100-Jähriger aus dem Kreis Gütersloh beeindruckt regelmäßig beim Tanzen

Gütersloh. &bdquo;Für mich soll’s rote Rosen regnen“, singt Hildegard Knef. Und Siegfried Kiesler fasst Ingrid Werner um die Taille und schiebt sie im langsamen Walzertakt über die Tanzfläche. &bdquo;Unser Siggi ist vor Kurzem hundert geworden. Der tanzt auch noch Tango“, erzählt Tanzlehrer Michael Stallmann (66) bewundernd. Es ist Donnerstagnachmittag in der Tanzschule Stüwe-Weissenberg in Gütersloh und einmal im Monat ist hier ein ganz besonderer Tanztee. &bdquo;Tanz mal wieder!” heißt dann das Motto der Alzheimer Gesellschaft vom Kreis Gütersloh. Auf Initiative von Ingrid Werner, ehemalige Mitarbeiterin der gerontopsychologischen Tagesklinik am LWL-Klinikum, treffen sich hier an Demenz erkrankte Seniorinnen und Senioren und schwingen das Tanzbein. &bdquo;Früher war ich kein großer Tänzer“, sagt Siegfried Kiesler, den hier alle nur &bdquo;Siggi“ nennen. &bdquo;Aber es waren ja auch andere Zeiten.“ &bdquo;Ja, alle, die ihn kennen, haben erzählt, dass er früher nicht getanzt hat“, bestätigt Gudrun Bauer. Sie ist Mitarbeiterin im Sozialen Dienst des Altenwohnheims St. Aegidius, in dem der Senior, der als Dekorateur gearbeitet hat, lebt. &bdquo;Ich bin dort auch Seelsorgerin. Und mehr Sorge für die Seele als hier, gibt es eigentlich gar nicht“, sagt Bauer und lässt ihren Blick schweifen. Siggis Stock kommt in die Ecke Mit seligem Blick halten sich alte Menschen an den Händen - &bdquo; eins, zwei, Wiegeschritt“ - summen die Lieder, die sie teilweise jahrelang begleitet haben, leise mit. Gerade singt Elvis &bdquo;I can’t help falling in Love with you“. &bdquo;Der Siggi ist schon seit 2013 bei ,Tanz mal wieder’ dabei“, erzählt Michael Stallmann, der gemeinsam mit seiner Ehefrau Gaby, die Tanzveranstaltung anleitet. Und auch wenn Siggi sonst zum Gehen einen Stock braucht - sobald Musik ertönt, stellt er ihn beiseite und steht auf der Tanzfläche. &bdquo;Und der Siggi ist auch immer ganz chic“, sagt Gudrun Bauer beeindruckt. Heute trägt er einen dunkelblauen Pullunder über seinem blauen Oberhemd. &bdquo;Die Krawatte haben wir heute vergessen“, sagt seine Betreuerin. Wenn er in einem Modehaus in Rheda-Wiedenbrück die Schaufenster dekoriert habe, sei er auch immer sehr galant zu den Damen gewesen. Tanzen weckt Erinnerungen Da, Vicky Leandros singt vom &bdquo;Tango d’Amour“ und Siegfried Kiesler steht nach einer kleinen Trinkpause erneut mit Ingrid Werner auf der Tanzfläche. Das Licht wird ein wenig gedimmt, rote Scheinwerfer beleuchten die Tanzenden. Siggis Schritte sind klein, aber dennoch im Takt. Er legt den Kopf an die Schulter seiner Tanzpartnerin. Wer nicht tanzen möchte, sitzt schunkelnd am Rand. &bdquo;Die Gefühle funktionieren noch genauso wie vor der Krankheit“, sagt Ingrid Werner (65). &bdquo;Beim Tanzen werden Erinnerungen an die Jugend, heitere Zeiten und sogar an die erste Liebe geweckt.“ Das weiß auch Michael Stallmann, der jetzt alle knapp 30 Anwesenden in einen Kreis ruft und zu &bdquo;Herzilein“ von den Wildecker Herzbuben schunkeln lässt. &bdquo;Die singen mit, auch wenn sie sonst kein Wort mehr sagen“, sagt Gaby Stallmann gerührt. Musik lässt die Krankheit vergessen Und auch wenn sich ihre Tanzschüler sonst nicht mehr ausdrücken können, zeigen doch ihre Reaktionen, wie viel ihnen der Tanznachmittag bei Stüwe-Weissenberg bedeutet. &bdquo;Nehmen Sie zum Beispiel diese Dame dort, die hat eine schwere Demenz. Aber wenn man ihr ins Gesicht sieht, weiß man, was Musik macht“, sagt Gudrun Bauer und zeigt auf eine kleine alte Dame im orangefarbenen Pullover, die sich glücklich lächelnd an der Hand ihrer Betreuerin dreht. &bdquo;Für Viele ist es auch wichtig, dass sie einfach mal aus der Einrichtung herauskommen“, sagt die Sozialarbeiterin. Dadurch, dass der Tanztee in den schönen Räumen der Gütersloher Tanzschule Stüwe-Weissenberg stattfindet, wird das Angebot zu etwas Besonderem. &bdquo;Viele erzählen, dass sie hier schon bei ,Finchen’ - Josefine Stüwe - getanzt haben“, sagt Gudrun Bauer, die inzwischen auch andere Kolleginnen von dem Projekt überzeugt hat. &bdquo;Manche, die jetzt im Ruhestand sind, fahren jetzt noch ehrenamtlich als Begleitung mit.“ Beim nächsten Mal gibt’s Weihnachtslieder Wiener Walzer mit &bdquo;An der schönen blauen Donau“, Rumba mit Freddy Quinns &bdquo;Die Gitarre und das Meer“, ein Partytanz zu Helene Fischers &bdquo;Atemlos durch die Nacht“, sogar einen Twist legt Michael Stallmann auf. Besonders ein Ehepaar fällt mit seinem wunderbaren Tanzstil auf. Der Mann hat eine sehr gerade Tanzhaltung, Linksdrehung, Rechtsdrehung, alles sieht so leicht aus. &bdquo;Wir haben früher viel getanzt“, sagt seine Frau und lächelt traurig. &bdquo;Mein Mann kann sich an fast nichts mehr erinnern. Aber wenn wir hier zum Tanzen waren, davon redet er noch ganz lange“, erzählt sie. &bdquo;Die bundesweite Initiative &bdquo;Wir tanzen wieder“ ist bereits 2005 von Stefan Kleinstück gegründet worden. Über einen Kongress der Alzheimer-Gesellschaft kam die Idee 2013 nach Gütersloh. Dank Ingrid Werner, die das Ehepaar Stallmann dafür begeistern konnte. Lesen Sie auch: Kleinstes Pony der Welt besucht Hospiz in Gütersloh 90 Minuten dauern die Tanznachmittage für Menschen mit Demenz, Senioren und Angehörige. Die Teilnehmer zahlen sieben Euro. Getanzt wird ein Mal im Monat von 14.30 Uhr bis 16 Uhr, die Termine finden sich auf der Homepage der Gütersloher Alzheimer-Gesellschaft unter www.alzheimer-guetersloh.de. &bdquo;Der nächste Termin ist am 12. Dezember, da wird es weihnachtlich“, verspricht Michael Stallmann den Anwesenden über sein Mikro. Siggi ist dann sicher auch wieder dabei.

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