibrierte. Träger brachten Stühle herbei, Parteikollegen trugen aus dem Foyer Stehtische heran. &bdquo;Das hier ist ein Hochfest der Demokratie“, jubelte André Kuper, NRW-Landtagspräsident aus Rietberg und Versammlungsleiter dieses Abends. Das Hochfest - es war angesetzt, um eine der wichtigsten Personalentscheiden für die nächsten Jahre zu treffen. Wer soll sich im Herbst bei der Kommunalwahl um den Posten des Landrates bemühen dürfen? Wer soll die Nachfolge von Sven-Georg Adenauer antreten? Jener Adenauer saß in der vorletzten Reihe der Empore und betrachtete das Spektakel von oben. Gelegentlich schüttelte er Hände, gelegentlich winkte er in den Saal. Vor gut einem Jahr, im Dezember 2023, hatte er mitgeteilt, nicht erneut kandidieren zu wollen. Er werde kurz nach den Wahlen 66 Jahre alt, nun seien Jüngere dran. Bei seinem Ausscheiden wird der Jurist und Kanzler-Enkel 26 Jahre lang Landrat des Kreises Gütersloh gewesen sein. Eine Stichwahl benötigte Ina Laukötter nicht Dass das Küren des Nachfolge-Bewerbers derart umkämpft sein würde, hatten weder Adenauer noch die CDU-Spitze absehen können. Sie hatten doch alles vorbereitet. Ein parteiinternes Auswahlverfahren in die Wege geleitet. Sich einen Zeitplan gegeben, Kandidaten und Interessen abgefragt. Um am Ende einstimmig eine Empfehlung abgeben zu können: Ina Laukötter, 44-jährige Teamleiterin bei Miele und Ratsfrau aus Gütersloh – sie sollte es werden. Acht Wochen später jedoch traten entgegen aller Absprache plötzlich zwei weitere Kandidaten auf den Plan: Birgit Ernst (56) aus Werther und Alexander Siefert (47) aus Rheda-Wiedenbrück. Lesen Sie auch: Ehefrau von Gütersloher Landrat Adenauer will Bürgermeisterin werden Um es kurz zu machen: Laukötter hielt ihre beiden Konkurrenten klar in Schach. Eine Stichwahl brauchte sie nicht. Schon im ersten Durchgang vereinte sie 393 der 582 Stimmen auf sich, 67,5 Prozent, die absolute Mehrheit. Ernst kam auf 113 Stimmen, Siefert auf 75. Ein vierter Konkurrent, Bernhard Balke, der um 17.30 Uhr kurzfristig per Mail eine Eigenbewerbung geschickt hatte, erhielt eine Stimme. &bdquo;Zeigt, wie lebendig unsere Partei ist“, sagt Raphael Tigges 67,5 Prozent. Dass das Ergebnis pro Laukötter derart eindeutig ausfiel, hatten zu Beginn der Versammlung nicht alle Mitglieder erwartet. Birgit Ernst galt als ernst zu nehmende Konkurrentin. Sie hatte sich des Rückhalts der von ihr geführten Kreistagsfraktion erfreut, sie hatte bei früheren Kandidaturen für Landtag und EU-Parlament viele für sich eingenommen. Zwar war sie bei diesen Anläufen letztlich an der Wählerurne gescheitert – doch womöglich würde sie jetzt die parteiinterne Hürde erneut überspringen können? Auch Siefert hatte seine Anhänger, viele davon saßen im Saal. Elf Jahre war er finanzpolitischer Sprecher der CDU im Stadtrat von Rheda-Wiedenbrück gewesen, bevor er fortzog und Geschäftsführer zweier mittelständischer Betriebe in Schleswig-Holstein und Niedersachsen wurde. Auch er ein respektabler Kandidat. Dass diese Personalentscheidung derart viele Mitglieder mobilisierte, sei &bdquo;absolut großartig“, freute sich Kreisvorsitzender Raphael Tigges. Natürlich habe es der Kreisvorstand ursprünglich nicht darauf angelegt, dass es auf eine Kampfkandidatur hinaus laufe. &bdquo;Aber was hier sehen, zeigt, wie lebendig unsere Partei und wie groß das Interesse der Mitglieder an dieser Entscheidung ist.“ Versammlungsleiter Kuper erinnerte der Anblick und die knisternde Atmosphäre an ein volles Fußballstadion. &bdquo;Nun hoffen wir auf Fairplay und ein schönes Spiel.“ Lange Schlangen am Eingang sorgen für Verzögerung Dieses &bdquo;Spiel“ pfiff Ina Scharrenbach, Heimat- und Kommunalministerin des Landes, an. Aus Düsseldorf war sie angereist und hatte dem Vorgang auch insofern besondere Bedeutung verliehen. &bdquo;In ihren Händen liegt eine sehr verantwortungsvolle Entscheidung“, rief sie den Mitgliedern zu: &bdquo;Wem wollen wir diesen Kreis Gütersloh anvertrauen?“ Tigges hatte zuvor den Anspruch seiner Partei verdeutlicht, die Geschicke des Kreises nach den Kommunalwahlen weiterhin führend mitzugestalten. &bdquo;CDU-Politik tut diesem Kreis gut“, rief er. &bdquo;Deswegen sollten wir stark und vereint in den Wahlkampf ziehen.“ Lesen Sie auch: Verwirrung um Artikel über Gütersloher Landrat Adenauer: &bdquo;Ich bin völlig überrascht“ Von den 3.308 wahlberechtigten Christdemokraten im Kreis waren 582 erschienen, knapp ein Sechstel. Am Eingang bildeten sich lange Schlangen, erst mit Verzögerung konnte die Versammlung beginnen. Dass sich am Ende zwei Drittel der Stimmberechtigten für Laukötter aussprachen, dürfte die CDU-Spitze um Tigges als Beleg dafür werten, dass sie mit ihrer Empfehlung richtig gelegen hatte. &bdquo;Ich werde präsent sein“, verspricht Ina Laukötter Laukötter hatte in ihrer Rede das Ziel umrissen, als Landrätin den Kreis nicht nur verwalten, sondern gestalten zu wollen. Wirtschaftsförderung, Bildung, Sicherheit: All das beschrieb sie parforcerittmäßig in klaren, knappen Sätzen. Sie werde die Verwaltung digitalisieren und entbürokratisieren, &bdquo;agiler, effizienter und einfacher“ machen. Mit den Finanzen des umlagefinanzierten Kreises werde sie sorgsam umgehen, denn jeder Euro beim Kreis sei einer, der den Kommunen fehle. Laukötter betonte, sie sei ein Kind des Kreises, geboren und aufgewachsen in Herzebrock-Clarholz. Ihre Eltern, ihr Bruder, ihr Lebensgefährte, sie alle säßen hier im Saal. Sie verspreche, nahbar und bei den Menschen zu sein. Sportveranstaltungen, Schützenfeste, Karneval: &bdquo;Ich werde präsent sein.“ Zehn Minuten Mindestredezeit hatte Kuper den Rednern gewährt, Laukötter brauchte 25. Auch Siefert und Ernst schafften es nicht kürzer. Siefert, der Unbekannteste der drei, sagte, er fühle sich ein wenig wie auf einer Party, zu der er zwar nicht eingeladen gewesen sei, wo er aber trotzdem auf der Tanzfläche stehe. Er spielte damit auf die Tatsache an, ebenso wie Ernst von vielen CDU-Ortsverbänden ignoriert worden zu sein, keine Gelegenheit bekommen zu haben, sich und sein Programm vorzustellen. Drei gute Kandidaten zu haben, sei für die CDU ein Bonus, so Ernst Als ihn die Findungskommission zu Beginn angesprochen habe, hätte er seine Gedanken ums Landratsamt vertieft; umso enttäuschender sei für ihn die Absage gewesen. Er respektiere den Vorschlag des Kreisvorstandes, aber ebenso erwarte er Respekt für seine Kandidatur. &bdquo;Was hier passiert, ist nichts Verwerfliches, nichts Verbotenes, hier passiert Demokratie.“ Für die CDU sei es ein Bonus, drei gute Kandidaten zu haben, sagte Birgit Ernst, &bdquo;und mein Blick in diesen Saal bestätigt das gerade.“ Wer Landrätin oder Landrat werde, brauche ein breites Rückgrat, das habe sie. &bdquo;Wir werden in den nächsten Jahren Entscheidungen treffen müssen, die sich auf die freiwilligen Leistungen des Kreises spürbar auswirken.“ Dafür brauche es eine starke Person. Im Vorfeld habe sie von einem ihr zugewandten Parteikollegen gehört, es gebe viele &bdquo;Zu’s“: zu alt, zu spät, zu unbequem, zu oft. Wirklich wichtig seien aber nur zwei: Zuhören und Zupacken. Ab 1. November, mit Amtsübergabe sechs Wochen nach der Kommunalwahl, werden diese beiden &bdquo;Zu’s“ nun womöglich von Ina Laukötter wahrgenommen.

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